Busse für zu lauten Motorradfahrer
Gemäss Art. 42 Abs. 1 SVG hat der Lenker eines Fahrzeuges jede vermeidbare Belästigung von Strassenbenützern und Anwohnern zu unterlassen. Das gilt namentlich in Wohnquartieren und Erholungszonen sowie nachts. Das Bundesgericht bestätigte eine Busse von 300 Franken für einen Lenker, der mehrmals mit seinem Motorrad einen kurvenreichen Strassenabschnitt befahren hat, der unter Lenkern beliebt ist, weil er eine «gewisse Rennatmosphäre» entstehen lässt. Dass der Wald nicht speziell als Erholungsgebiet signalisiert ist, spielt keine Rolle. Indem der Motorradfahrer mehrmals in kurzen Zeitabständen und mit hoher Drehzahl in niedrigen Gängen durch den Wald fuhr, verursachte er vermeidbaren Lärm.
Bundesgericht 6B_1112/2018 vom 25.9.2019
Kein Familiennachzug für ausgereisten Türken
Ein 63-jähriger Türke darf nicht zu seiner Familie in die Schweiz einreisen, obschon er 28 Jahre in der Schweiz gewohnt und gearbeitet hatte. Vor 17 Jahren liess sich der Türke die Pensionskasse und die AHV-Beiträge – total 300 000 Franken – auszahlen und reiste ohne Familie in die Türkei. Dort investierte er das Geld in ein Haus, verlor aber einen Teil des Vermögens. Seit Jahren beantragt das Ehepaar, dass er zu seiner Ehefrau und den zwei erwachsenen Kindern in die Schweiz zurückkehren kann. Das Bundesgericht lehnt den Familiennachzug ab. Der Umstand, dass die psychisch angeschlagene Ehefrau durch die Pflege und Betreuung ihres schizophrenen Sohns stark belastet ist, ändere daran nichts. Als sich der Ehemann aus der Schweiz abmeldete, seien diese Schwierigkeiten bekannt gewesen. Ein Nachzug des Gatten erscheine derzeit nicht zwingend nötig.
Bundesgericht 2C_393/2019 vom 18.9.2019
Zufallsfunde dürfen verwertet werden
Die Luzerner Justiz hat mehrere Chauffeure aufgrund von Zufallsfunden zu Bussen zwischen 800 und 3000 Franken verurteilt, weil sie zu grosse Mengen Kies transportiert hatten. Die Behörden waren im Rahmen einer Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf Betrug und Urkundenfälschung auf Liefer- und Waagscheine gestossen und hatten dabei festgestellt, dass das zulässige Gesamtgewicht der Lastwagen auf verschiedenen Fahrten überschritten worden war. Das Bundesgericht bestätigte die Bussen und erinnert daran, dass bei einer Durchsuchung zufällig entdeckte Gegenstände, die mit der abzuklärenden Straftat nicht in Zusammenhang stehen, aber auf eine andere Straftat hinweisen, sichergestellt werden können. Solche Zufallsfunde könnten ohne Einschränkungen Anlass zur Eröffnung eines neuen Strafverfahrens geben und als Beweismittel verwendet werden, soweit die ursprüngliche Massnahme rechtmässig war.
Bundesgericht 6B_24/2019 bis 6B_28/2019 vom 3.10.2019
Keine Tierpension in der Wohnzone
Die Zürcher Gemeinde Elgg hat zwei Personen zu Recht die Bewilligung verweigert, gewisse Räume ihres Einfamilienhauses in eine Tierpension für 20 Hunde und 14 Katzen umzunutzen. Das Betriebskonzept sah vor, die Hunde in vier Gruppen zu halten, wobei die Tiere gruppenweise viermal täglich spazieren geführt und viermal täglich in den umzäunten Garten gelassen werden. Das fragliche Einfamilienhaus steht in der dreigeschossigen Wohnzone mit Lärmempfindlichkeitsstufe III, wo höchstens mässig störende Betriebe zulässig sind. Laut Bundesgericht ist es nicht willkürlich, sondern vielmehr naheliegend, dass die dauernde Präsenz von bis zu 20 Hunden und damit zwangsläufig verbundenen Immissionen zu Konflikten in der Umgebung führt, vor allem ausserhalb der üblichen Öffnungszeiten anderer Betriebe und an Wochenenden. Die geplante Tierpension ist in der fraglichen Wohnzone nicht zonenkonform.
Bundesgericht 1C_555/2018 vom 29.8.2019
Kneifen der Lehrtochter ist eine Tätlichkeit
Die Luzerner Justiz hat einen Lehrmeister der mehrfachen Tätlichkeiten schuldig gesprochen und mit einer Busse von 500 Franken bestraft. Der Wirt hatte seine Lehrtochter während Monaten gegen deren Willen immer wieder im Bereich der Taille gekniffen und ihr mit einem Notizbuch auf den Hintern geklopft. Vor Bundesgericht behauptete er, es lägen keine Tätlichkeiten vor, weil seine Handlungen keine Schmerzen verursacht hätten und er die Lehrtochter auch nicht in Schrecken versetzt habe. Seine Beschwerde blieb jedoch erfolglos. Laut Bundesgericht verkennt der Wirt, dass körperliche Schmerzen für die Qualifikation einer Handlung als Tätlichkeit nicht vorausgesetzt werden. Ebenfalls nicht ausschlaggebend ist, ob seine Handlungen die Lehrtochter in Schrecken versetzten. Es genügt, dass ihr sein Verhalten Missbehagen verursacht hat. Seine Handlung, insbesondere im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, ist «nicht als alltäglich und gesellschaftlich toleriert zu qualifizieren».
Bundesgericht 6B_227/2019 vom 13.9.2019
Verbot des Zwangs zu Selbstbelastung verletzt
Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Fussballhooligans nahm die Zürcher Justiz eine Hausdurchsuchung vor und stellte bei einer Person unter anderem ein Mobiltelefon sicher. Die betroffene Person verlangte noch an Ort und Stelle die Siegelung des Telefons. In der Folge forderte das Zwangsmassnahmengericht den Betroffenen auf, den Gerätesperrcode sowie den PIN-Code der SIM-Karte bekanntzugeben. Der Beschuldigte lehnte dies ab. Das Bundesgericht hat ihm nun recht gegeben. Im Strafverfahren ist niemand gehalten, zu seiner Belastung beizutragen. Der Beschuldigte ist aufgrund des Aussageverweigerungsrechts berechtigt, zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen. Indem das Zwangsmassnahmengericht davon ausging, die Mitwirkungsobliegenheit umfasse die Bekanntgabe der Codes, und indem es die Mitwirkungsverweigerung des Betroffenen mit dem Verlust der gesetzlich geschützten Geheimnisinteressen sanktionierte, übte es unzulässig indirekt Druck auf ihn aus, aktiv an seiner eigenen Überführung mitzuwirken. Dies verletzt das Verbot des Zwangs zu Selbstbelastung.
Bundesgericht 1B_376/2019 vom 12.9.2019
Unzulässige Verhinderung von Parallelimporten
Die Wettbewerbskommission hat die Vertriebspartner und Auslieferer von französischen Büchern zu Recht sanktioniert. Neun Unternehmen müssen insgesamt 14 Millionen Franken bezahlen. Vereinbarungen zwischen den neun Unternehmen und ihren Geschäftspartnern in Frankreich hatten zur Folge, dass Buchhandlungen und Detaillisten in der Schweiz zwischen 2005 und 2011 keine französischsprachigen Bücher aus dem Ausland – insbesondere aus Frankreich – beziehen konnten. Schweizer Buchhandlungen konnten also in Frankreich keine Bücher kaufen und von der Preisdifferenz zwischen dem französischen und dem schweizerischen Markt profitieren. Darin liegt ein Verstoss gegen Art. 5 Abs. 4 Kartellgesetz.
Bundesverwaltungsgericht B-3938/2013 vom 30.10.2019