Für das Egerkinger Komitee hätte der Abstimmungstermin nicht besser angesetzt werden können. Am 7. März stimmen die Schweizer Bürger über seine Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ab. Das Volksbegehren war 2017 mit gut 105 000 Unterschriften eingereicht worden. Absatz 1 des neuen Verfassungsartikels 10a hält fest: «Niemand darf sein Gesicht im öffentlichen Raum und an Orten verhüllen, die öffentlich zugänglich sind.»
Abstimmungslokale sind öffentliche Räume. Wer dort abstimmt, muss eine Gesichtsmaske tragen. Der Bundesrat will das so. Die Stimmbürger erleben also im März selbst, wie es sich anfühlt, wenn man zwangsweise das Gesicht verhüllen muss. Die Erfolgschancen des Egerkinger Komitees sind wohl grösser denn je.
Argumentative Unterstützung erhielten die Initianten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (F). Im Entscheid zur Zulässigkeit eines Verbots der Gesichtsverhüllung beliess er dem eingeklagten Staat Frankreich die Freiheit, im öffentlichen Raum ein Verhüllungsverbot einzuführen. Frankreich versuche mit seinem Gesetz, einen «Grundsatz der zwischenmenschlichen Kommunikation» zu schützen, der «essenziell für den Ausdruck nicht nur des Pluralismus ist, sondern auch der Toleranz und der geistigen Grosszügigkeit, ohne die es keine demokratische Gesellschaft gibt» (S.A.S. gegen Frankreich, Urteil vom 1. Juli 2014).
Die Ausgangslage für die Egerkinger ist trotzdem nicht durchwegs ermunternd: Der Bundesrat empfiehlt ein Nein zur Initiative. Die Forderung eines flächendeckenden Gesichtsverhüllungsverbots schiesse über das Ziel hinaus. Sie tangiere Grundrechte wie die persönliche Freiheit, die Versammlungsfreiheit und das Diskriminierungsverbot. «Auch bekennt sich die Schweiz zu einer liberalen Gesellschaftsordnung, die Freiheit des Einzelnen wird grossgeschrieben», so die Regierung.
Seit dem Verfassen dieser Zeilen ist der Bundesrat inwischen vom Gegner zum Befürworter eines Verhüllungszwangs geworden. Anfang Juli führte er präventiv im öffentlichen Verkehr eine Maskenpflicht ein. Und als viele Kantone mangels realer Infektionen beim Einkaufen nicht einsahen, weshalb sie die Bürger in den Läden zum Tragen einer Gesichtsmaske zwingen sollten, griff der Bund ein und erklärte es für obligatorisch. Seit dem 29. Oktober herrscht zudem Maskenpflicht «in belebten Fussgängerbereichen».
Doch darüber wird am 7. März nicht abgestimmt. Ausser, man verstehe die Abstimmungsfrage in einem grösseren Kontext: Wer dafür ist, dass der Staat Vorschriften zur Gesichtsverhüllung erlasse, stimme mit Ja. Wer den Entscheid jedem Einzelnen überlassen will, mit Nein. Aber dann wäre der Abstimmungstermin für die Egerkinger wohl suboptimal.