Rechtstheorie, Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Recht. Peter Nobel, SJZ 2017, S. 457 ff.
Der Autor zeigt die Entwicklung der Bewegung «Law and Economics» auf, die nicht nur Einfluss auf das Steuerrecht, sondern auch auf andere Rechtsgebiete hat. Als Bestandteil der teleologischen Auslegungsmethode kann die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht nur zulässig, sondern sogar geboten sein. Ein Patentrezept liefert sie nicht; sie ist im Einzelfall bei der Auslegung einzubeziehen und zu prüfen.
Blick zurück – nicht nur im Zorn! Anton K. Schnyder, SJZ 2018, S. 101 ff.
Im Rahmen seiner Abschiedsvorlesung äussert sich der Autor zu Exzellenz und Wettbewerb an den Universitäten, zum Thema Lehre und Studium und beleuchtet namentlich die Bologna-Reform kritisch. Er schliesst mit einem Appell dafür, dass die Universität ein Ort unabhängigen Denkens bleibt, emanzipiert von politischen, bürokratischen und Ranking-gesteuerten Reformen.
Verfassungsrecht
Aktuelle Entwicklungen rund um das Gleichstellungsgesetz. Karine Lempen und Aner Voloder, SJZ 2018, S. 81 ff.
Die Autoren stellen die Hauptergebnisse einer neuen Analyse kantonaler Entscheide nach dem Gleichstellungsgesetz vor und spannen einen Bogen zur aktuellen Rechtsprechung. Sodann befassen sie sich mit der Anwendung in Fällen von Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität und werfen einen Blick auf die laufenden Revisionsarbeiten zu mehr Lohntransparenz und einer erleichterten Durchsetzung des verfassungsmässigen Anspruchs auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
Inländervorrang und Freizügigkeitsabkommen. Zu den Schranken des FZA für die sogenannten Inländervorränge bei der Anstellung. Astrid Epiney und Daniela Nüesch, AJP 1/2018, S. 6–21.
Die Autorinnen zeigen die unterschiedlichen Möglichkeiten für die Ausgestaltung eines Inländervorrangs auf. Sie skizzieren die Vorgaben des Freizügigkeitsabkommens und zeigen mit Bezug auf die aktuellen Diskussionen die sich aus dem Abkommen ergebenden Schranken auf. Ergebnis: Ein «harter» Inländervorrang ist bei der Einstellung grundsätzlich nicht mit dem Abkommen vereinbar.
Verwaltungsrecht
Gold, Glanz und Schein in der Gesetzgebung. Martin Wyss, ZBl 2018, S. 3 ff.
Die Forderung nach verständlichen Rechtstexten ist weder neu noch typisch schweizerisch. Sie ist vielmehr ein Kernthema des modernen Verfassungsrechts und der Rechtsetzungslehre. Gemäss Autor sollen Gesetze verständlich und sprachlich klar sein, sich auf das Normative beschränken und möglichst einfach formuliert werden. An der konzeptuellen und sprachlichen Abstraktion führt für Wyss kein Weg vorbei. Gesetze sollten selbstverständlich aus sich selbst heraus sprechen und aus sich heraus verständlich sein. Deshalb seien sie aufs Notwendigste zu verdichten und aus ihrer entstehungsgeschichtlichen Bedingtheit herauszulösen.
Internationale Gerichte, Garanten der Stabilität oder undemokratische politische Akteure? Daniel Möckli, ZBl 2018, S. 74 ff.
Der Autor kommt zum Schluss, dass auf internationaler Ebene der institutionelle Rahmen auszubauen ist, auf dem internationale Gerichte operieren. Die Ermittlung und Fortbildung des Völkerrechts dürfe nicht nur Aufgabe der internationalen Gerichtsbarkeit sein. Vielmehr sei sie vermehrt durch politische Organe internationaler Organisationen wahrzunehmen.
Ausländer- und Asylrecht
Der Einbezug von Familienangehörigen in die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 51 AsylG. Angela Stettler, Asyl 1/18, S. 3–10.
Die Autorin behandelt die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Familienasyl. Sie zeigt auf, welche Fragen im Grundsatzurteil BVGE 2017 VI/4 geklärt und welche vom Gericht offengelassen wurden und einer Klärung bedürfen.
Droit d’être entendu des enfants lors du renvoi d’un parent: la justice est-elle adaptée aux enfants? Fanny Matthey, Asyl 1/18, S. 23–25.
Die vorgestellte Studie des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte gelangt zum Schluss, dass sowohl Verwaltungsbehörden als auch Gerichte es überwiegend als unnötig erachten, ein betroffenes Kind bei der Wegweisung eines Elternteils anzuhören. Dies wird als mit der UN-Kinderrechtskonvention unvereinbar kritisiert.
Umweltrecht
Le droit de l’environnement suisse – Jurisprudence de 2011 à 2015. Adrian Gossweiler in Zusammenarbeit mit Daniel Burkhard, Yolanda Howald, Kevin Sägesser, URP 8/2017, S. 755 ff.
Umfassende und sehr informative Rechtsprechungsübersicht zu den wesentlichen Entwicklungen im Umweltrecht, insbesondere zu Grundprinzipien, Katastrophenschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Lärmschutz, Luftreinhaltung, Schutz vor nicht ionisierenden Strahlen, umweltgefährdende Stoffe, Umgang mit Organismen, Abfällen, Altlasten, Bodenschutzrecht, Lenkungsabgaben sowie zu Vollzug und Rechtspflege.
Biotopschutz und ökologischer Ausgleich im Siedlungsgebiet: dringend benötigt und rechtlich geboten.
Alexandra Gerber, URP 1/2018, S. 1 ff.
Spannender Aufsatz zu den rechtlich gebotenen Massnahmen zum Erhalt der Biodiversität innerhalb des Siedlungsgebiets und zur Frage, wie der Zielkonflikt zwischen der ökologischen Aufwertung des Siedlungsraums und der raumplanerisch gebotenen Verdichtung nach innen entschärfbar ist.
Steuerrecht
Die straflose Selbstanzeige von natürlichen Personen im Zeitalter des automatischen Informationsaustausches (AIA). Peter von Burg, Jusletter vom 26.2.2018.
Mit dem AIA ist die Zahl strafloser Selbstanzeigen deutlich angestiegen. Der Autor zeigt die Voraussetzungen der straflosen Selbstanzeige für natürliche Personen auf. Es folgt ein Überblick, wie die Schweiz den AIA umsetzt und durchführt. Zudem geht der Autor der Frage nach, welche Auswirkungen der AIA auf (straflose) Selbstanzeigen hat.
Sozialversicherungsrecht
Invalidenversicherung
Änderungen bei der gemischten Methode. Bundesamt für Sozialversicherungen. Ralph Leuenberger und Gisella Mauro, CHSS 1/2018, S. 40 ff.
Aufgrund eines Entscheids des EGMR war die Schweiz gezwungen, die diskriminierende Invaliditätsbemessung bei Teil- und Nichterwerbstätigen (vor allem Frauen) anzupassen. Der Beitrag setzt sich mit der Verordnungsänderung zur gemischten Methode bei der Invaliditätsbemessung, in Kraft seit Anfang 2018, auseinander. Es werden Fallbeispiele nach bisheriger und neuer Methode anschaulich durchgerechnet. Der Artikel ist ein Muss für Sozialversicherungsspezialistinnen.
Arbeitssicherheit: Die Sanktionierung fehlbarer Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Roger Andres, HAVE 5/17, S. 345–361.
Der Autor setzt sich in seinem Beitrag mit den haftungs- und versicherungsrechtlichen Aspekten der Arbeitssicherheit auseinander und beleuchtet das Thema aus der Sicht des Arbeitgebers und Arbeitnehmers. Der Beitrag befasst sich mit den zahlreichen «Normen der Arbeitssicherheit». Aufgezeigt wird, wie sich diese Normen, zu denen Gesetzes- und Verordnungsvorschriften ebenso gehören wie Merkblätter der Suva und Bedienungsanleitungen von Produkteherstellern, systematisieren lassen, und welche Sanktionen des Zivil-, Verwaltungs- und Strafrechts drohen, wenn gegen sie verstossen wird.
AHV, IV, EL, ALV
Sozialversicherungsrechtliche Fragen bei Beschäftigungsverhältnissen unter sozialhilferechtlichen Bedingungen. Anne Meier und Kurt Pärli, SZS 62/2018, S. 4–39.
In der Sozialhilfe gilt immer mehr «Workfare statt Welfare». Das heisst, wer Sozialhilfe bezieht, muss eine Gegenleistung erbringen, meistens im Rahmen einer Beschäftigung. Sind die beschäftigten Personen dann auch sozialversichert? Gemäss den Autoren ist dies immer dann der Fall, wenn ein wirtschaftlicher Wert erbracht wird.
Entschädigungen für wissenschaftliche Publikationen: Massgebender Lohn oder selbständiges Erwerbseinkommen? Michael E. Meier und Thomas Gächter, SZS 62/2018, S. 40–57.
Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Honorar eines wissenschaftlichen Autors selbständiges Erwerbseinkommen. Obwohl eine gewisse Bindung zum Auftraggeber besteht (Inhalt, Fristen, Format) und obwohl Konkurrenzverbote vereinbart werden können, überwiegt die Freiheit des Autors, der in seiner gedanklichen Schöpfung keinen Weisungen unterworfen ist.
BVG
Die Verjährung des berufsvorsorgerechtlichen Rückgriffs der vorleistenden Vorsorgeeinrichtung. Ueli Kieser, SZS 62/2018, S. 58–81.
Wenn unklar ist, welche Vorsorgeeinrichtung für die Ausrichtung von BVG-Leistungen zuständig ist, dann hat die letzte Vorsorgeeinrichtung eine Vorleistungspflicht. Ein allfälliger Rückgriff auf die früher zuständige Einrichtung verjährt nach fünf Jahren. Der Autor plädiert dafür, dass diese Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn die vorleistende Einrichtung zumutbare Kenntnis des Regressanspruches hat.
«Abwicklungsstörungen» beim Wechsel des Berufsvorsorgeträgers. Oliver M. Peter, SZS 62/2018, S. 82–94.
Wechselt ein Arbeitgeber die Pensionskasse, können sich verschiedene Probleme ergeben: Was gilt z.B. bei der Ausfinanzierung von Fehlbeträgen oder der Mitwirkung der Arbeitnehmer? Was passiert, wenn die neue Vorsorgeeinrichtung keine Deckungszusage abgibt? Ein Überblick über mögliche Störungen beim Wechsel.
Privatrecht
Obligationenrecht
Der Versicherungsmaklervertrag und die Dokumentationspflicht des Maklers. Philip Moebius, Jusletter vom 26.2.2018
Der Versicherungsmakler berät Kunden häufig mündlich. Bei Beratungsfehlern steht der Kunde bei der Begründung eines Haftpflichtanspruchs oft vor einem Beweisproblem. Weiter besteht keine Gewähr, dass die Versicherungsvermittlung objektiv erfolgt. Der Beitrag zeigt auf, dass Makler Dokumentationspflichten unterstehen, die eine Kontrolle über die Tätigkeit und die Objektivität ermöglichen, was die Beweisproblematik entschärfen kann.
Vertrauen in Geld. Rolf H. Weber, SZW 6/2017, S. 743–751.
Schwerpunkt der Ausgabe 6/2017 bilden die Beiträge der Tagung «Quo Vadis Finanzplatz Schweiz» mit ihrem Thema «Vertrauen im Finanzmarkt – Schlagwort oder reale Grundlage». Neue Geldkonzepte wie Buchgeld, die Abschaffung des Bargeldes oder die Möglichkeit, Daten als Geld einzusetzen, schaffen Verunsicherungen.
Arbeitsvertragsrecht
Neuere Praxis zur Teilklage und deren Auswirkungen auf den arbeitsrechtlichen Prozess. Alexander Wintsch und Peter Hafner, ARV 4/2017, S. 251–259.
Das Bundesgericht hat die Voraussetzungen für Teilklagen erschwert und sich zur Möglichkeit der negativen Feststellungsklage ausgesprochen. Der Aufsatz zeigt auf, inwiefern diese in haftpflichtrechtlichen Fällen ergangene Rechtsprechung auch für arbeitsrechtliche Gerichtsverfahren gilt.
Versicherungsvertragsgesetz
Kein Rechtsschutz?
Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten. Barbara Klett und Dominique Müller, HAVE 5/17, S. 381–384.
Sind sich Rechtsschutzversicherer und Versicherter bei der Schadenerledigung nicht einig, sehen die Versicherungsverträge in der Regel ein sogenanntes Meinungsverschiedenheitsverfahren vor. Darauf muss namentlich bei der Ablehnung einer Kostengutsprache wegen Aussichtslosigkeit hingewiesen werden. Der Beitrag befasst sich mit Voraussetzungen, Inhalt sowie Ablauf des Meinungsverschiedenheitsverfahrens und zeigt die verschiedenen Verfahrensmöglichkeiten auf.
Handels- und Gesellschaftsrecht
Immaterialgüterrecht
Zur Teilnahme an Urheberrechtsverletzungen. Cyrill P. Rigamonti und Marc Wullschleger, Sic! 2/2018, S. 47 ff.
Die Schweizer Gerichte haben die Frage nach den Kriterien einer widerrechtlichen Teilnahme an Urheberrechtsverletzungen nicht abschliessend geklärt. Eine Antwort wäre besonders für die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Internetanbietern wichtig. Bei der laufenden Urheberrechtsrevision macht man sich über diese Thematik Gedanken. Die Autoren stellen einen an patent- und haftpflichtrechtlichen Grundsätzen orientierten Ansatz vor.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Wiedereröffnung des Konkurses. Fanco Lorandi, AJP 1/2018, S. 56–67.
Das Gesetz sieht die Wiedereröffnung eines mangels Aktiven eingestellten Konkursverfahrens nicht vor. Es entspricht jedoch der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung, dass eine Wiedereröffnung in gewissen Fällen zulässig ist. Der Beitrag behandelt die Voraussetzungen, das Verhältnis zum eingestellten Konkursverfahren und die Alternativen zur Wiedereröffnung.
Strafprozessrecht
Verwertbarkeit privater Dashcam-Aufzeichnungen im Strafprozess. Eine Auslegeordnung anlässlich des Urteils STK 2017 1 des Kantonsgerichts Schwyz. Stefan Maeder, AJP 2/2018, S. 155–167.
Dürfen private Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren als belastende Beweismittel verwendet werden? Der Autor schlägt vor, zuerst die Rechtmässigkeit der Aufzeichnung nach DSG zu prüfen, weil die von Privaten unrechtmässig gesammelten Beweise nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung einzig unter besonderen Bedingungen verwertbar sind.
Schiedsverfahren
Die neue SIA-Schiedsordnung (SIA 150/2018). Tarkan Göksu, Baurecht 2018, S. 5 ff.
Der Autor erläutert die Anfang Jahr in Kraft getretene neue Schiedsordnung und stellt eine Reihe von prozessualen Elementen dar, welche das Schiedsverfahren gegenüber der Austragung einer Streitigkeit vor staatlichen Gerichten attraktiver machen – namentlich die ehrgeizigen Fristbestimmungen.