Verwaltungsrecht
Ausländer- und Asylrecht
Das Asylverfahren aus Sicht eines Psychiaters. Versuch einer Auslegeordnung.
Matthis Schick, Asyl 2/2024, S. 3 ff.
Der Autor äussert sich zu einem polarisierenden Thema: Dem Verhältnis von Asylverfahren und psychiatrischen Erkenntnissen. Er zeigt auf, aus welchen Gründen psychiatrisch-medizinische Beurteilungen nicht immer genügend in die Beurteilung eines Asylgesuches einfliessen können: Fachpersonen entdecken psychische Krankheiten nicht, transkulturelle und sprachliche Differenzen erschweren den Austausch. Zudem fehlen verlässliche Zahlen zu psychischen Erkrankungen von Geflüchteten. Insbesondere zur Glaubhaftigkeitsprüfung liefert der Autor spannende Erkenntnisse aus seiner Arbeit als Psychiater: So seien gewisse Geflüchtete nicht in der Lage, eigene psychische Vorgänge zu erkennen und zu benennen – mangels Bildung.
Steuerrecht
Steuerrechtliche Fallstricke bei der Nachlassplanung und Erbteilung, Fälle aus der Praxis.
Severine Vogel, AJP 1/2025, S. 3 ff.
Die Autorin schildert anhand von lebensnahen Fällen, wie sich Erben zuweilen mit unerwarteten Steuerforderungen konfrontiert sehen. Zum Beispiel geht oft vergessen, dass Liegenschaften in anderen Kantonen der dortigen Erbschaftssteuer unterliegen. So könnte ein im Konkubinat lebender Schwyzer, der seinen Nachkommen Liegenschaften in Zürich vermachen will, die Steuer vermeiden, indem er die Zürcher Liegenschaften zu Lebzeiten seinen Nachkommen schenkt.
Beim Erbfall entfällt dann die interkantonale Steuerausscheidung und der Konkubinatspartner müsste keine Erbschaftssteuern in Zürich zahlen. Als weiteres Beispiel bespricht sie die Erbteilungsverträge, die erheblich von der gesetzlichen Regelung abweichen und so Steuern auslösen können. In diesen und vielen weiteren Fällen können Beteiligte mit etwas Planung viel Geld sparen.
Justizverwaltung
Der Einsatz von «künstlicher Intelligenz» (KI) an den Gerichten – nicht nur Bedrohung, sondern auch Chance.
Patrik Müller, Justice – Justiz – Giustizia 4/2024
Computerprogramme haben das Potenzial, bestimmte richterliche Aufgaben zu übernehmen. Angesichts der hohen Arbeitslast und der begrenzten Ressourcen werden die Gerichte auf eine entsprechende Unterstützung angewiesen sein, prognostiziert der Autor. Deshalb sei es für die Gerichte wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Er empfiehlt den Gerichten auch, sich aktiv an der Entwicklung von selbstlernenden Programmen zu beteiligen, statt ihr einfach ausgeliefert zu sein.
Übriges Verwaltungsrecht
Der sachliche Kündigungsgrund im öffentlichen Personalrecht.
Ewa Surdyka, Jusletter vom 13.1.2025
Ungenügende Arbeitsleistung, strafbare Handlungen, sexuelle Belästigung, fehlende Eignung und Pflichtverletzung: Die Autorin diskutiert die Anforderungen an die sachlich begründete Kündigung und die Folgen, wenn sie nicht erfüllt sind. Zudem zeigt sie die Unterschiede zur missbräuchlichen Kündigung gemäss Obligationenrechts auf.
Strafrecht
Allgemeiner Teil
Die Verwahrung im Jugendstrafrecht.
Sophie Wespi, Jusletter vom 16.12.2024
Im Juni 2023 beschloss das Parlament die Möglichkeit der Verwahrung für jugendliche Straftäter. Die Autorin zeichnet auf, wie es dazu gekommen ist, und sie kritisiert, dass mit der Verwahrung den Betroffenen jegliche Zukunftsaussicht genommen werde. Zudem stehe die Verwahrung als zeitlich unbeschränkte, rein auf Sicherheit ausgelegte Massnahme im Widerspruch zu dem auf Reintegration ausgerichteten Jugendstrafrecht.
Die Strafe als vergeltendes Übel.
Wolfgang Wohlers, ZStrR 4/2024, S. 393 ff.
Der langjährige Strafrechtsprofessor aus Basel äussert sich in diesem Beitrag zum Wesen und zur Funktion der Strafe. Er nimmt Bezug auf die Ausgestaltung des schweizerischen Strafgesetzbuchs, wie deren Vater Carl Stoos sie sich vorgestellt hat. Stoos prägte dessen Entwurf massgeblich, er war auch Teil der ersten Expertenkommission. Das Strafgesetzbuch unterschied zwischen Massnahmenrecht und Sanktionenrecht. Diese Neuerung sei massgeblich Stoos zu verdanken.
Das Wesen der Strafe habe Stoos in der Vergeltung gesehen – ganz nach der Prämisse: «Keine Strafe ohne Schuld. Strafe nur nach Mass der Schuld.» Der Zweck der Strafe liege hingegen in der Verminderung der Kriminalität respektive im Schutz von Rechtsgütern mittels Prävention. Diese Prävention ist gemäss Stoss weder durch Abschreckung noch durch Resozialisierung zu erreichen. Bloss die Resozialisierung von Kindern und Jugendlichen bejahte er. Wichtig sei, dass auf deliktisches Verhalten stetig und beharrlich mittels Strafe reagiert und dadurch das Rechtsbewusstsein bestätigt werde. Laut dem Autor zählt der Ansatz von Stoos zur positiven Generalprävention.
Besonderer Teil
Der Embryo als Opfer? Besprechung von BGer 7B_1024/2023, 26.6.2024 (zur Publikation vorgesehen).
Christof Riedo, Julia Lehmann, AJP 1/2025, S. 68 ff.
Das Bundesgericht trat mit dem Urteil vom 26. Juni 2024 auf eine Beschwerde eines Mannes nicht ein, der sich gegen die Einstellung des Strafverfahrens gegen seine Ex-Freundin wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs wehrte. Die Autorenschaft anerkennt, dass das Urteil zwar formell korrekt begründet sei. Der Fall zeige anhand der verweigerten Rechtsmittelbefugnis des angehenden Vaters jedoch auf, dass der Tatbestand des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs gemäss Artikel 118 StGB offensichtlich nicht das menschliche Leben während der Schwangerschaft schütze.
Auch die Gesundheit von Schwangeren sei gemäss Lehre nur mittelbar geschützt. In Frage kämen höchstens Rechtsgüter der Allgemeinheit. In diesem Sinne hätte etwa das Strafgesetzbuch Nazideutschlands aus dem Jahre 1943 eine Abtreibung mit Todesstrafe bedroht, wenn diese «die Lebenskraft des deutschen Volkes» beeinträchtigt hätte. Fazit des Beitrags: Es sei gänzlich unklar, was Artikel 118 StGB schützen wolle. Die Autoren befürworten daher seine Abschaffung.
Übriges Strafrecht
Die juristische Methodik zur Auslegung des Artikels 19 Absatz 2 litera a BetmG. Zugleich eine kritische Besprechung von BGE 150 IV 213.
Peter Albrecht, Forum poenale 6/2024, S. 445 ff.
Der Professor für Strafrecht kritisiert die Auslegung des Artikels 19 Absatz 2 litera a BetmG seitens des Bundesgerichts. Der vom Gericht im Rahmen der Auslegung angewandte Methodenpluralismus fördere eine Rechtsprechung, die bereits im Voraus ein gewisses Ergebnis anstrebe, so der Autor. Das Gericht forciere dabei pauschal den Zweckgedanken der Bestimmung, um vom Gesetzestext abzuweichen und eine repressive Drogenpolitik durchsetzen zu können.
Dies, ohne eine vertiefte Auseinandersetzung mit der ratio des Artikels vorzunehmen. Dies sei im Sinne des Grundsatzes «nulla poene sine lege» problematisch. Das Gericht betreibe etwa eine Scheingenauigkeit, wenn es ab 20 Personen von einer «Gefährdung vieler Menschen» im Sinne der Bestimmung ausgeht. Insbesondere wenn dies mit der blossen Begründung geschieht, dass im Kampf gegen den Rauschgifthandel Strenge angezeigt sei und die Grenze somit nicht zu tief angesetzt werden dürfe.
Privatrecht
Familienrecht
Betreuungsunterhaltsberechnungen in Patchworkfamilien nach der Dreisatzmethode.
Jasmin Ulli, Oliver Schmid, AJP 12/2024, S. 1274 ff.
In der Praxis wird der Betreuungsunterhalt in Patchwork-Konstellationen uneinheitlich festgelegt. Die Autoren schlagen eine Dreisatzmethode vor. Sie soll sicherstellen dass alle unterhaltspflichtigen Personen gleichbehandelt würden.
Obligationenrecht
Der Nacherfüllungsanspruch bei nicht gehöriger Erfüllung (Teil 1), Ein Beitrag zur Teilerfüllungslehre im allgemeinen Obligationenrecht.
Jürg Niklaus, SJZ 1/2025, S. 7 ff.
Der Autor analysiert die verschiedenen Arten bei nicht korrekt erfüllten Verträgen. Die herrschende Lehre unterteilt in drei Arten von Leistungsstörungen: Unmöglichkeit, Schuldnerverzug und Schlechterfüllung. Letztere, die Schlechterfüllung, fällt gemäss bisheriger Ansicht nicht unter den Schuldnerverzug gemäss Artikel 102 ff. OR, sondern wird aufgrund der gesetzgeberischen Lücke als Nichterfüllung gemäss Artikel 97 OR behandelt. Der Autor kritisiert dies, insbesondere da damit Gläubiger unterschiedlich behandelt werden. Ein Gläubiger, der nichts erhalte, könne auf alle Verzugsrechte gemäss Artikel 103 ff. OR zurückgreifen, ein Gläubiger bei einer Schlechterfüllung hingegen nicht. Diese Ungleichbehandlung lasse sich nicht rechtfertigen.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Unterlassene Neuregelung der Revisionshaftung. Verpasste Chance?
Beatrice Waser, Next Generation Nr. 8, EIZ Publishing
In ihrer Masterarbeit kritisiert die Autorin, dass Revisionsstellen in Verantwortlichkeitsprozessen besonders häufig belangt würden. Sie schlägt vor, eine Haftungshöchstsumme im Verhältnis zum Revisionshonorar zu bestimmen. So liesse sich das Haftungsrisiko für die Revisionsstelle minimieren.
Wurde der Mantelhandel legalisiert?
Fabio Enrico Renzo Scotoni, AJP 12/2024, S. 1348 ff.
Seit Anfang Jahr ist die Übertragung von Aktien einer Gesellschaft nichtig, wenn diese keine Geschäftstätigkeit und keine verwertbaren Aktiven mehr hat sowie überschuldet ist. Der Autor kommt gestützt auf die historische Auslegung zum Schluss, dass ein nichtiger Mantelhandel auch ohne Überschuldung vorliegt, wenn die Eigenkapitalvorschriften verletzt werden. Vorratsgesellschaften seien weiterhin zulässig.
Wirtschaftsverwaltungsrecht
Gesetzesentwurf für das Transparenzregister.
Thomas Nagel, Jusletter vom 2.12.2024
Der Bundesrat will ein Transparenzregister für juristische Personen schaffen, um die Geldwäscherei in der Schweiz verstärkt zu bekämpfen. Der Autor stellt die positiven und negativen Aspekte sowie Risiken des geplanten Registers dar. Er kritisiert den zu erwartenden Aufwand im Verhältnis zum Ertrag. Als alternative Lösung schlägt er eine Ergänzung der bestehenden Meldepflicht im Obligationenrecht vor.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Soziale Beziehungen im Justizvollzug: Zwischen Regulation, Förderung und Funktionalisierung.
Patrick Zobrist, NKrim 2/2024, S. 18 ff.
Die Beziehungen zwischen Gefangenen, aber auch zwischen ihnen und der Aussenwelt, erfahren immer mehr Aufmerksamkeit. So hat man den Zugang der Gefangenen zu ihren Familien gestärkt, etwa durch die Schaffung sogenannter Beziehungszimmer. Zudem werden auch die Konsequenzen der Gefangenschaft für die Angehörigen zunehmend erkannt, beispielsweise Einkommens- und Beziehungsverlust oder Stigmatisierung.
Gemäss Autor besteht aber die Gefahr einer Instrumentalisierung dieser Beziehungen: So werde die Verantwortung für die Resozialisierung teilweise den Angehörigen zugeschrieben, um den Staat zu entlasten. Ob man dies von ihnen verlangen kann oder ob sie diese Verantwortung wollen, bleibe zu diskutieren.
Zivilprozessrecht
ZPO-Revision. Die wichtigsten Neuerungen in familienrechtlichen Verfahren.
Mattias Dolder, Boris Züst und Evelyne Gmünder, Jusletter vom 9.12.2024
Anfang Jahr traten die revidierten Bestimmungen der Zivilprozessordnung in Kraft. Die Autoren fassen die für familienrechtliche Verfahren wesentlichen Neuerungen zusammen, insbesondere zum vereinfachten Verfahren und zum Entfallen des Schlichtungsverfahrens. Darüber hinaus behandeln sie die verlängerten Fristen im Berufungsverfahren. Die Autoren erläutern, welche Bestimmungen sofort auf hängige Verfahren anwendbar sind.
Europarecht
Wirtschafts- und Sozialrecht
Die Unionsbürgerrichtlinie: Rechtliche Tragweite und Bedeutung für die Schweiz.
Astrid Epiney, Zeitschrift für Europarecht (EuZ) 10/2024
Seit März 2024 führen die Schweiz und die Europäische Union (EU) Verhandlungen zur «Stabilisierung und Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen», wobei ein zentrales Thema die Personenfreizügigkeit ist. Im Fokus steht die mögliche Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie durch die Schweiz, was eine Änderung des bestehenden Personenfreizügigkeitsabkommens bedingt. Die Autorin analysiert die Bedeutung der Unionsbürgerrichtlinie im Vergleich zur bisherigen Rechtslage in der EU und dem Freizügigkeitsabkommen. Sie behandelt zudem die geplanten Regelungen zur dynamischen Rechtsübernahme mit den «Bilateralen III» sowie den Streitbeilegungsmechanismus.
Übriges Europarecht
Helvetische Zerrbilder der Europäischen Union.
Thomas Cottier, Suisse-en-europe.ch 26.11.2024
Die geopolitischen Umwälzungen hin zu einer multipolaren Welt haben die Haltung der Schweiz zur Europäischen Union kaum verändert, schreibt der Autor. Die Beziehungen zur Union würden diskutiert, als hätte sich nichts gewandelt. Europa bleibe für die Schweiz «ein Problem, kein Projekt»: «Sie zieht nach, statt mitzubauen, und beschränkt sich auf wirtschaftliche Integration bei institutioneller Distanz.» Die gängigen Zerrbilder der EU – von Entscheidungsunfähigkeit, undemokratischer Struktur und bürokratischer Überfrachtung – widerlegt der Autor als weit entfernt von der Realität.
Studium
Mobilität während der Promotionszeit, Beweggründe, Gastinstitute, Aufenthaltsdauer und Finanzierungsmöglichkeiten.
Christapor Yacoubian, Raphael Dummermuth, Jusletter vom 16.12.2024
Die beiden Autoren besprechen aufgrund ihrer eigenen Mobilitätserfahrungen während der Dissertationszeit wichtiger Fragen für die Planung eines solchen Forschungsaufenthalts. Sie besprechen die Gründe, die dafür oder dagegen sprechen und welche Regionen und Städte sich besonders dafür eignen. Auch die ideale Dauer des Forschungsaufenthalts wird besprochen sowie Finanzierungsfragen inklusive möglicher Stipendien und Vorgehensweisen.