Verwaltungsrecht
Ausländer- und Asylrecht
Zwischen Kindheit und Selbstbestimmung.
Daniela Rohleder, Asyl 1/2024, S. 14 ff.
Der Artikel untersucht das Potenzial von Pflegefamilien, geflüchteten Jugendlichen eine angemessene Versorgung bieten zu können. Die private Unterbringung garantiere den Zugang zu wertvollen Ressourcen.Wichtig sei aber auch die Unterstützung durch geschulte Fachkräfte, um Migrationstraumata oder intersektionale Diskriminierungsfragen berücksichtigen zu können.
Umweltrecht
Umweltrechtliche Verantwortung international tätiger Unternehmen. Sammelband mit Referaten der Tagung vom 28. Juni 2023 der Vereinigung für Umweltrecht.
URP 7/2023, S. 693 ff.
Im Tagungsband finden sich verschiedene interessante Beiträge zur Unternehmensverantwortung im internationalen Kontext – unter Berücksichtigung der Herausforderungen der Klimaveränderung und der dagegen zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentarien.
Les zones 30: Distinctions et nouveautés dès le 1er janvier 2023.
Sophie Ribaut, URP 8/2023, S. 791 ff.
Ein detaillierter Aufsatz über die seit Anfang 2023 geltenden Änderungen zu den Tempo-30-Zonen auf nicht verkehrsorientierten Strassen. Die Autorin setzt sich insbesondere mit den Vorteilen der neuen Regelung aus Sicht der Umwelt auseinander, erläutert die geltenden Rechtsgrundlagen sowie die Zuständigkeiten für die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Auch die unterschiedlichen Vorschriften von Tempo-30-Zonen und Tempo-30-Strecken werden ausführlich abgehandelt. Abschliessend erfolgt eine kritische Würdigung der neuen gesetzlichen Regelung, die mehr Fragen aufwirft, als auf den ersten Blick erkennbar sind.
Anwaltsrecht
Was tun und was unterlassen, um das Risiko von und in Disziplinarverfahren zu reduzieren? Beobachtungen aufgrund ausgewählter Entscheide.
David Jenny, SJZ 9/2024, S. 450 ff.
Der Autor ist in der Anwaltsaufsichtskommission und in der Advokatenkammer Basel-Stadt tätig. Aufgrund seiner Erfahrung spricht er Fallkonstellationen an, in denen Anwälte riskieren, in ein Disziplinarverfahren involviert zu werden. Er gibt viele kurze, wertvolle Tipps – unter anderem zu Interessenkollisionen, Rechnungstellung, Vertretung in Verfahren, Werbung oder dem Internetauftritt einer Kanzlei.
Übriges Verwaltungsrecht
Speicherung von Zuschauerdaten gestützt auf Art. 3a Abs. 2 des Hooligan-Konkordats?
Patrice Martin Zumsteg, Goran Seferovic, AJP 4/2024, S. 333
Politiker fordern die Einführung von personalisierten Tickets für Fussballspiele. Dies würde jedoch die Speicherung von Zuschauerdaten notwendig machen. Dafür bietet das Hooligan-Konkordat keine gesetzliche Grundlage.
Sozialversicherungsrecht
AHV, IV, EL und ALV
Bedeutung und Validität des psychopathologischen Befundes im Rahmen der versicherungsmedizinischen Begutachtung.
Gerhard Ebner, Iris Herzog-Zwitter, Rolf-Dieter Stieglitz, SZS 2/2024, S. 42 ff.
Die psychiatrische Einschätzung der Arbeitsfähigkeit stellt hohe Anforderungen an die Gutachter. Viele Symptome können nicht von aussen beobachtet werden – etwa Grübeln oder Hoffnungslosigkeit. Damit der Befund nachvollziehbar wird, muss erkennbar sein, auf welches Symptom sich die einzelne Beurteilung bezieht. Der Beitrag erläutert ein Instrument, das die richtige Erfassung unterstützt und sich im klinischen Alltag zum Standard entwickelt hat – das AMDP-System.
Strafrecht
Übriges Strafrecht
Kinder und Jugendliche im Umfeld von Gewalt – Aufgaben und Möglichkeit der Jugendstrafrechtspflege.
Alexandra Ott Müller, Sven Zimmerlin, Risiko & Recht 1/2024, S. 7 ff.
Der Beitrag analysiert die Aufgaben und Möglichkeiten der Jugendstrafrechtspflege. Ausgehend von statistischen Ausführungen zur Jugendkriminalität im Allgemeinen und zur Jugendgewalt im Besonderen skizzieren die Autoren in ihrem Beitrag die Kernelemente des Jugendstrafrechts und -strafverfahrens, um diese danach auf die Gewaltdelinquenz und das Bedrohungsmanagement bei jugendlichen Tätern, Opfern und Gefährdern anzuwenden.
Stupsen statt strafen?
Nudging zur Prävention von Beförderungserschleichung.
Jon Gashi, Sui generis 2024, S. 22 ff.
Laut der ökonomischen Kriminalitätstheorie begeht eine Person nur dann ein Verbrechen, wenn der erwartete Nutzen die erwarteten Kosten überwiegt. Daraus ergeben sich Hebel zur Prävention von Kriminalität: die Erhöhung
der Wahrscheinlichkeit sowie die Schwere einer Bestrafung. Diese Sichtweise hatte Einfluss auf die Politik zur Abschreckung von deviantem Verhalten. Gut ersichtlich sei dies bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ohne gültige Fahrkarte, schreibt der Autor: Kontrollen, progressive Zuschläge und Bussen, die zu Ersatzfreiheitsstrafen führen können.
Diese repressiven Mittel seien allerdings aufwendig und könnten die öffentlichen Kassen belasten. Überdies hinterfragt der Autor die Effektivität solcher auf Rationalitätsannahmen gestützte Massnahmen gegen das Schwarzfahren. Vor diesem Hintergrund präsentiert er den nicht repressiven Nudging-Ansatz als mildes, kostengünstiges und effektives Instrument zur Prävention.
Privatrecht
Familienrecht
Kesb-Massnahmen zur Geltendmachung von Sozialversicherungsleistungen. Zulässige Sicherungsmittel zur Finanzierung von Pflegeplätzen bei Fremdplatzierung?
Martin D. Küng, ZKE 2/2024, S. 104 ff.
Der Autor setzt sich in seiner Abhandlung kritisch mit der Sicherung von Sozialversicherungsleistungen mit Mitteln des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts auseinander. Seiner Ansicht nach sind ausser für die Geltendmachung der Waisenrente weder Kindes- noch Erwachsenenbeistandschaften dazu geeignet, diese Aufgabe zu übernehmen.
Erbrecht
Die Erbvertragswidrigkeit von Verfügungen von Todes wegen und von Zuwendungen unter Lebenden.
Ayesha Curmally, Dennis Zingg, Successio 1/2024, S. 12 ff.
Die Autoren diskutieren die Auswirkungen der Erbrechtsrevision per 1. Januar 2023 auf Erbverträge und Schenkungen zu Lebzeiten. Neu sind Schenkungen nach Eingehung eines Erbvertrags grundsätzlich anfechtbar. Dies gilt auch für altrechtliche Verträge.
Obligationenrecht
Zur Unklarheitenregel in der Auslegung von Versicherungsverträgen.
Pascal Hachem, Léonard Lavanchy-Prack, SJZ 6/2024, S. 263 ff.
Die Autoren analysieren die bei der Auslegung von Vertragsbestimmungen herangezogene Unklarheitsregel mit speziellem Fokus auf Versicherungsverträge. Im Mittelpunkt stehen die Unklarheitsregel im Zusammenhang mit Deckungsausschlüssen nach Artikel 33 VVG und die bundesgerichtliche Rechtsprechung dazu.
La responsabilité d’un avocat et les tribulations pluridécennales de la victime d’un accident de la circulation routière.
Franz Werro, Nathan Pagot, SJZ 9/2024, S. 415 ff.
Die Autoren setzen sich anhand eines Bundesgerichtsentscheids mit der Frage der Haftung eines Anwalts auseinander. Dabei erkannte das Bundesgericht zwar, dass der Anwalt einen Fehler gemacht hatte, schloss aber Schadenersatzforderungen aus, weil der Kausalzusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall und dem Schaden nicht ausreichend bewiesen war, weshalb ein korrekt geführter Schadenersatzprozess aussichtslos gewesen wäre. Die Autoren kritisieren dieses Verständnis der Haftung und schlagen eine Erleichterung der Beweislast in solchen Fällen vor.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Rechtmässigkeit von Open-Source-Ermittlungen durch Strafverfolgungsbehörden.
Monika Simmler, Giulia Canova, Risiko & Recht 1/2024, S. 73 ff.
Die Nutzung öffentlich zugänglicher Informationen, sogenannter Open-Source-Informationen, durch Strafverfolgungsbehörden mag auf den ersten Blick unproblematisch erscheinen, ist laut den Autorinnen aber strafprozessrechtlich nicht unbedenklich. Die Bearbeitung von Personendaten im Rahmen von Open Source Intelligence greife in den Schutz der Privatsphäre (Artikel 13 Absatz 2 BV) ein.
Das Vorliegen einer Einwilligung durch die Veröffentlichung der Daten schliesst die Qualifikation als Grundrechtseingriff nicht aus und lässt das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage nicht entfallen, reduziert die Invasivität der Massnahme aber deutlich. Einmal mehr zeige sich, dass die StPO nicht auf neue digitale Ermittlungsmassnahmen vorbereitet sei. Auch wenn mit digitalen Ermittlungsmethoden kein physischer Zwang einhergeht, handelt es sich bei Datenbearbeitungen zum Zweck der Strafverfolgung um Zwangsmassnahmen, die hinreichender gesetzlicher Grundlagen bedürften.
Der Beweiswert von Privatgutachten zur Schuldfähigkeit und Massnahmenindikation.
Thierry Urwyler, Justice – Justiz – Giustizia 1/2024
Privatgutachten haben in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht denselben Stellenwert wie amtliche Gutachten. Der Autor zeigt in seinem Beitrag auf, dass diese Rechtsprechung auf einer verbotenen Beweisregel beruht. Der Beweiswert von Privatgutachten ist wie bei amtlichen Gutachten im Einzelfall anhand inhaltlicher Qualitätskriterien zu beurteilen.
Der Autor schreibt: «Werden Privatgutachten durch eine hinreichend qualifizierte Fachperson nach den Regeln der Kunst verfasst, gibt es keinen Grund, sie gegenüber amtlichen Gutachten ex ante als minderwertig einzustufen. Vielmehr muss im Rahmen einer differenzierten Einzelfallprüfung betrachtet werden, wie der Beweiswert aller vorliegenden Gutachten ausfällt.»
Bitte wenden! Die Diskussion über die Verwertbarkeit staatlicher (Video-)Aufzeichnungen ist falsch abgebogen.
Alex Dutler, Patrick Vogler, Alain Saner, Forumpoenale 2/2024, S. 130 ff.
Der Beitrag befasst sich mit der kontrovers diskutierten Frage, ob Videoaufnahmen, die ausserhalb eines Strafprozesses durch staatliche Stellen aufgezeichnet werden, in einem Strafprozess verwertet werden dürfen. Das betrifft zum Beispiel Aufzeichnungen von Verkehrsüberwachungskameras. Die Autoren differenzieren zwischen der unaufgeforderten Weitergabe solcher Daten durch Verwaltungsträger an Strafbehörden und von den Strafbehörden beigezogene Aufzeichnungen.
Die Verwertung von Ersteren sei nur gestützt auf eine spezialgesetzliche Grundlage zulässig. Ansonsten unterstünden die Videoaufzeichnungen einem Verwertungsverbot – ausser wenn die Verwertung zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich sei. Von den Strafbehörden in Anwendung der Artikel 44 und 194 StPO rechtmässig beigezogene Aufzeichnungen seien dagegen grundsätzlich verwertbar. Eine gesonderte spezialgesetzliche Bestimmung sei nicht erforderlich.
Zivilprozessrecht
Schlichtungsversuch und ungültige Klagebewilligung. Zur Bedeutung des Schlichtungsversuchs und den Folgen einer ungültigen Klagebewilligung.
Claudia Marti, Jusletter vom 13.5.2024
Mit der Anfang 2025 in Kraft tretenden Revision der Zivilprozessordnung wird der Schlichtungsversuch punktuell ausgebaut, indem er künftig bei zusätzlichen Streitigkeiten anwendbar sein wird. Ausserdem werden gewisse, aus der Bedeutung des Schlichtungsversuchs abgeleitete Aspekte aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ins Gesetz überführt.
Vor diesem Hintergrund stellt die Autorin in ihrem Beitrag zunächst die Bedeutung des Schlichtungsversuchs dar und geht auf einige daraus abgeleitete Anforderungen an dessen Durchführung ein. Deren Nichteinhaltung kann Auswirkungen auf die Gültigkeit der Klagebewilligung haben, weshalb im Anschluss die Ungültigkeit der Klagebewilligung und deren Folgen für die klagende Partei besprochen werden.
Durchsetzung von Geldforderungen: Alltag – aber Vorsicht!
Andreas Lienhard, Sven Aschwanden, ZZZ 65/2024, S. 12 ff.
Die Autoren des Beitrags erläutern die Probleme bei der unbezifferten Forderungsklage und bei der Durchsetzung von Forderungen in ausländischer Währung.
Private Befragungsprotokolle im Arbeitsprozess.
Romina Carcagni, Hans Schinz, ZZZ 65/2024, S. 56 ff.
Bei Verdacht auf ein Fehlverhalten in einer Firma nimmt die Arbeitgeberin oft eigene Abklärungen vor – zum Beispiel, indem sie Zeuginnen und Zeugen befragt. Die Autoren erläutern rechtliche und praktische Fragen rund um die Protokollierung solcher Zeugenbefragungen.
Parteianonymität im Schweizer Zivilprozess. Chancen und Risiken anonymer Prozessführung.
Christoph Heinimann, AJP 4/2024, S. 304 ff.
Die Zivilprozessordnung spricht nirgends von anonymen Parteien. Doch solche Konstellationen kommen in der Praxis vor – zum Beispiel, wenn ein Angestellter vom Arbeitgeber Auskunft über Personen verlangt, die ihm gegenüber Vorwürfe gemacht hatten, diese sich aber im Prozess als Betroffene beteiligen und sich gegen eine Identifizierung wehren. Der Autor bespricht die Möglichkeiten und Grenzen der anonymen Prozessführung. Zentral ist insbesondere die Wahrung der Verfahrensrechte aller Parteien.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Restschuldbefreiungsverfahren: Nur für Personen, welche danach schuldenfrei leben können?
Isaak Meier, ZZZ 65/2024, S. 3 ff.
Das vom Bundesrat im Jahr 2022 vorgeschlagene Restschuldbefreiungsverfahren für natürliche Personen soll nur Personen offenstehen, die bei Verfahrenseinleitung über genügend finanzielle Mittel verfügen, um sich nicht neu zu verschulden. Der Autor kritisiert diese Voraussetzung, weil dadurch eine grosse Zahl von Schuldnern, wie zum Beispiel die «Working Poor», von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen würden. Der Gleichheitsgrundsatz und die Menschenwürde dieser Personen werde so verletzt.
Das Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses.
Stefania De Paola, Editions Weblaw, 2024
Am 1. Januar 2025 werden verschiedene Bestimmungen in Kraft treten, die missbräuchliche Konkurse verhindern oder zumindest sanktionieren sollen. Die Autorin führt zuerst die bestehenden Instrumente gegen missbräuchliche Konkurse auf. Anschliessend erläutert sie die neuen Bestimmungen und erklärt, ob sie missbräuchliche Konkurse tatsächlich verhindern werden.