Radio- und TV-Verordnung verfassungswidrig
Die in der Radio- und Fernsehverordnung vorgesehene Zahl von nur sechs Tarifstufen für die Festlegung der geräteunabhängigen Unternehmensabgabe für Radio und Fernsehen erweist sich als verfassungswidrig. Zwar räumt das Bundesverwaltungsgericht ein, dass eine gewisse Schematisierung der Erhebung unumgänglich ist. Die Regelung führt jedoch dazu, dass ein Unternehmen mit 5,7 Millionen Franken Umsatz 0,04 Prozent seines Umsatzes bezahlen muss, während ein «Milliardenunternehmen» lediglich 0,004 Prozent und damit mindestens zehnmal weniger für die Radio- und Fernsehgebühr aufwenden muss. Das Gericht empfiehlt dem Bundesrat, die festgestellten Mängel zu analysieren und bald zu beheben. Das Urteil kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Bundesverwaltungsgericht A-1378/2019 vom 5.12.2019
Kleider verstecken ist Sachentziehung
Die Zürcher Justiz hat einen Mann zu Recht wegen Sachentziehung zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Der Mann versteckte nach einem gemeinsamen Saunabesuch die Kleider einer Bekannten und gab sie dieser trotz mehrfacher Bitte nicht mehr zurück. Den für eine Sachentziehung tatbeständsmässigen «erheblichen Nachteil» erblickt das Bundesgericht im Umstand, dass sich die Geschädigte anziehen wollte, was ihr während mindestens einer halben Stunde verwehrt worden war, sodass sie sich schliesslich mit den Kleidern ihrer Schwester behalf.
Bundesgericht 6B_1108/2019 vom 27.11.2019
Antizipierte Beweiswürdigungbei Scheinehe war unzulässig
Es ist grundsätzlich Sache der Behörden, eine Scheinehe nachzuweisen. Dass eine solche vorliegt, darf nicht leichthin angenommen werden. Entsprechende Indizien müssen klar und konkret sein. Allerdings wird der Untersuchungsgrundsatz der Migrationsbehörden durch die Mitwirkungspflicht der Parteien relativiert. Insbesondere bei bedeutsamen Hinweisen für eine Ausländerrechtsehe wird von den Eheleuten erwartet, dass sie von sich aus Umstände vorbringen und belegen, die den echten Ehewillen glaubhaft machen. In einer solchen Konstellation obliegt den Betroffenen der Gegenbeweis. Dies korreliert mit der Pflicht der Behörden, die ordentlich angebotenen Beweise abzunehmen. Verfassungsrechtlich unhaltbar ist es, in antizipierter Beweiswürdigung angebotene sachdienliche Beweismittel – im konkreten Fall Zeugenbefragungen von Nachbarn und Personen aus dem Umfeld – abzulehnen.
Bundesgericht 2C_613/2019 vom 14.11.2019
Gerichtsgebühr von 4500 Franken war zu hoch
Ein Autolenker kassierte eine Ordnungsbusse von 240 Franken, weil er in einem auf 80 km/h begrenzten Tunnel 17 km/h zu schnell gefahren war. Er zahlte die Busse nicht innert Frist, sondern erst, als der Fall bereits ins ordentliche Verfahren überwiesen worden war. Die Staatsanwaltschaft büsste daraufhin den Lenker mit Strafbefehl mit 240 Franken und auferlegte ihm 205 Franken Kosten. Diesen Entscheid akzeptierte der Lenker nicht. Das zuständige Regionalgericht führte eine Hauptverhandlung durch, bestätigte den Entscheid der Staatsanwaltschaft und bürdete dem Lenker eine Gerichtsgebühr von 4500 Franken auf. Für das Bundesgericht erweist sich diese Gebühr selbst bei zurückhaltender Ermessenskontrolle als nicht mehr vertretbar. Es sei «weder dargetan noch ersichtlich, wie sich die Gerichtsgebühr von 4500 Franken rechtfertigen liesse».
Bundesgericht 6B_1066/2019 vom 4.12.2019
Kein steuerfreier privater Kapitalgewinn
Ein Aktionär folgte der Offerte einer börsenkotierten Aktiengesellschaft, welche den Rückkauf eines Teils der eigenen Aktien beschlossen hatte, und verkaufte dem Unternehmen 708 Aktien aus dem Privatvermögen. Daraus erzielt er einen Erlös von 35 Euro pro Titel, dessen Nennwert sich auf 7 Euro belief. Kurze Zeit später setzte die Gesellschaft ihr Aktienkapital im Umfang der erworbenen eigenen Aktien herab. Die zuständige Steuerkommission stufte den Vorgang als Teilliquidation ein, weshalb sie die Differenz zwischen Rückkaufspreis und Nennwert – 28 Euro pro Aktie – aufrechnete. Für den Steuerzahler ergab sich ein Ertrag aus beweglichem Vermögen von fast 24 000 Franken. Das Bundesgericht hat nun bestätigt, dass dieser Vermögenszufluss keinen steuerfreien Kapitalgewinn darstellt, sondern als Vermögensertrag zu versteuern ist.
Bundesgericht 2C_1005/2019 vom 11.12.2019
Keine ungewöhnliche übermässige Lärmeinwirkung
Anlässlich eines Fussballspiels in Luzern detonierte ein Feuerwerkskörper der Sorte «Kreiselblitz mit Silberperlenschweif». Für einen Zuschauer hatte der Knallkörper, der in 20,3 m Entfernung detonierte, gravierende Folgen. Seither leidet der Mann an einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit und einem Tinnitus zweiten Grades. Die Swica verweigerte ihre Leistungspflicht aus Unfall, weil keine Trommelfellverletzung vorlag. Das Bundesgericht hat nun bestätigt, dass es an der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors mangelt, um von einem Unfall auszugehen. «Ein einmaliger, nur sehr kurz andauernder Schallexplosionswert von 112,2 bzw. von maximal 116,2 dB ist im Rahmen einer Fussballveranstaltung mit grosser Menschenansammlung, wo der Einsatz von Lärm verursachenden Gegenständen wie Petarden, Trillerpfeifen und Vuvuzelas üblich ist, jedenfalls nicht ungewöhnlich. Dies gilt unabhängig davon, von welcher Schallquelle der Lärmpegel stammt».
Bundesgericht 8C_545/2019 vom 14.11.2019
Beschimpfung via Einzahlungsschein
Nach einer Verurteilung zur Zahlung von knapp 2000 Franken an einen Widersacher überwies ein Mann das Geld mit neun Einzahlungsscheinen. In der Mitteilungsspalte jedes Einzahlungsscheins setzte er einen Grossbuchstaben ein; aus den neun Buchstaben lässt sich das Wort A.R.S.C.H.
L.O.C.H bilden. Dies trug dem Mann eine Verurteilung wegen Beschimpfung ein. Das Bundesgericht hat die Verurteilung zu einer bedingten Geldstrafe von fünf Tagessätzen zu 30 Franken bestätigt. Zwar lässt sich aus den neun Buchstaben auch das Wort Scholarch – den Leiter einer höheren Bildungsstätte – bilden. Aufgrund der Abfolge der eingezahlten Beträge und der jeweils angebrachten Buchstaben kam das Bundesgericht zum Schluss, dass der Mann seinen Widersacher beschimpfen wollte.
Bundesgericht 6B_1232/2019 vom 17.12.2019
Mutter war kein Opfer eines Schreckereignisses
Schreckbedingte, plötzliche Einflüsse auf die Psyche (sogenannte Schreckereignisse) können zwar als Einwirkungen auf den menschlichen Körper im Sinne des Unfallbegriffs anerkannt werden. Allerdings setzt die Annahme eines Unfalls voraus, dass es sich um ein aussergewöhnliches Schreckereignis, verbunden mit einem entsprechenden psychischen Schock, handelt. Der Fall betraf eine Mutter, deren Sohn Opfer eines Tötungsversuchs wurde. Es liegt kein Unfall vor, weil die Mutter weder in örtlicher noch zeitlicher Hinsicht in den unmittelbaren Geschehensablauf einbezogen war. Der Vorgang der lebensbedrohlich schädigenden Einwirkung war bei ihrer Rückkehr nach Hause bereits abgeschlossen und der Sohn wurde zu diesem Zeitpunkt bereits in einem der besten Spitäler der Schweiz mit allen notwendigen lebensrettenden Massnahmen versorgt.
Bundesgericht 8C_600/2019 vom 8.11.2019
Pädophiler Täter muss verwahrt werden
Sexuelle Verfehlungen gegenüber Kindern gehören prinzipiell zu den gravierenden Straftaten. Ein pädophiler Mann, der mehrfach wegen sexueller Handlungen mit Kindern oder dem Versuch dazu verurteilt wurde, muss deshalb verwahrt werden. Beim Betroffenen, der sich derzeit in einer stationären Massnahme befindet, besteht eine schwere psychische Störung im Sinne einer Pädophilie mit homosexueller Ausrichtung. Während über acht Jahren erfolgten therapeutische Bemühungen, ohne dass sich nennenswerte Wirkungen zeigten. Aufgrund seiner fehlenden Therapierbarkeit, des hohen Rückfallrisikos, der Gefährdung der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und der Schwere der zu erwartenden Delikte erweist sich eine Verwahrung als verhältnismässig. Das Anliegen der Öffentlichkeit am Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern geht dem Freiheitsanspruch des gefährlichen Täters vor.
Bundesgericht 6B_889/2019 vom 6.11.2019
Busse gegen Anwalt nach exorbitanter Betreibung
Die Solothurner Anwaltskammer hat gegen einen Rechtsanwalt zu Recht ein Disziplinarverfahren eröffnet und ihm wegen Verletzung der Berufsregeln im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA eine Busse von 1000 Franken sowie Verfahrenskosten in der Höhe von 6300 Franken auferlegt. Der Anwalt hatte gegen eine Versicherungsgesellschaft ohne sachlichen Grund innerhalb von zwei Monaten zwei exorbitante Forderungen in der Höhe von je 500 Millionen Franken in Betreibung gesetzt; realistischerweise hätte er lediglich Beträge im Promillebereich der in Betreibung gesetzten Forderungen für seine Klienten erzielen können. Damit ist er seiner Verpflichtung, exzessive Angriffe auf die Gegenpartei zu vermeiden, nicht nachgekommen und hat damit eine Eskalation des Streites in Kauf genommen. Ein solches Verhalten liegt nicht im Interesse der Mandanten und ist mit einer sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung nicht zu vereinbaren.
Bundesgericht 2C_507/2019 vom 14.11.2019