Verkehrswert massgebend für Notariatsgebühr
Ein Ehepaar übertrug seinen Kindern eine Liegenschaft im Kanton Zürich und behielt sich ein lebenslanges Wohn- und Benützungsrecht vor. Das zuständige Notariat und Grundbuchamt stellte für die öffentliche Beurkundung und Eintragung im Grundbuch rund 2200 Franken in Rechnung, ausgehend von 747 000 Franken Verkehrswert der Liegenschaft. Das Ehepaar war nicht einverstanden. Seiner Auffassung nach hätte die Bemessungsgrundlage angesichts des Wohn- und Nutzungsrechts lediglich 350 000 Franken betragen dürfen. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen. Es ist nicht willkürlich, in solchen Fällen auf den Verkehrswert des (unbelasteten) Grundstücks abzustellen, zumal die Belastung der Liegenschaft durch das Wohnrecht nach dessen Aufgabe ohne weiteres entfällt, ohne dass Notariatsgebühren geschuldet wären.
Bundesgericht 2C_298/2021 vom 21.4.2021
Aufenthaltsbewilligung für Transgender-Frau
Der Ehepartner eines Schweizer Staatsangehörigen, dessen Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, hat bei wichtigen persönlichen Gründen Anspruch auf eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Gestützt auf diese Bestimmung hat das Bundesverwaltungsgericht die Aufenthaltsbewilligung für eine Transgender-Frau verlängert. Der Mann aus Mauritius war im Oktober 2014 aus Liebe eine eingetragene Partnerschaft mit einem Schweizer eingegangen und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung. 2016 unternahm der Mann erste Schritte zur Änderung seines Geschlechts. Der Schweizer Partner unterstützte dies anfänglich, konnte die Umwandlung aber, je sichtbarer sie wurde, immer weniger akzeptieren. Im Jahre 2017 trennte sich das Paar. Da Mauritius Transgender-Menschen nicht anerkennt, wären die Wiedereingliederung und die ärztliche Betreuung der Mauritierin bei einer Heimkehr gefährdet. Es liegt ein Härtefall vor, weshalb die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern ist.
Bundesverwaltungsgericht F-2233/2019 vom 22.4.2021
Enteignung von Skiliftparkplatz zulässig
Die Gemeinde Bürchen (VS) darf ein 1326 Quadratmeter grosses Grundstück in der Zone für touristische Bauten und Anlagen enteignen. Zwei Drittel des Areals, von der Gemeinde gemietet, dienen heute als öffentlicher Parkplatz für das Skigebiet, die Minigolfanlage und das Tourismusbüro. Auf dem Rest der Parzelle stehen das Kassenhaus der Bergbahnen und ein Container des Tourismusbüros. Die Eigentümerin des Grundstücks erachtet die Enteignung für unverhältnismässig. Sie erziele aus der Vermietung jährliche Einnahmen und habe ein Interesse am Weiterbestand ihres Eigentums. Das Bundesgericht entkräftet diesen Vorwurf mit dem Argument, die blosse Miete berge für die Gemeinde die Gefahr, periodisch mit der Eigentümerin über den Mietzins verhandeln zu müssen. Weshalb regelmässige Mieteinnahmen für die Eigentümerin vorteilhafter sein sollten als eine einmalige Entschädigung sei nicht erkennbar. Zwar würde die Eigentümerin von einer möglichen Zunahme des Verkehrswerts profitieren, doch dabei handle es sich um «kein der Enteignung entgegenstehendes schützenswertes privates Interesse».
Bundesgericht 1C_612/2020 vom 1.4.2021
Aufenthaltsort für freies Geleit massgebend
Im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Vermögensdelikten teilte der Verteidiger eines Beschuldigten mit, sein Mandant halte sich auf unbestimmte Zeit in seinem Heimatland Deutschland auf. Im Hinblick auf eine erste Einvernahme durch die Bundesanwaltschaft sei ihm deshalb das freie Geleit zu gewähren. Die Bundesanwaltschaft lehnte das Gesuch mit der Begründung ab, der Beschuldigte verfüge über eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz und habe eine aktuelle Meldeadresse, wo er mit seiner Frau eine Wohnung gemietet habe. Es gebe keinen Grund, ihm freies Geleit zu gewähren. Das Bundesstrafgericht hat eine Beschwerde dagegen gutgeheissen. Massgebend ist nicht der Melde- oder Wohnort, sondern der Aufenthaltsort der vorzuladenden Person.
Bundesstrafgericht Beschluss BB.2021.16 vom 7.4.2021
Keine Freilassung nach fehlender 96-Stunden-Frist
Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass das Zwangsmassnahmengericht innerhalb von 96 Stunden über einen Haftantrag des Staatsanwalts entscheiden muss. Die Folgen einer Fristübertretung sind im Gesetz nicht geregelt. In casu ging es um einen Untersuchungshäftling, der den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts exakt 65 Minuten nach Ablauf der 96-Stunden-Frist erhielt und deshalb eine sofortige Freilassung forderte. Das Bundesgericht lehnt dies ab. Zwar ist die verspätet angeordnete Haft grundsätzlich gesetzwidrig geworden; indessen kann eine geringe Überschreitung nicht als derart schwerwiegend bezeichnet werden, dass sich eine Entlassung aufdrängt. Indem das Gericht die Verletzung des Beschleunigungsgebots im Dispositiv feststellte, hat es den Anforderungen an eine Wiedergutmachung Genüge getan.
Bundesgericht 1B_138/2021 vom 9.4.2021
Unterschiedliche Kurtaxen zulässig
Eine ungleiche Bemessungsgrundlage der Kurtaxe für Beherbergungsbetriebe (Hotels) und Zweitwohnungen (Ferienliegenschaften) verletzt das Gleichheitsgebot nicht, wenn sie sachlich haltbar ist. Unterschiede können gerechtfertigt sein, wenn etwa das Ertragspotenzial einer Ferienwohnung jenem von mehreren Hotelzimmern entspricht. Der Ansatz von Fr. 5.80 pro Übernachtung und Person, den das Kurtaxenreglement der Walliser Gemeinde Bellwald für Ferienwohnungen vorsieht, übersteigt jenen für Hotelübernachtungen (4 Franken) um 45 Prozent. Obwohl der Unterschied ausgesprochen gross ist und sich die Gemeinde «zweifellos am oberen Rand des Zulässigen» bewegt, erweist sich die getroffene Lösung gerade noch als verfassungskonform.
Bundesgericht 2C_860/2019 vom 22.3.2021
Lagerleiter verletzte die Sorgfaltspflicht nicht
Anlässlich eines Schneewochenendes kam es 2005 beim «Schläucheln» – dabei wird mit einem luftgefüllten Gummiring (Schlauch) eine schneebedeckte Unterlage hinuntergerutscht – zu einem Unfall. Ein neunjähriger Knabe kollidierte mit einem Betonschacht und zog sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zu, dessen Folgen ihn bis heute beeinträchtigen. Der Bub war den Abhang hinuntergerutscht, obwohl ihm eine Hilfsleiterin und andere Kinder zugerufen hatten, dies nicht zu tun. Vor dem Unfall waren die Kinder auf gesicherten Bahnen gerutscht. Das Bundesgericht kommt zum Ergebnis, dass die Vorinstanzen zu Recht eine unfallkausale Sorgfaltspflichtverletzung seitens der Leiter verneint haben.
Bundesgericht 4A_125/2021 vom 22.4.2021
Kein Modellflugplatz in der Moorlandschaft
Nach Art. 78 Abs. 5 BV sind Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und gesamtschweizerischer Bedeutung geschützt. Es dürfen darin weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen vorgenommen werden. Art. 23d Abs. 1 des Natur- und Heimatschutzgesetzes lässt die Gestaltung und die Nutzung im Rahmen einer Schutzzielverträglichkeit zu. Bei einem Modellflugplatz beschränken sich die Auswirkungen nicht auf die baulichen Bodenflächen. Die Beeinträchtigung erfolgt primär durch den Betrieb der Anlage und die Fliegerei. Eine Bau- und Betriebsbewilligung für einen Modellflugplatz in der Moorlandschaft von Rothenthurm kann deshalb nicht erteilt werden.
Bundesgericht 1C_375/2019 vom 26.3.2021
Kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse
396 Privatpersonen gelangten im August 2020 ans Bundesamt für Gesundheit und ersuchten darum, es sei festzustellen, dass sie nicht verpflichtet seien, in den öffentlichen Verkehrsmitteln die Gesichtsmaske zu tragen. Sie argumentierten, die in der «Covid-19-Verordnung besondere Lage» angeordnete Maskentragepflicht verletze ihr verfassungsmässig geschütztes Recht auf persönliche Freiheit respektive auf körperliche Unversehrtheit. Das Bundesamt für Gesundheit verneinte ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse und trat nicht auf das Gesuch ein, was nun vom Bundesverwaltungsgericht als korrekt eingestuft worden ist.
Bundesverwaltungsgericht C-5074/2020 vom 25.5.2021
Unzulässige Abfallgrundgebühr
Ein Haus in Lohn-Ammansegg SO hat zwei Wohnungen. In einer lebt eine 93-jährige Frau, in der anderen ihr Sohn mit den Kindern.Die Gemeinde stellte der Seniorin 240 Franken für die Abfallgrundgebühr 2019 in Rechnung. Der Sohn erhob Einsprache. Seine Mutter führe keinen eigenen Haushalt mehr. Die Gemeinde wies das Gesuch ab. Anders sah es die nächsthöhere Instanz. Das Haus habe zwar zwei Wohnungen, aber nur einen Haushalt, weshalb die Abgabe nicht geschuldet sei. Die Gemeinde zog vor Verwaltungsgericht. Dieses hielt fest, gemäss Gebäuderegister habe die Liegenschaft zwei Wohnungen, weshalb die Abgabe geschuldet sei. Das Bundesgericht stellte sich auf die Seite der Seniorin. Es befand, sie führe keinen eigenen Haushalt, die Nutzung komme einem einzigen Haushalt gleich.
Bundesgericht 2C_181/2021 vom 14.5.2021
Kein Recht auf Fotos des Gerichtsaals
Der Verlag Konsumenteninfo AG, der auch plädoyer herausgibt, ersuchte als Herausgeber der Zeitschrift «Saldo» das Bezirksgericht Dietikon ZH, einen leeren Gerichtssaal fotografieren zu dürfen. Die Redaktion publiziert in jeder Ausgabe einen Bericht über eine zivilrechtliche Verhandlung. Zur Illustration wird jeweils ein Bild des leeren Gerichtssaals veröffentlicht, weil während der Verhandlung nicht fotografiert werden darf. Der Gerichtspräsident von Dietikon untersagte die Aufnahmen. Der Verlag erhob Aufsichtsbeschwerde bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich. Er berief sich auf die Informationsfreiheit sowie auf den Grundsatz öffentlicher Gerichtsverhandlungen. Die Zürcher Justiz sah keine «aufsichtsrechtlich relevante Fehlbeurteilung» des Gerichts. Der Entscheid sei «weder offensichtlich haltlos» noch «qualifiziert falsch». Die Rekurskommission des Obergerichts sah das gleich. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde nicht ein. Einem aufsichtsrechtlichen Beschluss fehle der Verfügungscharakter, dem Verlag somit die Parteistellung. Selbst wenn der Verlag auf kantonaler Ebene ein Rekursrecht habe, sei «nicht von einem eigentlichen Rechtsmittelverfahren» auszugehen. Daher sei eine Beschwerde ausgeschlossen.
Bundesgericht 1C_325/2020 vom 28.6.2021