Viele Wissenschaftsbereiche setzen heute voll auf elektronische Medien zur Wissensvermittlung. Der Grund: Der Bedarf, grosse Textmengen mit speziellen Programmen systematisch nach Themen, Methoden und Ergebnissen zu durchsuchen, wurde zu einer Notwendigkeit.
Das gilt vor allem für Naturwissenschafter und Mediziner. Nur so sind sie noch in der Lage, sich über den aktuellen Stand ihres Forschungsgebietes zu informieren. In den Rechtswissenschaften liegt die Anwendung solcher Techniken jedoch in weiter Ferne.
Die historisch gewachsenen Publikationsstrukturen, insbesondere die gedruckte Fachzeitschrift, bleiben für die aktuelle Informationsversorgung dominierend. Dafür verantwortlich sind vor allem drei Gründe:
1. Kommerzielle Datenbanken sind teuer
Wer bei juristischen Online-Datenbanken an die Volltexte gelangen will, braucht in den meisten Fällen eine kostspielige Lizenz. Eine monopolartige Stellung nimmt hier heute Swisslex.ch ein. Das Swisslex-Archiv besteht laut eigenen Angaben aus einer Online-Bibliothek mit rund 60 Fachzeitschriften, 290 Kommentarwerken sowie aus Reihen wie dem Zürcher Kommentar und Berner Kommentar sowie anderen Werken aus den Verlagen Schulthess und Stämpfli. Angereichert wird das durchaus eindrucksvolle Angebot mit Werken weiterer Fachverlage wie Dike oder Orell Füssli.
Mit Legalis.ch des Verlags Helbing & Lichtenhahn trat vor kurzem eine neue Datenbank auf, die künftig ein weiteres Angebot an Zeitschriften präsentieren will. Stämpfli kündigte zudem einen Relaunch seiner Datenbank Uni.recht.ch an. Hier bleibt jedoch offen, wie stark sich dieses Angebot mit jenem von Swisslex überschneiden wird.
Will man sich bei der Informationsversorgung allein auf Datenbanken stützen, braucht man zusätzlich noch Weblaw.ch oder die Expertensuche des Bundesgerichts. Alle dafür nötigen Lizenzen setzen ein stolzes Medienbudget voraus.
Kommt hinzu: Wenn sich das Informationsangebot zunehmend auf digitale Medien verlagert, sollte von den Datenbankanbietern die Langzeitarchivierung der Informationen gewährleistet werden. Doch das ist nur beschränkt der Fall. Da die Bibliotheken Datenbanken nur mehr lizenzieren, sind sie weder rechtlich noch technisch in der Lage, für eine dauerhafte Sicherung der Information zu sorgen.
Und: Durch das Lizenzmodell bleibt der Zugang eingeschränkt, da nur jene Zugriff zu den Daten haben, die dafür zahlen.
2. Open-Access-Idee hat einen schweren Stand
Der Grundgedanke bei Open Access liegt darin, alle wissenschaftlichen Texte frei zugänglich zu machen und diesen Zugang langfristig zu sichern. Solche Plattformen haben zum Ziel, eine Alternative zu den kommerzialisierten Informationsversorgern zu sein.
Open-Access-Plattformen können jedoch nur funktionieren, wenn es ein griffiges Zweitveröffentlichungsrecht gibt. Doch das ist nicht der Fall. An sich entspräche Art. 382 Abs. 3 OR genau dem, was die Open-Access-Befürworter als ideale gesetzliche Grundlage in ihrem Sinn sehen.
Doch diese Regelung ist nicht zwingend. Deutschland, Österreich, die Niederlande und andere europäische Staaten haben zumindest ansatzweise Regelungen für ein Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Publikationen in ihre Urheberrechtsgesetzgebung aufgenommen.
Nicht so die Schweiz: Ein entsprechender Vorschlag des Dachverbands für Urheber- und Nachbarschaftsrechtnutzer blieb in der Arbeitsgruppe Urheberrecht, die vorbereitend für die anstehende Urheberrechtsrevision eingesetzt wurde, unberücksichtigt. Entsprechend findet sie sich auch nicht in dem vorliegenden Entwurf zur Revision des Urheberrechtsgesetzes.
Ein Zweitveröffentlichungsrecht würde vorsehen, dass der Autor eines in einem Periodikum oder einem Sammelband erschienen wissenschaftlichen Beitrags berechtigt ist, nach Ablauf einer bestimmten Frist seinen Beitrag nochmals zu veröffentlichen – zum Beispiel eben auf einer Open-Access-Plattform.
Damit diese Regelung Wirkung zeigt, dürfte sie vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Genau das ist jedoch heute der Fall. Auf die Open-Access-Plattformen haben nämlich die Verlage reagiert, indem sie ihrer Autorenschaft Fristen und Bedingungen für eine Zweitveröffentlichung auferlegen. In den meisten Fällen ist es dabei Usus, dass die Verlage zwar einer Aufschaltung auf einer privaten Website des Autors, seiner Institution oder Kanzlei zustimmen, je nach Zeitschrift mit unterschiedlichen Fristen.
In der Tendenz zeigt sich aber, dass eine Aufschaltung auf Repositorien und Open-Access-Plattformen immer häufiger in Verlagsverträgen ausgeschlossen wird.
Eine Stichprobe bei juristischen Zeitschriften zeigt zudem, dass insbesondere die Publikationen von Uni-Autoren nur zu einem Bruchteil auf Open-Access-Plattformen zugänglich sind, obwohl aufgrund der Rechteeinräumung durch die Verlage der Anteil höher sein müsste (siehe Tabelle). Eine Erklärung mag darin liegen, dass Autoren einer Universität grundsätzlich Zugang zu den eingangs erwähnten Lizenzdatenbanken haben und deshalb keine Notwendigkeit sehen, ihre Aufsätze einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies läuft natürlich den Absichten der Open-Access-Betreiber zuwider, sind diese doch davon abhängig, dass die Autoren ihre Volltexte zur Verfügung stellen.
Fazit: Insbesondere von wissenschaftlicher Seite fehlt es an Mitteln und an der Bereitschaft, eine umfassende juristische Plattform auf Open-Access-Basis zu schaffen. Einzig Gesetzes- und Entscheidsammlungen werden von den gedruckten Ausgaben zu einem reinen Online-Angebot wechseln. Die Zeitschrift, der Kommentar oder das Buch werden weiterhin als Printprodukte angeboten.
3. Die Printzeitschrift ist ein optimales Medium
Während gerade in den naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächern gedruckte Zeitschriften immer mehr vom Markt verschwinden und nur noch online angeboten werden, lässt sich diese Tendenz bei den Rechtswissenschaften nicht feststellen. Neue Ansätze wie etwa die Open-Access-Zeitschrift «sui generis» konnten sich bislang nicht durchsetzen.
Die gedruckte juristische Fachzeitschrift bleibt das Medium erster Wahl. In ihr werden neue Themen aufgegriffen, relevante Entscheidungen besprochen, aber auch über Personelles oder Politisches berichtet, das von Interesse für die Leserschaft sein könnte.
Und: Während bei der Zeitschrift der reine Zeitbezug der Leserschaft Anlass und Ausgangspunkt für die Rezeption der angebotenen Informationen ist, muss man bei einer Datenbankabfrage bereits wissen, wonach man sucht. Das Spektrum der Wissensaneignung reduziert sich bei Datenbankabfragen deshalb tendenziell auf konkrete und bekannte Fragestellungen, während die wissenschaftlich interessanten Zufallsentdeckungen abnehmen.
Kurz: Die Printzeitschrift hat sich als optimales Medium für die Wissensvermittlung in der Jurisprudenz erwiesen.
Als Beispiel sei die «Schweizerische Juristen-Zeitung» (SJZ) genannt, die seit 1904 wesentlich für die juristische Informationsversorgung in der Schweiz sorgt. Im Vergleich zu früheren Rechtszeitschriften setzte die SJZ neue Standards, indem sie zweimal monatlich erschien und aktuelle Themen aufgriff, die für den gesamten Juristenstand interessant waren.
Mit bewusst kurz gehaltenen Beiträgen deckte sie ein breites Informationsbedürfnis ab, informierte und kommentierte zu aktuellen Geschehnissen mit juristischer, aber auch politischer und gesellschaftlicher Relevanz. Hinzu kamen noch Nachrichten von allgemeinem Interesse wie Personalia oder Neuerscheinungen im Buchmarkt.
Als erste Rechtszeitschrift setzte die SJZ auf Lesermeinungen und förderte so einen Diskurs, der heutzutage auch auf Social-Media-Plattformen stattfindet. Mit einem Registersystem und mit dem Führen von Rubriken und Kategorien waren die Jahrgänge der Zeitschrift gut strukturiert und einzelne Beiträge schnell auffindbar. Diese Hilfsmittel ermöglichten die Nutzung aller Jahrgänge der SJZ als Nachschlagewerk. Würde man die SJZ als eine juristische Onlineplattform konstruieren, müsste von der Struktur her nicht viel geändert werden.
Aktuell gibt es in der Schweiz 108 Rechtszeitschriften. Davon wurden 33 Titel vor 1980 gegründet, in den Achtzigerjahren kamen 11 Titel hinzu, in den Neunzigerjahren 22 und zwischen 2000 und 2013 waren es 31 Titel. Somit sind 63 Prozent der Titel nicht älter als 36 Jahre. Diese Zahlen zeigen: Die klassische gedruckte Rechtszeitschrift ist kein Auslaufmodell – im Gegenteil.
Ausschlaggebend dafür ist die Tatsache, dass gerade die Rechtswissenschaften zu einem beträchtlichen Teil von Juristinnen und Juristen betrieben werden, die nur lose, wenn überhaupt noch Kontakt zum Universitätsbetrieb pflegen, jedoch vom wissenschaftlichen Informationsaustausch abhängig sind.
So ist der Anteil an publizierenden Anwälten, Richtern oder Verwaltungsjuristen beträchtlich. Sie sind es auch, die die Zeitschriften mit juristisch aktueller Information versorgen. Und genau dieser aktuelle Informationscharakter, den ein frisch gedrucktes und nicht wegklickbares Zeitschriftenheft vermittelt, ist es, der durch keine andere Publikationsform ersetzt werden kann.