Die amtliche Verteidigung wird nur entschädigt für Aufwendungen, «die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Strafverfahren stehen und die notwendig und verhältnismässig sind» (so das Bundesgericht in 6B_824/2016 vom 10. April 2017). Nicht abgegolten wird der Aufwand zur Abklärung der Rechtslage, es sei denn, es handle sich um aussergewöhnliche Rechtsfragen (exemplarisch der «Leitfaden amtliche Mandate» der Oberstaatsanwaltschaft Zürich, 3. Aufl., Zürich 2016, Ziff. 1.2; andere Kantone sind kulanter).
Was als aussergewöhnlich zu gelten hat, ist zunächst abhängig vom zugrunde gelegten Massstab. Abgestellt wird auf den erfahrenen Anwalt, «der im Bereich des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts über fundierte Kenntnisse verfügt und deshalb seine Leistungen von Anfang an zielgerichtet und effizient erbringen kann», so Erwägung 18.3.1 des genannten Urteils. Das pönalisiert Berufseinsteiger und Erbrechtsspezialisten, lässt sich aber allenfalls rechtfertigen.
Entscheidend ist sodann die Umschreibung der jeweiligen Rechtsfrage. Die Logik: Je stärker auf den Einzelfall Bezug genommen wird, desto aussergewöhnlicher sind die damit verbundenen Rechtsfragen. Da zwei Sachverhalte nie identisch sind, ist am Ende jedes Rechtsproblem singulär.
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Mit solchen Banalitäten scheint man sich in der Praxis nicht aufzuhalten. Das Bundesstrafgericht stellte unlängst fest, die Einträge «Deliktssummen & Akkusationsprinzip», «Beweisverwertungsverbot», «Notwendigkeit aussagenpsychologischer Gutachten von Belastungszeugen» auf einer Kostennote liessen keine aussergewöhnlichen Rechtsfragen erkennen. Diese Abklärungen seien nicht zu entschädigen (Beschluss BB.2016.289). Mit anderen Worten: Weil das Akkusationsprinzip jedem erfahrenen Anwalt ein Begriff sein muss, sind alle damit zusammenhängenden Rechtsfragen nicht aussergewöhnlich.
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Selbstverständlich kann ein Strafverteidiger nichts verlangen, wenn er stundenlang abklärt, wofür die Abkürzung «StGB» denn stehen könnte. Ein gewisses Grundwissen muss vorausgesetzt werden. Alles andere hingegen ist ein blosses «Gewusst-Wie»: Jeder Strafrahmen und jede Verjährungsfrist wird ja in der Regel nachgeschlagen, die Klärung in einem abstrakten Sinn vielleicht «alltäglicher», aber im konkreten Einzelfall komplexer Fragen verschlingt mitunter Stunden.
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Nun ist jeder Anwalt grundsätzlich verpflichtet, amtliche Verteidigungen zu übernehmen (Art. 12 lit. g BGFA). Und zwar (warum eigentlich?) zu einem reduzierten Stundenansatz (BGE 132 I 201 und 139 IV 261). Allerdings hat der amtlich Verteidigte «Anspruch auf eine sachkundige, engagierte und effektive Wahrnehmung seiner Parteiinteressen» (BGE 120 Ia 48, 51); Pflichtmandate sind mit derselben Sorgfalt zu behandeln wie andere Mandate (Art. 17 der Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbandes).
Offenkundig dürfte es also Konstellationen geben, in denen die Verteidigung zu Aufwand verpflichtet ist, der ihr noch nicht einmal zu einem ohnehin schon reduzierten Ansatz entschädigt wird. Fronarbeit im Rechtsstaat.