Der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) hat vor zwei Jahren einen ausformulierten Entwurf für ein Gesetz erarbeitet, das die anwaltliche Tätigkeit für das ganze Land regeln und die kantonalen Gesetze aufheben soll. Dieses Ziel erachten auch die Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz (DJS) als notwendig. Eine DJS-Arbeitsgruppe hat sich mit dem SAV-Entwurf auseinandergesetzt und dabei folgende Kritikpunkte erarbeitet.
Titelführung
Der SAV-Entwurf sieht vor, dass der Titel «Rechtsanwalt»/«Fürsprecher» fortan nur noch von registrierten Anwälten verwendet werden darf. Wer nicht aktiv als Anwalt tätig ist, kann sich gemäss SAV «Inhaber des Anwaltspatents» oder «Inhaber des anwaltlichen Fähigkeitsausweises» oder ähnlich nennen. Die DJS unterstützen diese Neuerung, da sie für Rechtsuchende eine Klärung bringe.
Für rein beratend tätige Personen mit Anwaltspatent schlagen die DJS jedoch die Einführung des Titels «Wirtschaftsanwalt» vor, da das traditionelle Berufsbild bei Hunderten in Anwaltskapitalgesellschaften tätigen Anwälten nicht mehr der Realität entspreche. Diese Regelung habe den Vorteil, dass damit eine weitere Deregulierung des Anwaltsberufs verhindert werden könne und sich Personen mit Anwaltspatent in beratender Tätigkeit nicht nur «Inhaber des Anwaltspatents» nennen dürften. Auch aus Konsumentensicht brächte eine Unterscheidung zwischen «Rechtsanwalt» und «Wirtschaftsanwalt» laut DJS mehr Transparenz.
Berufsregelung
Zentral für die anwaltliche Berufsregelung ist laut DJS die Frage der Unabhängigkeit gegenüber möglicher staatlicher Aufsicht, ökonomischem Einfluss von Klienten oder Weisungsgebundenheit in einem Arbeitsverhältnis. Im heute gültigen BGFA fehlt den DJS eine eindeutige Regelung, wo und wie die Grenzen der anwaltlichen Unabhängigkeit festzulegen sind. Deshalb fordern sie im neuen Gesetz eine klare Regelung.
Bei der staatlichen Aufsicht sei auch sicherzustellen, dass in der Aufsichtskommission kein Mitglied vertreten sei, das mit dem betroffenen Anwalt in seiner beruflichen Tätigkeit unmittelbar zu tun habe. Für die DJS ist die Unabhängigkeit auch dann nicht mehr gegeben, wenn ein einziger Klient den wesentlichen Teil der Umsätze eines Anwaltes generiert. Die DJS schlagen vor, dass zur Beurteilung der ökonomischen Abhängigkeit eines Klienten die Rechtsprechung der AHV zur Scheinselbständigkeit herangezogen wird. Schliesslich kritisieren die DJS, dass die bisherige Praxis der kantonalen Aufsicht durch die Anwaltskommissionen den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist. Insbesondere im Hinblick auf die Anwaltskapitalgesellschaften müssten die Aufsichtskommissionen in der Lage sein, eigene Ermittlungen anzustellen und regelmässig Kontrollen durchzuführen.
Honorare
«Um ein Minimum an Honorartransparenz und Konsumentenschutz zu erreichen, ist eine Regelung notwendig, nach der bei einer Erstberatung des Klienten durch einen Anwalt ein Mindesthonorar berechnet werden kann, dessen Höhe per Gesetz festgelegt ist und dem Klienten vorher mitgeteilt wurde», fordern die DJS. Bei mehr als 1000 Franken Honoraranspruch müsse der Klient die Mandatserteilung schriftlich bestätigen, am Ende sei durch den Anwalt eine detaillierte schriftliche Abrechnung zu erstellen.
Aus Sicht der DJS klammert der SAV-Entwurf beim Honorar den Konsumentenschutz aus: «Immerhin haben gerade die nicht im Monopolbereich tätigen Wirtschaftsanwaltskanzleien die Honorare in eine Höhe getrieben, welche einen demokratischen Zugang für Einzelpersonen zum Recht gefährdet und der Anwaltschaft generell den Ruf von Raffgier und Misstrauen eingebracht hat.» Und dies vor dem Hintergrund einer gerichtlichen Kostenpraxis, die Gebühren kontinuierlich erhöhe, die Kostenverteilung nach der Verursachung ablehne und den Zugang zu Rechtsmitteln erschwere. Gemäss DJS ist diese Entwicklung mit den Vorgaben der Bundesverfassung (Rechtsschutz- und Verfahrensgarantie) nicht mehr vereinbar.
Rechtliche Organisation
Die DJS äussern sich auch kritisch zur Zulässigkeit von Anwaltsgesellschaften, weil sie die Unabhängigkeit der Anwälte gefährdeten. Man sehe jedoch ein, dass die Organisationsform einer juristischen Person für kleinere und mittlere, im Monopolbereich tätige Anwaltsgemeinschaften sinnvoll sein könne, etwa zur Stabilisierung der Struktur bei Partnerwechseln oder beim Auftritt nach aussen. Die DJS schlagen hier die Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft vor, die mit geringeren Anforderungen als die GmbH und AG als juristische Personen eine Haftungsbeschränkung auf die Haftpflichtsumme und eine einfache Fluktuation der Partner erlaube.
Ausbildung und Praktika
Die DJS unterstützen grundsätzlich die SAV-Empfehlungen für eine minimale Praktikumsdauer von 18 Monaten, davon 12 Monate bei einem registrierten Anwalt oder einer Anwaltsgesellschaft. Die DJS fordern allerdings, dass Anwaltsbüros die Möglichkeit bieten müssen, sich im Zivil- oder Strafprozess praktisch auszubilden. 12 Monate bei einer rein beratend tätigen Wirtschaftskanzlei erachten die DJS als ungenügend. Auch müsse im künfitgen Gesetz ein Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung der Praktikanten eingebaut werden. Die DJS denken dabei an einen Mindestlohn, dessen Höhe dem Praktikumslohn des staatlichen Arbeitgebers (Gerichte oder Verwaltung) entspricht.