Verfassungsrecht
Grundrechte
Single subject rule – Die Einheit der Materie in den Gliedstaaten der USA. Goran Seferovic, ZBl 1/2019, S. 28 ff.
Die Voraussetzungen, wonach die in einer Gesetzesvorlage geregelten Materien einen sachlichen Zusammenhang aufweisen müssen, beruht in der Schweiz und den USA auf unterschiedlichen historischen Wurzeln. Die USA führten die single subject rule als Beschränkung der parlamentarischen Gesetzgebungstätigkeit ein. Sie wurde dort – im Gegensatz zur Schweiz – erst spät auf die neu eingeführten Verfahren der direkten Demokratie angewendet. Gegenüber Volksinitiativen wurde die single subject rule von den Gerichten in den USA in den letzten Jahrzehnten verstärkt angewandt. Dies erklärt die Lehre mit der zunehmenden Zahl an Volksinitiativen.
Verwirklichung von Grundrechten in der föderalen Schweiz: dargestellt am Beispiel des Bestattungsrechts bei Tot- und Fehlgeburt. Seraina Grünewald, ZBl 2/2019, S. 59 ff.
Staatliche Aufgabenträger sind durch die Verfassung zur Achtung und Verwirklichung der Grundrechte verpflichtet. Das Bestattungswesen fällt im Kern in die Kompetenz der Kantone. Bezüglich der Bestattung Tot- und Fehlgeborener zeigen sich grosse kantonale Unterschiede: Die meisten Kantone haben keine spezifische Norm erlassen, einige Kantone gewähren ein Bestattungsrecht bei Tot- und Fehlgeburten und andere Kantone sehen eine Bestattungspflicht für Totgeborene vor.
Das Kopftuch in staatlichen Institutionen. Aktuelle Fragen insbesondere im Zusammenhang mit der Zulassung von Pädagogik-Studentinnen zu Praktika. Lorenz Engi, AJP 2/2019, S. 208–217.
Pädagogikstudentinnen, die ein Kopftuch tragen, werden häufig nicht zum Praktikum zugelassen, das Teil ihrer obligatorischen Ausbildung darstellt. Das bedeutet: Wer nicht bereit ist, das Kopftuch bei der Tätigkeit als Lehrerin abzulegen, kann die Ausbildung nicht abschliessen und den Beruf der Lehrerin (im staatlichen Bereich) nicht ergreifen. Diese schwerwiegende Massnahme muss gesetzlich fundiert sein. Der Autor geht der Frage nach, inwiefern die nötigen Grundlagen bestehen.
Verwaltungsrecht
Datenschutzreform in der Schweiz. Beat Rudin, Digma 4/2018, S. 164 f.
Der Bund und die Kantone müssen ihr Datenschutzrecht den europäischen Anforderungen anpassen. Der Kanton Aargau hat es als einziger Kanton innert der zweijährigen Frist geschafft, seine Gesetze anzupassen. Der Autor geht in seinem Beitrag der Frage nach, wo die anderen Kantone stehen und wie weit der Bund ist.
Sozialversicherungsrecht
AHV, IV, EL und ALV
Rechtliche und praktische Aspekte auf dem Weg zum Gerichtsgutachten in der Invalidenversicherung. Erik Furrer, SZS 2019, S. 3–16.
Rechtliche Voraussetzungen und praktische Fragen beim Einholen gerichtlicher IV-Gutachten. Die Regeln unterscheiden sich klar von der SuisseMED@P-Vergabe im Verwaltungsverfahren.
Das Zwischenverdienstrecht der Arbeitslosenversicherung. Stephan Berner, SZS 2019, S. 17–31.
Die Anrechnung eines Zwischenverdiensts an Arbeitslosentaggelder verursacht immer wieder Probleme. Nach einem historischen Abriss werden mögliche Konstellationen mit Berechnungsbeispielen dargestellt.
Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit im Arbeitslosenversicherungsrecht. Tobias Merz, ARV 2018, S. 269–283.
Sind Arbeitslose arbeitsunfähig, stellen sich koordinationsrechtliche Fragen. Der ausführliche Überblick stellt häufige Fallkonstellationen dar.
Strafrecht
Ne bis in idem und nemo tenetur im Steuerstrafrecht – Teil 1 und 2. Helen Keller und David Suter, Steuerrevue 2018, S. 908 ff., und 2019, S. 4 ff.
Die EGMR-Richterin und ein Anwalt halten fest, dass die schweizerische Praxis, Steuersünder sowohl wegen Steuerhinterziehung wie wegen Steuerbetrug zu bestrafen, «auf tönernen Füssen» steht.
Privatrecht
Personenrecht
Erste Erfahrungen mit der DSGVO. David Rosenthal und David Vasella, Digma 4/2018, S. 166–171.
Der Beitrag zeigt, wie sich Schweizer Unternehmen auf die Datenschutz-Grundverordnung der EU eingestellt haben, wo Unklarheiten bestehen und ob es zu einer Abmahnwelle gekommen ist.
Familienrecht
Vermögensplanung unter Ehegatten im Spannungsfeld der Eheauflösung durch Scheidung oder Tod. Martin Eggel, AJP 1/2019, 90–102.
Der Beitrag thematisiert die rechtsgeschäftliche Vermögensplanung unter Ehegatten und geht der Frage nach, wie weit eine nach den Auflösungsgründen «Scheidung» und «Tod» differenzierende Regelung der Verhältnisse möglich ist. Dabei geht er auf die Planungsmöglichkeiten im Rahmen von Eheverträgen, Erbverträgen, Ehegattengesellschaften und Schenkungsverträgen ein.
Der Betreuungsunterhalt: Eine Bestandesaufnahme zwei Jahre nach dem Inkrafttreten. Marga Burri, Sui generis 2019, S. 1–11.
Für die Berechnung des Betreuungsunterhalts soll laut zwei Leiturteilen des Bundesgerichts einzig die Lebenshaltungskostenmethode verwendet werden. Massgeblich ist also die Differenz zwischen den Lebenshaltungskosten des betreuenden Elternteils (Bedarfsseite) und dessen Einkommen. Abgestuft wird der Anspruch auf Betreuungsunterhalt neuerdings nach der Richtlinie des sogenannten Schulstufenmodells. Der Beitrag gibt einen Überblick über die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung. Noch sind nicht alle Fragen geklärt worden.
Erbrecht
Besonderheiten der Nachlassplanung bei Nachkommen mit Behinderung. Regina E. Aebi-Müller und Janine Camenzind. Successio 1/19, S. 5–26.
Eltern mit einem körperlich oder geistig behinderten Kind haben viele Herausforderungen zu meistern. Zu den alltäglichen Schwierigkeiten treten Besonderheiten bei der Nachlassplanung, die im Beitrag beleuchtet werden. Zudem zeigen die Autorinnen auf, wie sich ein konkretes Planungsanliegen mit den vorhandenen rechtlichen Instrumenten umsetzen lässt und welche Grenzen zu respektieren sind. Dabei machen sie auch Querbezüge zum Sozial- und Sozialversicherungsrecht.
Obligationenrecht
Verzugszinsen bei «zahlbar innert 30 Tagen». Meinrad Vetter und und Olivier Buff, Forumpoenale 5/2019, S. 150 ff.
Rechnungen «zahlbar innert 30 Tagen» sind weit verbreitet. Ab wann der Schuldner nun effektiv in Verzug geraten ist und damit Verzugszinsen zuzusprechen sind, kann selbst geübte Referenten am Gericht ins Schleudern bringen. Der Beitrag setzt sich mit der rechtlichen Würdigung auseinander, um danach die Frage der Auswirkung von weiteren Mahnungen auf den Zinsenlauf zu beantworten. Das Ganze erfolgt anhand eines konkreten Beispiels.
Der Regress des Schadensversicherers auf den Kausalhaftenden. Yael Strub, SJZ 2019, S. 31 ff.
In jahrelanger Praxis hatte das Bundesgericht Art. 72 VVG im Lichte von Art. 51 Abs. 2 OR ausgelegt. Damit fügte es den privaten Schadensversicherer in die Regresskaskade ein und verwehrte ihm den Rückgriff auf kausalhaftpflichtige Schädiger. In einem aktuellen Urteil hat das Bundesgericht den Regress des privaten Schadensversicherers gegen die Haftpflichtversicherung eines kausalhaftenden Fahrzeughalters zugelassen. Die Autorin erläutert die Entstehungsgeschichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und legt dar, dass nun der Gesetzgeber die begrüssenswerte neue Gerichtspraxis übernehmen sollte.
Das Verhältnis von Aufsichts- und Privatrecht im Finanzmarktrecht.
Informationspflichten an der Schnittstelle von Fidleg und OR. Thomas Jutzi und Fabian Eisenberger, AJP 1/2019, S. 6–28.
Der Beitrag setzt sich mit der Problematik der Überschneidung von Aufsichts- und Privatrecht auseinander. Im Fokus steht das im Juni 2018 verabschiedete Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg).
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Die Bewilligungs- und Prospektpflicht im schweizerischen Recht anhand des Crowdfundings, Bundesgerichtsurteil 2C_860/2017 vom 5. März 2018, Fleur Baumgartner und Hans Caspar von der Crone, SZW 06/2018, S. 726–734.
Ausgehend von einem nicht zur Publikation vorgesehenen Bundesgerichtsurteil zur Prospektpflicht bei Publikumseinlagen greifen die Autoren Stand und Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen des Crowdfundings auf. Dabei fokussieren sie sich auf das zunehmend beliebte Crowdlending (Plattform vermittelt ein Darlehen zwischen einem Geldnehmer und diversen Geldgebern). Die in der Schweiz zugänglichen Plattformen sind individuell ausgestaltet. Doch die Frage der Bewilligungs- und Prospektpflicht stellt sich bei allen. Eine selbständige Regulierung des Crowdfundings ist nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber hat aber in den letzten Jahren einige Projekte zu Erleichterungen dieser neuen Finanzierungsform in die Vernehmlassung geschickt oder teilweise bereits in Kraft gesetzt. Die beiden Autoren zeigen sie in einer kurzen Übersicht auf.
Immaterialgüterrecht
Medienberichterstattung im Internet mit Sendungen Dritter. Cyrill P. Rigamonti, Sic! 2/2019, S. 57 ff.
Medienunternehmen verwenden auf digitalen Plattformen teils nicht lizenzierte TV-Sendungen Dritter. Sie greifen damit in Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte gemäss Art. 10 resp. Art. 37 URG ein, wenn diese Ausschnitte geschützte Werkteile oder Teile geschützter Sendungen darstellen. Zu klären ist, ob eine gesetzliche Schranke greift: In der Praxis zentral sind die Zitatschranke (Art. 25 URG) und die Schranke zugunsten aktueller Berichterstattung (Art. 28 Abs. 2 URG).
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Art. 329 Abs. 2 und 333 Abs. 1 StPO: Kombination von (verbindlicher) Rückweisung der Anklage und Einladung
zur (fakultativen) Änderung? Niklaus Ruckstuhl, Forumpoenale 1/2019, S. 65 ff.
Der Autor zeigt in seinem Beitrag auf, was zu erfolgen hat, wenn bei der Prüfung der Anklage der Verdacht aufkommt, dass der angeklagte Sachverhalt höchstwahrscheinlich falsch und ein anderer zutreffend sein dürfte und eine «neue» Anklage höchstwahrscheinlich Beweisergänzungen durch die Staatsanwaltschaft bedingt.
Die geplante Revision des Strafbefehlsverfahrens: Meilenstein oder Rohrkrepierer?
Christof Bernauer und Ylber Hasani, Jusletter vom 18.03.2019
Der Bundesrat hat am 1. Dezember 2017 den Vorentwurf einer Teilrevision der schweizerischen Strafprozessordnung in die Vernehmlassung geschickt, in deren Rahmen unter anderem das Strafbefehlsverfahren mehreren bemerkenswerten Änderungen unterzogen werden soll. Die beiden Autoren würdigen die Pläne des Bundesrats – unter Berücksichtigung der inzwischen veröffentlichten Vernehmlassungsantworten – kritisch.
Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit nach einem Verkehrsunfall.
Emanuel Cohen, AJP 1/2019, S. 3–5.
Der Autor geht der Frage nach, wann ein unfallverursachender Fahrzeuglenker mit der Anordnung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss Art. 91a SVG rechnen muss.
Das qualifizierte Steuervergehen als Vortat zur Geldwäscherei. Omar Abo Youssef, SJZ 2019, S. 135 ff.
Da die Geldwäschereistrafnorm seit 2016 neben Verbrechen auch qualifizierte Steuervergehen erfasst, stellen sich mit Bezug auf die Vortat des qualifizierten Steuervergehens zahlreiche Auslegungsfragen. Der Autor analysiert den Begriff des qualifizierten Steuervergehens und widmet sich den Fragen, ob Steuerersparnisse als Geldwäschereiobjekt taugen und ob sie im Vermögen lokalisierbar sind. Die Antworten darauf sind für die Anwendbarkeit der Geldwäschereistrafnorm im Zusammenhang mit der Vortat des qualifizierten Steuervergehens entscheidend.
Zivilprozessrecht
Schlichtungsverhandlung bei handelsgerichtlichen Streitigkeiten.
George Daettwyler und Christian Stalder, SJZ 2019, S. 99 ff.
Dem Entscheidverfahren vor Gericht hat ein Schlichtungsversuch bei einer Schlichtungsbehörde vorauszugehen. Dieser entfällt bei Streitigkeiten, für die eine einzige kantonale Instanz zuständig ist. Dennoch finden solche Verfahren vor den Schlichtungsbehörden auch in handelsgerichtlichen Streitigkeiten häufig statt. Die Autoren zeigen die Problemfelder auf und gehen der Frage nach, ob ein Schlichtungsverfahren auch bei handelsgerichtlichen Streitigkeiten zulässig ist.
Anwaltsrecht
Die berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten der Anwälte nach Art. 12 lit. a BGFA gehen nicht weiter als die auftragsrechtlichen.
Hans Nater und Kaspar Schiller, SJZ 2019, S. 42 ff.
Die Autoren legen dar, dass nach dem BGFA keine besonderen Berufspflichten für Anwälte bestehen. Anders als die früheren kantonalen Anwaltsgesetze begnügt sich das BGFA mit den allgemeinen vertraglichen und ausservertraglichen Sorgfaltspflichten. Diese sind in der gegenwärtigen Geschäftswelt ausreichend.
Gerichtsorganisation
Justizleitung und unabhängige Justiz im Kanton Bern. Christoph Hurni, Richterzeitung 1/2019
Die Justiz des Kantons Bern wird durch das gesetzliche Organ der Justizleitung geführt. Nebst den Präsidien des Ober- und Verwaltungsgerichts nimmt auch der Generalstaatsanwalt darin Einsitz. Dies wirft staatsrechtliche Fragen auf: Verträgt sich eine solche Organisation mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und der institutionellen Unabhängigkeit der Gerichte? Gerade weil im Kanton Bern laut Autor «eine grosse Nähe der Staatsanwaltschaft zur Justiz besteht, scheint die Justizleitung in ihrer gegenwärtigen organisatorischen Ausgestaltung die Bundesverfassung zu ritzen».