Verfassungsrecht
Grundrechte
Netzsperren im Geldspielgesetz. Christa Hofmann, Jusletter vom 14.5.2018.
Am 10. Juni 2018 wurde das Geldspielgesetz angenommen. Aus Sicht der ICT-Anbieter sind die vorgeschriebenen Netzsperren problematisch und gefährlich. Partikularinteressen der Schweizer Casinobranche, welche durch diese Gesetzesvorlage vor allem Mehreinnahmen erwarte, stünden unverhältnismässigen Grundrechtseingriffen und der Gefahr der Abschottung der Schweiz vom Internet gegenüber, so die Autorin.
Staatsrecht
Grundsätzlich gleichrangig = gleichrangig; Denkfehler erlaubt! Alain Griffel, ZBl 4/2018, S. 161 ff.
Der Zürcher Rechtsprofessor Alain Griffel verweist auf jüngste Fehlleistungen des Bundesgesetzgebers und ortet ein tiefer liegendes Problem: Das immer grösser werdende Misstrauen des Parlaments gegenüber der Verwaltung und den Gerichten. Griffels Rat: Gesetzgeber, bleib bei deinem Leisten und überlass die Rechtsanwendung den rechtsanwendenden Organen.
1918, 1968 und das Recht. Arnold Marti, ZBl 5/2018, S. 217 ff.
1918 erschütterte der Landesstreik die Schweiz, 1968 revoltierte auch hierzulande die Jugend. Der Schaffhauser Titularprofessor und Alt-Oberrichter Arnold Marti zeigt auf, wie vor allem die 68er-Bewegung das Recht nachhaltig verändert hat: Etwa in Bezug auf Frauenrechte, das Eherecht, das Betäubungsmittelgesetz oder das Raumplanungs- und Umweltrecht.
Strafrecht
Ausgekuschelt!? Der Drang zu härteren Strafen und der Grundsatz des individuellen Verschuldens.
Martin Seelmann und Hans Wiprächtiger, AJP 6/2018, S. 734–747.
Der Begriff «Kuscheljustiz» habe sich als Schmähwort gegenüber Strafbehörden und Gerichten etabliert, so die Autoren. Vor allem die Medien benutzten es gerne. Dabei herrsche die Annahme vor, die Gerichte würden – insbesondere bei Gewalt- und Sexualstraftaten – den gesetzlichen Strafrahmen nicht ausschöpfen. Die Autoren setzen sich mit dem Begriff der Strafzumessung auseinander. Sie untersuchen, wer ein repressives Strafrecht fordert, welche Erwartungen an höhere Strafen gestellt werden und welche Auswirkungen zu erwarten wären. Den Gesetzesentwurf «Harmonisierung der Strafrahmen» würdigen sie kritisch.
«Shitstorm» – strafrechtliche Dimensionen eines neuen Phänomens. Sine Selman und Monika Simmler, ZStrR, Bd. 136, 2018, S. 248 ff.
Der Anglizismus «Shitstorm» wurde 2012 zum Schweizer Wort des Jahres gekürt; er steht für das Phänomen, dass auf Internetmedien in Windeseile ein Sturm der Entrüstung aufkommen kann, via Tweets, Retweets oder Postings. Ein «Shitstorm» zeichnet sich nicht zuletzt durch Beschimpfungen und Drohungen aus. Die Autorinnen prüfen die Strafbarkeit solch öffentlich ausgetragener, kollektiver Empörung – und sie werden fündig.
Bedingte Entlassung: Ein Risiko, das Sicherheit schafft. Christoph Urwyler, UniPress Bern, 174/2018, S. 38.
Der Autor und Doktorand problematisiert die enorm gestiegenen sicherheitspolitischen Erwartungen in der Schweiz, die im Strafvollzug deutliche Spuren hinterlassen haben. Ausgänge, Urlaube, externe Arbeitsplätze oder bedingte Entlassungen werden nur noch zurückhaltend gewährt. Das wirkt sich jedoch direkt auf die Sicherheit aus.
Sozialversicherungsrecht
Der Anspruch auf Gerichtsgutachten im Sozialversicherungsrecht. Marco Weiss, HAVE 2/18, S. 137 ff.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht im Sozialversicherungsrecht ein bedingter Anspruch auf die Einholung eines Gerichtsgutachtens durch das kantonale Versicherungsgericht bzw. das Bundesverwaltungsgericht. Bisher war dieser Anspruch aber kaum justiziabel, weil er in der Praxis nur in Ausnahmefällen rechtlich durchgesetzt werden konnte. Nach einem jüngst ergangenen Urteil des Bundesgerichts sind die Hürden, Rückweisungen an die Sozialversicherungsträger anzuordnen, höher geworden. Der Autor zeigt die Rechtsentwicklung in dieser Frage auf.
Observation von Versicherten. Der Gesetzgeber auf Abwegen. Kurt Pärli, Recht 2018, S. 120 ff.
Der Basler Professor Kurt Pärli fasst den Inhalt und die Problematik dieser Gesetzesrevision zusammen, über die wir nächstens abstimmen werden. Ein sehr lesenswerter Text.
KVG und UVG
Eventualvorsatz im Unfallversicherungsrecht.
Bemerkungen aus Anlass von BGE 143 V 285. Simon Schönenberger, SZS 62/2018, S. 227–249.
Kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach jemand, der aus Wut die Faust an die Wand hämmert, eine Verletzung in Kauf nimmt, folglich eventualvorsätzlich handelt und keinen Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung hat. Problematisch ist, dass das Bundesgericht von der Stärke der Verletzung auf den Willen des Versicherten schliesst, diese Verletzung in Kauf zu nehmen.
Übriges Sozialversicherungsrecht
Die Verwaltungsweisung – ein Fehler im System? Kira Tanner, SZS 62/2018, S. 265–281.
Obwohl es im Sozialversicherungsrecht viele und ausführliche Verwaltungsweisungen mit grosser praktischer Bedeutung gibt, wird ihre rechtsdogmatische Einordnung kaum einmal beleuchtet. Die Autorin tut dies und weist insbesondere auf die Probleme im Einspracheverfahren hin, weil die Verwaltung auch an rechtswidrige Weisungen gebunden bleibt.
Le statut de l’air en droit – Perspectives de droit suisse et de droit international. Thierry Largey, URP 3/2018, S. 173 ff.
Der Autor ist im Rahmen seiner Doktorarbeit der Frage nachgegangen, wie Luft aus rechtlicher Sicht zu qualifizieren ist. Der Aufsatz ist sehr lesenswert – wenn auch anspruchsvoll – und stellt die gewonnenen Erkenntnisse dar. Es wird dabei auf die Überprüfung der Rahmenbedingungen und Rechtsgrundsätze fokussiert, die auf die Regelung der Luftnutzungsrechte anwendbar sind, «damit der gemeinsame Charakter der Luft dauerhaft beibehalten werden kann».
Verfahrensrecht
Strafprozessrecht
Digitale Assistenten und strafprozessuale Beweisführung. Sabine Gless und Dario Stagno, SJZ 2018, S. 289 ff.
Digitale Assistenten nehmen als intelligente Agenten in Wohnung, Arbeitsplatz, Fahrzeug und als smarte Prothesen im menschlichen Körper zunehmend an unserem Privatleben teil. Die Autoren legen dar, wie vielfältig Nutzen und Gefahr bei Eingriffen in Aufzeichnungen digitaler Assistenten sind, namentlich bei der Sachverhaltsermittlung, zur Überwachung, als Beweismittel oder auch zur Verteidigung. In Bezug auf die gesetzliche Regelung von Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten hat die Schweiz eine Vorreiterrolle inne, doch konkrete Ansätze für eine inhaltliche Schranke zur Wahrung der Privatsphäre in Zeiten automatisierter Beweiserhebung fehlen.
Betreibungsrecht
Zwangsvollstreckung von Liquidationsanteilen an Erbschaften im Schuldbetreibungsverfahren. Konrad Zimmermann, Successio 2/18, S. 122–152.
Der Beitrag enthält eine vertiefte Auseinandersetzung zur Pfändung und Verwertung von Erbschaftsteilen im Schuldbetreibungsverfahren. Den zentralen Dreh- und Angelpunkt bildet dabei die Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen gestützt auf Art. 15 und 132 SchKG.
Privatrecht
Erbrecht
Auf dem Weg zu einem zeitgemässen Erbrecht. Beat Zoller und Patrizia Kraft, Jusletter vom 14.5.2018.
Mit der Annahme der «Motion Gutzwiller» durch den National- und Ständerat im Jahr 2011 wurde eine längst fällige Revision des in seinen Grundzügen über hundertjährigen schweizerischen Erbrechts in Gang gebracht. Der vorliegende Beitrag stellt die wichtigsten angedachten Neuerungen vor und unterzieht diese einer kritischen Würdigung aus Praktikersicht.
Das Urheberrecht in der güter- und erbrechtlichen Auseinandersetzung.
Brigitte Bieler, Successio 2/18, S. 104–119.
Wird der eheliche Güterstand aufgelöst, treten im Zusammenhang mit Urheberrechten verschiedene Schwierigkeiten auf. Der Beitrag legt dar, welcher Gütermasse Urheberrechte im ordentlichen Güterstand zuzuordnen und wie sie in der güterrechtlichen und erbrechtlichen Auseinandersetzung zu behandeln sind. Im Beitrag werden verschiedene Konstellationen mit den entsprechenden Rechtsbegehren betrachtet.
Haftpflichtrecht
Legitimationsprüfung und Risikotransfer bei E-Mail-Zahlungsaufträgen, Nicolas Bracher, SZW 2/2018, S. 156–163.
E-Mails sind beliebt – selbst in Bereichen mit hohen Sicherheitsrisiken wie der Übermittlung von Zahlungsaufträgen an die Bank. Die Banken versuchen, die Haftung mit Risikotransferklauseln auf die Auftraggeber abzuwälzen. Die Zulässigkeit solcher Klauseln beschäftigt die Gerichte regelmässig. Die EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) setzt Standards zur Kundenauthentifizierung, die mittelfristig wohl auch in der Schweiz beachtet werden müssen.
Mietrecht
Die Solidarhaftung bei der Auflösung der Wohnungsmiete. Raphael Patrice Kummer, Jusletter vom 18.6.2018.
Personen, die in einer Wohngemeinschaft oder in einem Konkubinat leben und den Mietvertrag über die Wohnung gemeinsam unterschreiben, sind nach geltender und unbestrittener Praxis ihrem Vermieter gegenüber nur gemeinsam berechtigt und solidarisch verpflichtet. Sie können den Mietvertrag also nur gemeinsam gegenüber dem Vermieter kündigen und es besteht kein Anspruch eines Solidarmieters, einen Nachmieter anstelle seiner Person vorzubringen. Der Autor prüft in seinem Beitrag, ob die Solidarhaftung im Mietrecht rechtlich vertretbar ist, wie damit mieterseitig umgegangen werden soll sowie wie politisch und rechtlich damit umgegangen werden sollte.
Arbeitsrecht
Altersdiskriminierung – von der Anstellung bis zur Kündigung. Kurt Pärli, ARV 1/2018, S. 1–12.
Ausführliche Übersicht mit vergleichendem Blick in die Rechtsprechung in den USA bzw. in der EU zur immer häufiger geltend gemachten Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern. Neben einem verbesserten Kündigungsschutz wird de lege ferenda ein umfassender Diskriminierungsschutz nach dem Vorbild des Gleichstellungsgesetzes (GlG) angeregt.
Auftragsrecht
Interessenabhängige Risikoverteilung im Auftragsverhältnis – das Beispiel der «clawback claims» im Fall Madoff. Matthias Dürst, Recht 2018, S. 95 ff.
Art. 402 OR ist nicht so klar, wie er erscheint. In einem grundlegenden, sehr interessanten Aufsatz analysiert der Autor die Problematik der beiden Absätze und vertritt einen risikobasierten Lösungsansatz: «Das sich realisierende Risiko ist von derjenigen Partei zu tragen, in deren Interesse das Risiko bewusst eingegangen wurde, wenn es für die Ausführung des Auftrages notwendig oder wenigstens nützlich und die Verhältnisse angemessen waren.»
Aktienrecht
Jahres- und Sitzungsplanung des Verwaltungsrates. Roland Müller und Felix Horber, SJZ 2018, S. 261 ff.
Zu den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrats gemäss Art. 716a Abs. 1 OR zählt die Organisationsverantwortung. Die Autoren zeigen auf, welche Aufgaben wann im Jahreszyklus wahrzunehmen sind. Sie erläutern die Führungsinstrumente, die dem Verwaltungsrat für die planerische Aufgabe und als Leitplanken für die Entscheidungsprozesse dienen. Im Weiteren zeigen sie Besonderheiten der geschlossenen Sitzungen des Verwaltungsrats auf.
Die virtuelle Generalversammlung, Hans Caspar von der Crone und Thomas Grob, SZW 1/2018, S. 5–20.
Schwerpunkt der Ausgabe 1/2018 bildet die Digitalisierung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Heute bereits befürwortet die Lehre multilokale Generalversammlungen und hält auch die Teilnahme an einer GV via Internet für zulässig. Zukünftig soll es die rein virtuelle GV ohne physischen Tagungsort geben. Die Autoren zeigen, dass in der gegenwärtigen Aktienrechtsrevision wohl zu Recht auf starre Regeln für die Verwendung elektronischer Hilfsmittel verzichtet wurde, damit auch künftige technische Innovationen berücksichtig werden können. Zentrale Herausforderung bleibt die Sicherheit: die Identifikation der Aktionäre, die Fernhaltung unbefugter Teilnehmer, die Behebung auftretender technischer Störungen und vor allem auch die Abwehr von Hackerangriffen ist noch nicht gelöst. Ob die Blockchain-Technologie hier Hilfe bietet, bleibt abzuwarten.
Privatversicherungsrecht
Schadenminderung und Mitwirkung: Was können private Versicherungen verlangen? Kaspar Gehring, HAVE 2/18, S. 129 ff.
Der Beitrag behandelt Fragen rund um die Schadenminderungs- und Mitwirkungspflichten im Privatversicherungsrecht. Im Vordergrund stehen Überlegungen zur Schadenminderungspflicht in der Personenversicherung bei Leistungen im Zusammenhang mit gesundheitsbedingter Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit. Die aufgezeigten Grundsätze haben aber auch im Sachversicherungsrecht Gültigkeit.
Urheberrecht
Keine Privatkopieausnahme für virtuellen Aufzeichnungsdienst. Anmerkungen zum EuGH-Entscheid «VCAST Limited».
Stefan Brühwiler, Sic! 5/2018, S. 271 ff.
Der Autor analysiert einen Entscheid des EuGH, der sich mit dem Angebot eines Internetdienstleisters zu befassen hatte. Der Gerichtshof befand, die Dienstleistung (das Zurverfügungstellen von Fernsehsendungen) verletze die Richtlinie 2001/29. Brühwiler prüft die gleiche Frage unter Anwendung des hiesigen Rechts.
Unlauterer Wettbewerb
Schokoladehasen: verwechselbar? Stefan Hubacher, Sic! 4/2018, S. 191 ff.
Sitzende Schokoladehasen, in glänzende Folie verpackt und mit einem putzigen Halsbändchen verziert, haben das Handelsgericht Aargau beschäftigt. Herstellerin Lindt ging gegen einen Konkurrenten vor, machte eine Verwechslungsgefahr und eine unlautere Anlehnung geltend – und unterlag. In der Zeitschrift werden die inkriminierten Hasen ausführlich abgebildet.