Fussgängerin droht Ausweisentzug
Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, ist eine verkehrsmedizinische Abklärung anzuordnen. Dies ist unter anderem der Fall bei Fahren in angetrunkenem Zustand mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Gewichtspromille oder mehr. Die Anordnung einer Untersuchung setzt nicht zwingend voraus, dass der Fahrzeugführer tatsächlich unter dem Einfluss von Alkohol gefahren ist. Sofern stichhaltige Gründe für ein verkehrsrelevantes Suchtverhalten vorliegen, können auch bei Personen, die ausserhalb des motorisierten Strassenverkehrs auffällig geworden sind, Zweifel an der Fahreignung aufkommen, die eine verkehrsmedizinische Untersuchung rechtfertigen. Soweit ersichtlich, hat das Bundesgericht in diesem Zusammenhang zum ersten Mal entschieden, dass sich eine Person einer verkehrsmedizinischen Abklärung stellen muss, die nicht am Steuer eines Fahrzeugs sass. Es handelt sich um eine Fussgängerin, die mit einer Blutalkoholkonzentration zwischen 2,7 und 3,4 Gewichtspromille beim Überqueren einer Strasse in einen Unfall mit einem Personenwagen verwickelt worden war.
Bundesgericht 1C_569/2018 vom 19.3.2019
Zürcher Anwalt verletzte Berufsregeln
Die Zürcher Aufsichtskommission hat einen Anwalt im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu Recht wegen Verletzung der Berufsregeln zu einer Busse von 1500 Franken verurteilt. Der Anwalt hatte in einem Erbstreit den Willensvollstrecker als Hilfsperson im Nachlassverfahren beraten und war gleichzeitig in zwei Prozessen vor zwei Bezirksgerichten tätig, welche der Willensvollstrecker in Prozessstandschaft auf Kosten der Erbinnen für die ungeteilte Erbschaft führte. Zudem ist der Anwalt operativ tätiger Stiftungsrat der Stiftung des Erblassers. Weiter besteht die besondere Konstellation, dass ein Strafverfahren, in welchem der Anwalt den Willensvollstrecker vertritt, im Zusammenhang mit der Nachlassverwaltung steht und durch eine der Erbinnen initiiert wurde, deren Interessen der Anwalt als Hilfsperson seines Klienten ebenfalls zu berücksichtigen hatte. Laut Bundesgericht ist davon auszugehen, dass es dem Anwalt bei dieser Konstellation an der für die Vertretung des Willensvollstreckers nötigen Unabhängigkeit gegenüber den Töchtern des Erblassers fehlt.
Bundesgericht 2C_933/2018 vom 25.3.2019
Amtlicher Verteidiger ist kein Beamter
Ein amtlicher Verteidiger äusserte sich an Gerichtsverhandlungen gegenüber mehreren Staatsanwälten ehrverletzend und schuldigte sie falsch an. Die Staatsanwälte reichten eine Strafanzeige ein. Der Anwalt argumentierte in der Folge, als amtlicher Verteidiger komme ihm die Stellung eines Beamten zu, weshalb für seine Strafverfolgung die Ermächtigung des Obergerichts erforderlich sei. Die zuständige Staatsanwaltschaft lehnte es ab, ein Ermächtigungsverfahren einzuleiten, und eröffnete eine Strafuntersuchung. Vor Bundesgericht argumentierte der Anwalt, die Rechts- und Waffengleichheit gebiete, dass er als amtlicher Verteidiger bei der Strafverfolgung wie ein Staatsanwalt behandelt werde. Das Bundesgericht ist anderer Auffassung: Denn beim amtlichen Verteidiger handelt es sich im Gegensatz zum Staatsanwalt nicht um ein staatliches Organ, sondern um einen dem Anwaltsgesetz unterstehenden Rechtsanwalt. Der amtliche Verteidiger ist unabhängig, in keine Behördenorganisation eingebunden und untersteht keiner Weisungsbefugnis. Deshalb ist für eine Strafverfolgung keine Ermächtigung nötig.
Bundesgericht 1C_340/2018 vom 7.3.2019
Einstellung des Verfahrens gegen Polizisten aufgehoben
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen einen Polizeibeamten wegen versuchter Tötung zu Unrecht eingestellt, weil sie nicht beurteilen konnte, ob ein Schusswaffeneinsatz anhand der «offensichtlich unklaren Beweislage» rechtmässig war oder nicht. Der Vorfall hatte sich im Dezember 2015 zugetragen. Eine Streifenwagenbesetzung wurde auf einen Mann aufmerksam, der zu Fuss mit einem Messer in der Hand unterwegs war. Während der polizeilichen Intervention bewegte sich der Mann mit dem Messer auf die fünf Polizisten zu, wobei zwei Beamte 13 Schüsse abgaben. Aufgrund eines Gutachtens steht fest, dass je ein Durchschuss an beiden Armen von hinten nach vorne erfolgt war. Ein weiteres Projektil trat hinten links in den Rucksack ein und landete anschliessend im Rückenbereich. Insbesondere bei schweren Delikten drängt sich – wenn eine Verurteilung genauso wahrscheinlich ist wie ein Freispruch – laut Bundesgericht in der Regel eine Anklageerhebung auf.
Bundesgericht 6B_1183/2018 vom 25.3.2019
Verbot der Airbnb-Vermietung bestätigt
Eine Stockwerkeigentümergemeinschaft darf ihren Mitgliedern unter gewissen Voraussetzungen verbieten, Wohnungen kurzzeitig über Plattformen wie Airbnb anzubieten. Insbesondere bei einem Wohnhaus des gehobenen Standards mit 26 Wohnungen und gemeinschaftlichen Einrichtungen wie Schwimmbad, Sauna, Fitnessraum und Dachterrasse erachtet das Bundesgericht ein von den Eigentümern beschlossenes Verbot für rechtmässig. Im konkreten Fall ging es um eine direkt am Vierwaldstättersee gelegene Residenz mit Erstwohnungen mit ausgeprägtem Ruhebedürfnis. Ein dauerndes gewerbsmässiges Feilbieten einer Wohnung zur tageweisen Buchung an womöglich lärmige Touristen sprengt den reglementarisch vorgesehenen Wohnzweck und ist auch mit dem Betrieb eines «stillen Gewerbes» nicht vereinbar. Das Sonderrecht der einzelnen Eigentümer an ihren Wohnungen wird nicht ausgehöhlt oder ihres Kerngehaltes beraubt.
Bundesgericht 5A_436/2018 vom 4.4.2019
Einjähriges Berufsverbot für Anwalt
Ein St. Galler Jurist darf während eines Jahres seinen Beruf als Anwalt und Notar nicht mehr ausüben. Der Anwalt hatte gegen die Berufsregeln verstossen, indem er mit dem Opfer und der (potenziellen) Zeugin im Strafverfahren seines Mandanten zweimal in Kontakt getreten war und es in den Räumlichkeiten seines Anwaltsbüros getroffen hatte. Das Bundesgericht hat das Verhalten des Anwalts, dem schon einmal das Patent entzogen worden war, aus anwaltsrechtlicher Warte als äusserst problematisch eingestuft, da er mit diesem Vorgehen eine unzulässige Beeinflussung des Opfers und der potenziellen Zeugin mindestens in Kauf genommen hat. Nicht zulässig ist mangels gesetzlicher Grundlage, dem Mann während des Berufsausübungsverbots zu verbieten, sich als «Rechtsanwalt» bzw. «öffentlicher Notar» zu bezeichnen.
Bundesgericht 2C_536/2018 vom 25.2.2019
Grundeigentümer muss Entsorgung zahlen
Überlässt ein Grundeigentümer sein Grundstück gegen Entgelt einem galvanischen Betrieb, geht er das Risiko ein, bei Konkurs dieses Betriebes für die Entsorgung der Chemikalien haftbar gemacht zu werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei den Chemikalien ursprünglich nicht um Abfälle im Sinne des Umweltschutzgesetzes, sondern um die Betriebsmittel für die Galvanisierung handelte. Für den Grundeigentümer war nach Meinung des Bundesgerichts von vornherein klar, dass die Chemikalien früher oder später – sei es nach ihrer Verwendung, sei es nach Aufgabe des Betriebs – als Abfälle entsorgt werden müssen. Es handelt sich hier nicht um Abfälle, die ohne Zutun des Grundeigentümers durch Dritte ordnungswidrig abgelagert wurden und für welche die Gemeinwesen entsorgungs- bzw. kostenpflichtig sind.
Bundesgericht 1C_305/2018 vom 28.2.2019
Keine Erhöhung der Nothilfe für Diabetiker
Ein abgewiesener Asylbewerber, der in einer Notunterkunft lebt und vom Sozialamt der Stadt Zürich täglich Fr. 8.50 bezieht, leidet an Diabetes und forderte deshalb eine Erhöhung der Nothilfe auf 16 Franken. Das Bundesgericht hat, wie zuvor schon die Zürcher Justiz, eine Erhöhung der Nothilfe abgelehnt. Aus Arztberichten ergibt sich zwar, dass der Mann eine diabetesgerechte Ernährung einzuhalten hat; einen speziellen Ernährungsplan, der bestimmte teurere Lebensmittel umfasst, hat er jedoch nicht zu befolgen. Es genügt, wenn er allgemein auf gesundheitsbewusste Kost – kohlenhydratarme Diät mit Gemüse und Ballaststoffen – achtet. Die ärztlich empfohlene Ernährung kann er auch ohne Erhöhung der Nothilfe beschaffen.
Bundesgericht 8C_603/2018 vom 15.3.2019
Eigenmächtiger Wechsel der Schule
Gemeinden können nicht zur rückwirkenden Übernahme des Schuldgelds für den Besuch einer auswärtigen Schule verpflichtet werden, wenn Eltern ohne hinreichenden Grund vorpreschen und ihr Kind aufgrund von Problemen in der Schule am Wohnort eigenmächtig eine Privatschule oder eine Schule in einer andern Gemeinde besuchen lassen. Ein ausreichender Grund kann dann gegeben sein, wenn bei einem Kind im Zeitpunkt des Schulwechsels aufgrund des anhaltenden sozialen Konflikts, insbesondere mit einem Mitschüler, von einer akuten Gefährdung des Kindswohls bei gleichzeitig grob pflichtwidriger Untätigkeit der Schulbehörden auszugehen ist. Im konkreten Fall hat das Bundesgericht einen rückwirkenden Anspruch auf Übernahme der mit dem Besuch der auswärtigen Schule verbundenen Kosten verneint.
Bundesgericht 2C_561/2018 vom 20.2.2019
Keine Herausgabe von MP3-Tonaufnahmen
Im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen versuchter Nötigung, übler Nachrede und Beschimpfung forderte ein erstinstanzlich verurteilter Täter im Zusammenhang mit dem hängigen Berufungsverfahren die Zustellung der Kopien der MP3-Tonaufnahme der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sowie die Zustellung von Kopien aller wesentlichen Unterlagen. Nach dem Schwyzer Kantonsgericht hat auch das Bundesgericht einen Versand der Akten und der Tonaufnahmen unter Hinweis auf Art. 102 StPO abgelehnt. Der Mann kann die MP3-Tonaufnahmen auf der Gerichtskanzlei abhören und dort auch Einsicht in die übrigen Akten nehmen. Das Argument des Betroffenen, aufgrund des Umfangs der Akten und der Öffnungszeiten der Gerichtskanzlei werde er an einer effektiven Ausübung der Einsichtnahme in die Akten und Tonaufnahmen gehindert, wenn er diese nur vor Ort einsehen könne, liess das Bundesgericht nicht gelten.
Bundesgericht 1B_7/2019 vom 13.3.2019