Verwaltungsrecht
Allgemeines Verwaltungsrecht
Von Jahr zu Jahr werden die Gesetze komplizierter. Benjamin Schindler, ZBl 5/2019, S. 233 ff.
Der Autor schreibt, es mache den Anschein, als wandle sich das Verwaltungsrecht immer schneller und werde ständig komplizierter. Dies sei aber keine neue Entwicklung. Wandel und Unübersichtlichkeit habe es im Verwaltungsrecht schon im 18. Jahrhundert gegeben. Den Eindruck, von einer immer stärker anschwellenden Flutwelle von Rechtsnormen überrollt zu werden, erklärt Schindler so: In vielen Köpfen geistere die falsche Vorstellung herum, Staat und Verwaltung hätten sich früher auf die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beschränkt und die intensive Regulierung zahlreicher Lebensbereiche sei ein Phänomen jüngeren Datums.
Ausländer- und Asylrecht
Rechtliche Herausforderungen beim Schutz staatenloser Personen in der Schweiz. Barbara von Rütte, Asyl 2/19, S. 3–9.
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift «Asyl» befasst sich mit dem Thema der Staatenlosigkeit. Barbara von Rüttes Abhandlung zeigt Möglichkeiten und Hürden im Rahmen des schweizerischen Verfahrens zur Anerkennung der Staatenlosigkeit auf, diskutiert die Rechtsstellung Staatenloser im Schweizer Recht sowie die Einbürgerung solcher Personen.
The case law of the European Court of Human Rights pertaining to immigration detention of stateless persons. Katia Bianchini, Asyl 2/19, S. 17–21.
Der Beitrag von Katia Bianchini behandelt die menschenrechtliche Zulässigkeit der Ausländerhaft von staatenlosen Personen. Unter Beachtung der jüngeren Rechtsprechung des EGMR erklärt die Autorin, dass solche Haftanordnungen gemäss Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig sind, wenn die nationalen Behörden verfahrensrechtliche Mindestgarantien einhalten und «due diligence» bei den Vollzugsvorbereitungen an den Tag legen. Zudem zeigt sie auf, dass der EGMR es als mit Art. 5 EMRK unvereinbar moniert, wenn Personen ohne Ausweisdokumente und rechtmässigen Aufenthalt wiederholt strafrechtlichen Verfahren ausgesetzt werden.
Baurecht
Verdichtet bauen – Dienstbarkeiten beseitigen.
Urs Hofstetter-Arnet,
Domino Hofstetter und Stefan Mundhaas, SJZ 2019, S. 335 ff.
Die Autoren analysieren die seit der Revision des Raumplanungsgesetzes von den Kantonen getroffenen Massnahmen zur Siedlungsentwicklung nach innen. Sie gehen der Frage nach, inwiefern ein Dienstbarkeitsbelasteter bei Vorliegen einer Rechtsgrundlage im öffentlichen Baurecht eine private Baubeschränkung zu Verdichtungszwecken löschen kann. Damit geben sie einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Rechtslage zu dieser praktisch relevanten Frage in verschiedenen Kantonen.
Was braucht es, damit die SIA-Normen gelten? Vom richtigen Einbezug der SIA-Normen. Arnold F. Rusch, AJP 6/2019, S. 631–638.
Bei fast allen Bauvorhaben in der Schweiz gelangen die SIA-Normen zur Anwendung. Interessanterweise hat sie aber kaum jemand erhalten, schreibt der Autor. Wie kann das sein? In seinem Aufsatz widmet sich der Professor dem vertraglichen Einbezug und der Zugänglichkeit der SIA-Normen. Dabei zeigen sich mehrere Herausforderungen: Ist das AGB-Korrektiv anwendbar, wenn ein Bauleiter für den Bauherrn den Einbezug der SIA-Normen vorschlägt? Wie klar muss der Einbezug sein – muss er auch Unter-AGB erwähnen und aushändigen?
Umweltrecht
Vergütungszins bei Altlastensanierungen – Bemerkungen zum Bundesgerichtsurteil 1C_524/2014 vom 24. Februar 2016, E. 10 («Urteil Crissier»). Anna Knobel, URP 1/2019, S. 1 ff.
Vertiefte Diskussion der Problematik betreffend die zu leistenden Zinsen, wenn Sanierungsmassnahmen im Sinne des Umweltschutzgesetzes von einer Partei vorfinanziert oder durchgeführt werden und es in der Folge zu einer teilweisen oder vollständigen Rückerstattung an diese Partei kommt. Anhand des Bundesgerichtsentscheids vom 24. Februar 2016 wird die Frage diskutiert, ob die Auferlegung solcher Zinsen ohne Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage zulässig ist und was dies für die übrige Rechtsordnung zur Folge hat.
Die Beurteilung geänderter Altanlagen aus lärmschutzrechtlicher Sicht – eine kritische Analyse der heutigen Praxis. Jonas Alig und Liliane Schärmel, URP 3/2019, S. 303 ff.
Kritische Auseinandersetzung mit den Vorgaben der Lärmschutzverordnung zum rechtlichen Umgang mit geänderten lärmerzeugenden ortsfesten Altanlagen mit Blick auf die Vorgaben des USG (Art. 18 und Art. 25). Die Verfasser kommen zum Schluss, dass Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV teilweise dem übergeordneten Recht widersprechen.
Übriges Verwaltungsrecht
Tempo, Tempo!
Heribert Rausch, ZBl 4/2019, S. 186 ff.
Deutsche Politiker streiten momentan darüber, ob künftig auf Autobahnen eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung gelten soll. Die Schweiz kennt solche Tempolimiten schon lange. Eingeführt wurden sie im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Immer wieder wurde jedoch versucht, die Tempolimiten auf Autobahnen und Hauptstrassen ausserorts rückgängig zu machen. Inzwischen haben sich in der Frage der generellen Geschwindigkeitsbegrenzungen die Gemüter beruhigt. Auf Widerstand stösst jedoch die Ausbreitung von Tempo-30-Zonen.
Das Öffentlichkeitsprinzip – und ewig grüsst die Skepsis. Sandra Husi-Stämpfli, Jusletter vom 27.5.2019.
Der Bundesrat hat kürzlich beschlossen, auf die Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) zu verzichten und vorerst keine weiteren Ausnahmen vom Anwendungsbereich in das BGÖ aufzunehmen. Die Autorin behandelt in ihrem Beitrag den schleppenden Paradigmenwechsel zu einer transparenten Verwaltung. Sie schreibt unter anderem: «Es lässt sich denn auch nicht weiter schönreden: Die als ‹Alternativlösungen› präsentierten spezialgesetzlichen Ausnahmebestimmungen, wie sie ihren Eingang in das Eisenbahngesetz, das Seilbahngesetz und dergleichen gefunden haben, werden das Öffentlichkeitsprinzip in der Praxis untergraben.»
Sozialversicherungsrecht
Zur geplanten VAG-Revision. Stephan Fuhrer, HAVE 1/2019, S. 31 ff.
Im Versicherungsaufsichtsrecht sollen wichtige Stellschrauben neu justiert werden. Die einzelnen Themen wurden in den letzten Jahren durch verschiedene Arbeitsgruppen vorbereitet. Nun liegt mit der Vernehmlassungsvorlage das gebündelte Gesamtprojekt vor. Eine erste Auslegeordnung soll aufzeigen, wohin die Reise zumindest nach dem Willen des Bundesrates gehen soll und wie sich das Projekt in die anderen laufenden oder bereits abgeschlossenen Projekte im Versicherungs- und Finanzmarktrecht einreiht.
Bekanntes und Neues zur Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen.
Lucrezia Glanzmann-Tarnutzer, AJP 6/2019, S. 579–608.
Bei Teilliquidationen stellen sich einige Fragen von Brisanz. Etwa bei der Ausfinanzierungspflicht des Arbeitgebers sowie der Neubildung und Aufteilung versicherungstechnischer Rückstellungen. Die Neubildung steht vor allem im Zusammenhang mit der Umwandlung einer Vorsorgeeinrichtung in eine Rentnerkasse.
Eingliederung aus Rente nach Art. 8a IVG – wann ist ein Revisionsgrund nach Art. 17 ATSG gegeben?
Michael E. Meier, SZS 2/2019, S. 125–131.
Eine Analyse des Bundesgerichtsentscheids 145 V 2, gemäss welchem eine rentenbeziehende Person zur Teilnahme an einer Eingliederungsmassnahme verpflichtet werden kann. Bei Verweigerung darf die Rente aber nur dann aufgehoben werden, wenn ein Revisionsgrund nach Art. 17 Abs. 1 ATSG vorliegt.
Der Vertrauensarzt in der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Kaspar Gerber,
SZS 2/2019, S. 75–93.
Die Vertrauensärzte der Krankenkassen haben eine praktisch wichtige Rolle und stehen in einem Spannungsfeld zwischen dem Arbeitgeber und dem Versicherten. Gesetzlich ist nur wenig geregelt. Der Aufsatz analysiert die Rolle der KVG-Vertrauensärzte und macht Vorschläge zur Optimierung.
Wie viel Beweis für welchen Schaden?
Evalotta Samuelsson, SZS 2/2019, S. 115–124.
Welches Beweismass gilt für die natürliche Kausalität von Körperschäden? Inwiefern muss die rechtliche Beweiswürdigung auf medizinische Befunde abstellen? Aktuelle Praxis und Rechtsprechung werden kritisch analysiert.
Eine Tour d’Horizon zu Brennpunkten der Versicherungsmedizin.
Iris Herzog-Zwitter, Jusletter vom 27.5.2019.
Der Beitrag erörtert den Status quo der Aufgaben des medizinischen Gutachters und die bundesgerichtliche Rechtsprechung im Kontext der Versicherungsmedizin und bezeichnet zukünftige Handlungsfelder mit Bezug auf den Forschungsbericht «Ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung der medizinischen Gutachterinnen und Gutachter» Nr. 5/18 des BSV.
Strafrecht
Pilotversuche mit Cannabis: ein rechtliches Experiment. Katja Cupa, Sui generis 2019, S. 107–121.
Das Betäubungsmittelgesetz soll um einen Experimentartikel ergänzt werden, der die rechtliche Grundlage für die Durchführung von Forschungsprojekten mit Cannabis (Pilotversuche) schafft. Der Beitrag zeigt auf, dass die gesetzliche Grundlage dafür bereits heute besteht und dass es infolgedessen für die Durchführung von Pilotversuchen der vorgeschlagenen Änderung nicht bedarf. Es werden überdies Grenzen der heutigen Rechtslage aufgezeigt.
Privatrecht
Obligationenrecht
Konzernverantwortungsinitiative und Geschäftsherrenhaftung. Karl Hofstetter, SJZ 2019, S. 271 ff.
Der Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Implikationen der Konzernverantwortungsinitiative und der Haftung schweizerischer Konzernmütter für Menschenrechtsverletzungen und Umweltvergehen durch Tochtergesellschaften im Ausland. Der Autor zeigt die Unterschiede zur 1995 entwickelten «konzernadäquaten Geschäftsherrenhaftung» auf.
Auffahrkollisionen – Notfall, Bremsweg, Kausalität. Jürg Nef, HAVE 2/2019, S. 113 ff.
Gewisse Rechtsfragen führen bei Haftpflichtschäden durch Auffahrunfälle immer wieder zu Diskussionen. So die Frage, wann ein Notfall des vorderen Fahrzeugs oder eine massgebliche Verkürzung des Bremswegs vorliegt und wie die Kausalität zu beurteilen ist. Der Autor zeigt die Konstellationen bei zwei oder mehr beteiligten Fahrzeugen sowie in Kolonnen auf und legt die Unterschiede bei der Regulierung von Sach- und Personenschäden dar.
Der Stellenwechsel, eine Quelle von Ärgernissen. Angela Hensch, ARV 1/2019, S. 1–23.
Beim Stellenwechsel gibt es viele mögliche Konfliktpunkte, von der Treuepflicht über die Freizeit zur Stellensuche bis zum Arbeitszeugnis und einem allfälligen vorzeitigen Antritt der neuen Stelle. Der praktische Überblick legt die häufigsten rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit dem Wechsel einer Stelle dar.
Private Haushalte: Anwendung des Arbeitsgesetzes? Kurt Pärli, Jusletter vom 27.5.2019.
Die Frage, ob das Arbeitsgesetz auf Betreuungs- und Haushaltstätigkeiten in privaten Haushalten anwendbar ist, muss differenziert beantwortet werden. Der Beitrag führt vier Konstellationen auf.
Versicherungsrecht
Ungleiche Prämien aufgrund von Nationalität, Alter und Geschlecht in der Motorfahrzeughaftpflichtversicherung – ein Diskriminierungsproblem? Kurt Pärli, Luca Vecchi
und Camill Oberhausser,
HAVE 1/2019, S. 16 ff.
Bei einer Untersuchung der Tarife bei den verschiedenen Versicherern zeigt sich, dass die Prämien je nach Geschlecht, Alter und/oder Nationalität unterschiedlich sind. Es fragt sich, ob solche Differenzen vor dem Hintergrund völker- und verfassungsrechtlicher Diskriminierungsverbote zulässig sind bzw. wie sich die Diskriminierungsverbote zur ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit verhalten.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Drittplattformverbote im selektiven Vertrieb - Das «Coty»-Urteil und dessen -Rezeption aus Sicht der Schweiz. Monique Sturny und Odile Ammann,
Sic! 5/2019, S. 293 ff.
Am 6. Dezember 2017 fällte der EuGH das Urteil in der Rechtssache «Coty». Die schweizerische Wettbewerbskommission (Weko) passte daher ihre Erläuterungen zur Vertikalbekanntmachung hinsichtlich der Zulässigkeit von Drittplattformverboten entsprechend an, allerdings nur für Luxuswaren. Die Autoren sind der Meinung, die Tragweite des «Coty»-Urteils sollte nicht auf Luxuswaren beschränkt werden.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Zivilprozessrecht
Revision der ZPO.
Andrea Domani, Jusletter vom 17.6.2019.
Der Bundesrat hat am 2. März 2018 eine Vernehmlassungsvorlage mit punktuellen Änderungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) zur Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung verabschiedet. Der Beitrag zeigt den aktuellen Stand der Vorlage auf.
Schweizerische ZPO, eine Anleitung, wie man Rechtsuchende vom Gang zum Gericht abhält.
Martin Hablützel, HAVE 2/2019, S. 134 ff.
Hohe Gerichtskosten und Vorschüsse behindern den Zugang zum Gericht. Laut Autor ist nachweisbar, dass die hohen Kostenhürden zu einem markanten Prozessrückgang geführt haben, da die Gerichte die Rechtsbehelfe der neuen ZPO restriktiv anwenden.
Europarecht
Zum Schiedsgericht im Institutionellen Abkommen. Benedikt Pirker, Jusletter vom 3.6.2019.
Der Autor zeigt anhand von zwei Beispielkonstellationen, inwieweit das im Institutionellen Abkommen vorgesehene Schiedsgericht als Teil des Streitbeilegungsmechanismus über eigene Entscheidungsbefugnisse verfügt. Die Frage stellt sich wegen der Verpflichtung des Schiedsgerichts, bei Auslegungsfragen zu unionsrechtlichen Begriffen den EuGH anzurufen. Zudem analysiert der Autor, ob der Streitbeilegungsmechanismus aus unionsrechtlicher Perspektive mit der Autonomie des Unionsrechts, wie der EuGH diese versteht, vereinbar ist.