Verfassungsrecht
Grundrechte
Das Recht auf Anerkennung als Rechtsperson. Regina Kiener, ZSR 2015 V, S. 429 ff.
Das Recht, als Rechtsperson anerkannt zu sein, ist heute im Völkerrecht ausdrücklich anerkannt und im Landesrecht als Teilgehalt der Menschenwürde verankert. Es weist den Staaten bestimmte Achtungs-, Schutz- und Verwirklichungspflichten zu, dem Einzelnen vermittelt es bestimmte justiziable Ansprüche. Laut Autorin fehlt es nicht an der formellen Trägerschaft von Rechten, sondern an der Möglichkeit, diese Rechte wirksam wahrzunehmen und durchzusetzen.
Verwaltungsrecht
Steuerrecht
Zuständige Behörde zur Erteilung von Rulings – Kehrtwende des Bundesgerichts. Stefan Oesterheit,
Steuerrevue 2015, S. 828 ff.
Der Autor erläutert eine neuere Bundesgerichtspraxis, die klarstellt, dass ein vom kantonalen Steueramt unterzeichnetes Ruling für die direkte Bundessteuer auch dann eine Vertrauensgrundlage ist, wenn die ESTV nicht involviert war. Für den Kanton sei ein nur von der ESTV unterzeichnetes Ruling betreffend direkte Bundessteuer nicht bindend, was aber nicht bedeute, dass es keine Rechtswirkungen habe. Den Nutzen eines Rulings der ESTV sieht der Autor in Fällen, die eine Vielzahl von Kantonen betreffen.
Strafrecht
Allgemeiner Teil
Das Recht auf Verdolmetschung in der Strafjustiz.
Nadia Capus, ZStrR 4/2015, 399 ff.
Mit ihrer These vom Gemeininteresse an der Gewährleistung der Verdolmetschung im Strafprozess liefert Nadja Capus Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern stichhaltige Argumente, um das Recht auf eine korrekte Verdolmetschung im Einzelfall effektiv einzufordern.
Sozialversicherungsrecht
KVG und UVG
Soins à l’hôpital, soins à domicile et soins en EMS: quelles différences?
Stéphanie Perrenoud, SZS 59/2015, S. 415–437 und S. 524–556.
Es gibt erhebliche Unterschiede bei den Voraussetzungen und der Finanzierung von Pflegeleistungen, je nachdem, ob sie im Spital, in einer sozialmedizinischen Institution oder ambulant zu Hause erbracht werden. Der Aufsatz gibt einen guten Überblick.
Privatrecht
Familienrecht
Das Verhältnis zwischen persönlichem Verkehr, Betreuung und Obhut bei gemeinsamer elterlicher Sorge. Gisela Kilde, Recht 2015, S. 235 ff.
Die Autorin erläutert die neue Definition des Begriffs der Obhut sowie die eng damit verbundenen Begriffe der Betreuung und des persönlichen Verkehrs und untersucht ihr Verhältnis und ihre Abgrenzung zueinander. Zudem werden die praktischen Auswirkungen der Betreuungsregelungen bei gemeinsamer elterlicher Sorge aufgezeigt.
Übersicht zur Rechtsprechung im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (Juli bis Oktober 2015).
Philippe Meier und Thomas Häberli. ZKE 6/2015, S. 450 ff.
Am 28. September 2015 entschied der EGMR in Sachen Bouyid c. Belgien, dass Ohrfeigen, verabreicht von Polizisten, eine erniedrigende Behandlung gemäss Art. 3 EMRK darstellen können. Fern dieser Realität hat der Ständerat im Dezember 2015 die Petition einer Schulklasse 3/4e aus Bern/Gäbelbach «Für ein Verbot von Ohrfeigen» abgelehnt. Damit liegt er auf der Linie der Autoren der im Übrigen empfehlenswerten Rechtsprechungsübersicht, die befürchten, dass sich das EGMR-Urteil negativ auf das Züchtigungsrecht der Eltern auswirkt.
Erbrecht
Erbbescheinigungen bei letztwilligen Verfügungen zugunsten eines Trusts – unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung eines zwischengeschalteten personal representative. Thomas M. Mayer,
successio 4/15, S. 308 ff.
Der rezensierte Beitrag thematisiert die Kernaussagen einer Stellungnahme des Bundesamts für Justiz auf eine Anfrage der Genfer Justice de paix zur Ausstellung von Erbenbescheinigungen bei Trusts. Hintergrund sind verschiedene Fragen, die sich nach dem Inkrafttreten des Haager Trustübereinkommens (HTÜ) per 1. Juli 2007 ergaben. Der Beitrag befasst sich überdies mit dem Spezialfall der kollisionsrechtlichen Behandlung im Verhältnis zwischen der Schweiz und England und mit der Frage, wann Anrecht auf Ausstellung einer Erbbescheinigung besteht, insbesondere bei amtlicher Einsetzung eines «administrators» oder testamentarischer Bezeichnung eines «executors». Untersteht der Nachlass dem englischen Recht, beurteilt sich die Frage des Rechtsübergangs bei Eintritt des Erbfalls nach dem Nachlassstatut, somit nach englischem Recht. Dies führt dazu, dass der administrator oder executor grundsätzlich als Eigentümer des Nachlasses zu betrachten ist. Ungeachtet dessen ist die Erbenbescheinigung nicht auf ihn, sondern auf die Erben auszustellen oder – besser – gänzlich auf die Ausstellung einer solchen Bescheinigung zu verzichten.
Obligationenrecht
Allgemeiner Teil
Rückabwicklung gescheiterter Verträge: Kritische Bemerkungen zu Art. 79 ff. OR 2020. Vedat Buz, SJZ 2015, S. 565 ff.
Der Autor unterzieht die im Entwurf OR 2020 vorgeschlagenen Vorschriften über die Liquidation von Rechtsverhältnissen einer kritischen Würdigung. Er begrüsst die Einführung eines einheitlichen Rückabwicklungstatbestands, stellt aber in der Analyse fest, dass die Verfasser des Entwurfs zu stark in der herrschenden Umwandlungstheorie verhaftet geblieben sind. Er zeigt mit einer rechtsvergleichenden Darstellung auf, dass eine einfache Problemlösung mit einer einheitlichen Rückabwicklungsordnung erreicht werden kann.
Das neue Widerrufsrecht im Telefonhandel.
Barbara Haidmayer, SJZ 2016, S. 1 ff.
Die Autorin stellt die neue Regelung vor und vergleicht sie mit den besonderen Schutzbestimmungen für Fernabsatzgeschäfte in der Europäischen Union. Sie legt dar, dass den Risiken auf Seite der Konsumenten nicht genügend Beachtung geschenkt worden ist. Namentlich ist das Widerrufsrecht nicht auf den Internet- und Versandhandel ausgedehnt worden.
Haftpflichtrecht
Fahrassistenzsysteme und selbstfahrende Fahrzeuge im Lichte von Haftpflicht und Versicherung. Melinda Florina Lohmann und Arnold Rusch, HAVE 2015, S. 349–355.
Die Autoren gehen den neuen Fragestellungen nach, die sich bei Assistenzsystemen und vor allem bei selbstfahrenden Fahrzeugen zeigen. Neben Fragen strafrechtlicher Verantwortung und ethischen Problemen bei der Entwicklung dieser Automobile beleuchten die Autoren auch die Auswirkungen auf das Haftpflicht- und Versicherungsrecht und plädieren für eine gesteigerte Verantwortung des Fahrzeugherstellers.
Kauf- und Mietrecht
Entschädigungspflicht bei formeller Enteignung von Mietrechten. Hans Giger,
Jusletter vom 11.1.2016
Der Autor analysiert eine prozessuale Auseinandersetzung über haftpflichtrechtliche Konsequenzen aus dem Vertrag zwischen einer öffentlichen Institution und einem Unternehmer, der auf öffentlichem Grund ein Areal zur Etablierung eines Fitnesscenters mietete. Die Vereinbarung enthält eine Klausel, wonach sich der Vermieter das Recht einer einseitigen Kündigung für den Fall eines dringenden Bedürfnisses, über das Mietobjekt im eigenen («öffentlichen») Interesse verfügen zu können, vorbehielt. In der Halbzeit der Mietdauer trat dieser Fall ein und der Vermieter verlangte die vorzeitige Vertragsbeendigung. Der Autor kommt zum Schluss, dass dem Mieter daraus kein finanzieller Verlust erwachsen darf.
Werkvertrags- und Auftragsrecht
Les effets d’une clause de cession des droits de garantie. Arnaud Nussbaumer, Baurecht 5/2015, S. 256 ff.
Der Autor schildert die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Abtretung der Gewährleistungsrechte. Er beschreibt die Schwierigkeiten, die bei der Durchsetzung der abgetretenen Rechte auftreten, sei dies der Nachweis des Haftungsgrunds oder die Bedingungen, unter denen die Rechte ausgeübt werden können. Schliesslich zeigt er Wege auf, wie Gewährleistungsansprüche wirksam abgetreten werden können.
Notariatsrecht
Rechtsprechung und ausgewählte Rechtsfragen 2015. Roland Pfäffli, Der Bernische Notar 4/2015, S. 139 ff.
Die Ausgabe Nr. 4 des Bernischen Notars enthält eine Zusammenstellung der Rechtsprechung und ausgewählte Rechtsfragen mit Relevanz für die notarielle Praxis aus dem Jahre 2015.
Datenschutzrecht
Sicherheitsesoterik statt Menschenrechte.
Martin Steiger, Digma 4/2015, S. 134–137.
Der Autor analysiert das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) und stellt einen Paradigmenwechsel fest: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) erhalte mit dem neuen Gesetz zahlreiche Kompetenzen, die bislang den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten waren oder völlig neu seien. Damit werde der NDB zu einer mächtigen Sicherheitsbehörde aufgebaut. Die neuen Kompetenzen führten zu schwerwiegenden Eingriffen in Grund- und Menschenrechte. Der Autor befürchtet, dass die Schweiz mit dem neuen NDG einen Geheimdienst nach US-Vorbild schafft. Damit hätte es die Schweiz verpasst, die Bevölkerung auf rechtsstaatlichen Grundlagen gegen Terrorismus und andere Bedrohungen zu schützen, ohne die Menschenrechte im In- und Ausland auszuhöhlen.
Übriges Vertragsrecht
Einhaltung von polizei-gesetzlichen Sorgfaltspflichten als Erfüllung der Arbeitspflicht. Thomas M. Müller,
Jusletter vom 21.12.2015.
Da bei Finanztransaktionen unzählige Rechtsverhältnisse bestehen, stellt der Autor die möglichen Rechtsverhältnisse in einer Grafik am Beispiel einer Bank dar. Auf den ersten Blick bestehen zwischen diesen einzelnen Pflichten keine Zusammenhänge. Jedoch berühren die Sorgfaltspflichten der Finanzmarktregulierung das einzelne Arbeitsvertragsverhältnis dennoch mittelbar und unmittelbar und stellen letztendlich einen Bestandteil der einzelvertraglichen Treuepflicht dar.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Der «Geheimbericht Gautschi» zum Aktienrecht. Eine Bestandesaufnahme nach 50 Jahren unter Verschluss.
Daniel Daeniker, SJZ 2015, S. 593 ff.
Dem Autor wurde ermöglicht, den Bericht Gautschi, ein vom Bundesrat 1966 in Auftrag gegebenes Gutachten für Vorschläge zu einer zeitgemässen Revision des schweizerischen Aktienrechts, einzusehen und daraus zu zitieren. Unter Einbezug des sozialen und wirtschaftlichen Umfeldes ordnet der Autor die Frage ein, weshalb der Bericht bis heute unter Verschluss gehalten wird. Ferner zeigt er auf, welche Revisionsvorschläge umgesetzt sind und welche noch auf eine Umsetzung warten.
Immaterialgüterrecht
Utilisation licite de la marque d’autrui: un point de situation. Thomas Widmer, Sic! 11/2015, S. 611 ff.
Der Autor kommt zum Schluss, dass die Verwendung einer fremden Marke zum Verkauf von originalen Waren oder Dienstleistungen nicht zu einer Beeinträchtigung der Unterscheidungsfunktion dieser Marke führt und daher auch nicht als rechtswidrig gemäss MSchG gilt. Widmer führt aus, das Erfordernis einer ausreichenden Verbindung zwischen der verwendeten Marke und den zum Verkauf angebotenen Markenprodukten oder -dienstleistungen folge aus dem UWG. Unter der Perspektive des UWG dürfe eine Nutzung der fremden Marke nicht den Eindruck erwecken, es bestehe eine vertragliche Beziehung mit dem Markeninhaber.
Gewerbsmässige Markenverletzung bei Privatverkäufen über Auktionsplattformen. Monja Sieber, Sic! 12/2015, S. 673 ff.
Für die Definition der Gewerbsmässigkeit wird in der Schweiz der Adressatenkreis als massgeblich erachtet. Da sich über Auktionsplattformen veröffentlichte Angebote immer an ein unbegrenztes Publikum richten, ist die Gewerbsmässigkeit stets zu bejahen.
Im Gegensatz dazu bildet die Öffentlichkeit im deutschen Markenrecht blosses Indiz der Gewerbsmässigkeit. Vielmehr wird auf das eigentliche kommerzielle Handeln abgestellt. Das hat Vor- und Nachteile. Die schweizerische Rechtsprechung führt – im Gegensatz zur deutschen – zu keiner Rechtsunsicherheit, entzieht sich aber der angemessenen Einzelfallbetrachtung. Die Autorin kommt daher zum Schluss, dass eine Angleichung an das deutsche Recht begrüssenswert wäre, da dort dem Prinzip des Markenrechts, das als gewerbliches Schutzrecht private Handlungen gerade erlauben will, genügend Rechnung getragen werde.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Privatklägerische Rechte im Strafpunkt – ein Überblick. Felix Bommer, Recht 2015, S. 183 ff.
Der Autor zeigt die Rechte der Privatklägerschaft im Strafpunkt auf und geht der Frage nach, inwieweit sie mit den Rechten der beschuldigten Person gleichzustellen sind. Er kommt zum Schluss, dass, wenn der Verschiedenheit der Positionen dieser beiden Parteien Rechnung getragen wird, die Rechte der Privatklägerschaft vernünftig und mit Augenmass umgesetzt werden können.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Arrest in Theorie und Praxis. Hans Reiser, BlSchK 5/2015, S. 169 ff.
Der Arrest bezweckt eine amtliche Beschlagnahme von Vermögenswerten des Schuldners. Der Autor erläutert den SchKG-Arrest und geht auf verschiedene arrestrechtliche Bestimmungen in anderen Bundesgesetzen ein.