Der Franken ist überbewertet. Der Eurokurs schmälert in vielen Betrieben den Ertrag. Einzelne Firmen versuchen bereits etwa mit Lohnsenkungen oder Lohnzahlungen in Euro ihre Produktionskosten zu drücken, um so das Währungsrisiko auf ihre Angestellten abzuwälzen. Doch solche Massnahmen widersprechen häufig einschlägigen arbeitsrechtlichen Prinzipien und der Rechtsprechung. Dies erklärten an der Tagung «Arbeitsrechtliche Auswirkungen der Frankenstärke» des SGB von Anfang März in Bern Christa Tobler, Professorin für Europarecht an den Universitäten Basel und Leiden, ebenso wie Jean-Christophe Schwaab, Vizepräsident der Rechtskommission des Nationalrats, sowie weitere Referentinnen und Referenten.
Laut Tobler verstösst eine Ungleichbehandlung von Grenzgängern in der Form von Lohnsenkungen oder Auszahlung des Lohnes in Euro gegen das indirekte Diskriminierungsverbot, das im Freizügigkeitsabkommen (FZA) zwischen der Schweiz und der EU festgeschrieben ist. Dieses untersagt die Ungleichbehandlung von Grenzgängern, ausser wenn sie objektiv gerechtfertigt und in Bezug auf das anvisierte Ziel verhältnismässig ist.
Eurolöhne für Grenzgänger wären diskriminierend
Massnahmen sind als indirekt diskriminierend zu betrachten, wenn sie ihrer Natur nach geeignet sind, die Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats stärker zu beeinträchtigen als die eigenen Bürger, und wenn folglich die Gefahr besteht, dass insbesondere die Ersteren benachteiligt werden (BGE 136 V 182).
Das Diskriminierungsverbot in Artikel 2 FZA (präzisiert in den Artikeln 5 und Anhang I FZA) untersagt nun eben solche Ungleichbehandlungen, wie sie mit Lohnsenkungen, Arbeitszeiterhöhungen oder mit der Bezahlung des Lohnes in Euro erfolgen würden. Wirtschaftliche Gründe wie etwa die Änderungen des Wechselkurses können solche Diskriminierungen nicht rechtfertigen. Deshalb kann der Arbeitgeber nicht allein für seine aus der EU stammenden Angestellten oder nur für Grenzgänger den Lohn an den Wechselkurs anbinden.
Selbst mit Einwilligung der Betroffenen ungültig
Tobler macht klar, dass arbeitsvertragliche Bestimmungen, die diskriminierend sind, von Rechts wegen nichtig sind (Artikel 9 Absatz 4 Anhang I FZA). Angestellte können also auch nicht gültig in eine Diskriminierung einwilligen. Das schützt auch die in der Schweiz wohnhaften Angestellten: Denn man kann sie nicht mit diskriminierten Grenzgängern konkurrenzieren oder gar durch solche ersetzen. Die anderen Referenten der Tagung befassten sich mit den Löhnen der Inländer: Der Arbeitgeber verfüge zwar über einen Handlungsspielraum bei der Festlegung der Löhne – und damit auch bei deren Senkung.
Euro-Koppelung auch bei Inländern unzulässig
Massgebend für die Festlegung des Lohns seien Treu und Glauben und die guten Sitten, der Lohnbetrag müsse objektiv und genügend vorhersehbar bleiben. Also wären feste Indexierungen des Lohnes an den Wechselkurs des Euro nicht erlaubt. Bei Lohnsenkungen müssten die Vorschriften zur Änderungskündigung respektiert werden. Das heisse auch: Änderungskündigungen sind missbräuchlich, wenn keine sachlichen betrieblichen oder marktbedingten Gründe vorliegen.
Ein Verzicht auf die Massnahmen müsste die Existenz des Unternehmens gefährden. Der Arbeitgeber muss diese Gründe objektiv darlegen können – anhand von Geschäftsbüchern, Entwicklung der Auftragslage und anderer Unterlagen. Die Überwälzung des Unternehmerrisikos auf die Angestellten ist generell verboten. Diese zwingende Bestimmung von Artikel 324 OR kann weder durch Einzelarbeitsvertrag noch durch Gesamtarbeitsverträge (GAV) geändert werden. Genau darum handelt es sich aber, wenn ein ungünstiger Wechselkurs die Ertragsaussichten einer Firma trübt und sich das Unternehmen dafür bei den Angestellten schadlos halten will.
Der Wechselkurs ist laut SGB Teil des Unternehmerrisikos – der Arbeitgeber müsse dieses vorausschauend übernehmen. Er allein profitiere auch davon, wenn der Wechselkurs in die andere Richtung ausschlägt und so den Ertrag des Unternehmens erhöht. Weiter verbiete die juristische Lehre auch Lohnsenkungen als Form einer Beteiligung am negativen Geschäftsgang einer Firma. Dies stelle eine Beteiligung des Arbeitnehmers an einem negativen Geschäftsergebnis dar und sei gemäss Artikel 322a OR verboten.
Solche Bestimmungen, seien sie nun eingeführt durch gemeinsame Vereinbarung, durch Änderungskündigung oder durch kollektive Vereinbarung, sind folglich laut SGB nichtig. Sie könnten auch nicht auf einen Krisenartikel eines GAV abgestützt werden. Denn diese Verträge müssen zwingendes Recht respektieren (Artikel 358 OR).
Das Gleiche gelte für eine dauerhafte Arbeitszeiterhöhung bei gleichbleibendem oder sinkendem Lohn: Erfolge sie aufgrund des Wechselkurses, stelle dies eine Überwälzung des Unternehmensrisikos dar und sei verboten. Denn eine Erhöhung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn sei nichts anderes als eine Lohnkürzung und unterstehe damit den gleichen Bedingungen wie diese, um legal zu erfolgen.