Gebotener Anstand krass verletzt
Der ehemalige Thurgauer Kantonalpräsident der Schweizer Demokraten ist zu Recht wegen Rassendiskriminierung verurteilt worden. Er hatte im Internet zwei Artikel zu verantworten, in denen Muslime in gegen die Menschenwürde verstossender Weise diskriminiert wurden. Der Mann hatte gegen den Abteilungspräsidenten, Bundesrichter Christian Denys, ein Ausstandsbegehren gestellt. Denys habe «mit seinen haarsträubenden Politurteilen gezeigt», dass er kein unabhängiger Richter sein könne. Das Bundesgericht lehnte das Ausstandsbegehren ab und büsste den Mann mit 500 Franken Ordnungsbusse. Er hatte den Abteilungspräsidenten in seiner Beschwerde als «unmöglicher Dreckslügner» bezeichnet und damit den im Geschäftsverkehr gebotenen Anstand krass verletzt.
Bundesgericht 6B_620/2018 vom 9.10.2018
Arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht nicht verletzt
Eine Angestellte verlor am Arbeitsort das Bewusstsein und stürzte mit Kopf und Oberkörper auf ihren Bürotisch und sodann – nachdem ihr Bürostuhl nach hinten weggerollt war – kopfvoran auf den Boden. Dabei erlitt sie erhebliche Verletzungen. Die Frau klagte in der Folge gegen ihre Arbeitgeberin und forderte deren Haftung aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflichten. Das zuständige Gericht wies die Klage ab, weil es die Sicherheitsvorkehren im Betrieb als genügend ansah. Eine Mitarbeiterin stand der verunglückten Frau zur Seite und alarmierte sofort die speziell für medizinische Notfälle geschulte «Gruppe 144». Diese war innert 13 Sekunden vor Ort und leistete medizinische Hilfe, die nicht zu beanstanden war. Das Sicherheitsdispositiv im Betrieb ist damit einwandfrei.
Bundesgericht 4A_217/2018 vom 2.10.2018
Waadtländer Bettelverbot verfassungskonform
Das vom Grossen Rat des Kantons Waadt 2016 erlassene Bettelverbot hält vor der Bundesverfassung stand. Die Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch das Verbot sind verfassungs- und konventionsrechtlich zulässig. Der Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Menschenwürde und das Recht auf Hilfe in Notlagen sind ebenfalls nicht tangiert. Das Verbot dient der Wahrung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit und bezweckt den Schutz der Betroffenen vor der Ausbeutung im Rahmen von Netzwerken. Betteln fällt nicht in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit. Die Meinungsäusserungsfreiheit ist nicht tangiert, zumal Betteln auf eine Spende und nicht auf die Kundgabe einer Meinung zielt.
Bundesgericht 1C_443/2017 vom 29.8.2018
Frist trotz nachlässigem Anwalt wiederhergestellt
Hat eine Partei eine Frist versäumt und erleidet sie dadurch einen erheblichen und unersetzlichen Rechtsverlust, kann sie nach Art. 94 BGG die Wiederherstellung der Frist verlangen. Sie muss glaubhaft machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Fehler des Anwalts dem Mandanten zuzurechnen und stellt somit keine unverschuldete Säumnis dar. Die Ausnahme bestätigt nun diese Regel: Ein Bündner Anwalt hatte dem Mandanten mitgeteilt, die Berufungsfrist sei bereits abgelaufen. Das war aber nicht der Fall. Für den Mandanten war der krasse und vermeidbare Fehler nicht erkennbar. Da es um die im Strafregister einzutragenden Tatbestände der groben Verletzung von Verkehrsregeln und der Nötigung ging, traf laut Bundesgericht die Voraussetzung für eine Wiederherstellung der Frist zu.
Bundesgericht 6B_1111/2017 vom 7.8.2018
Querulatorische Eingabe kostete Anwalt 2000 Franken
In einer Scheidung erhob ein Anwalt für seinen Mandanten beim Berner Obergericht und später beim Bundesgericht Beschwerden wegen institutioneller Fehlbesetzung des Regionalgerichts. Auch die Besetzung des Bundesgerichts lehnte er wegen Verstosses gegen den Anspruch auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht ab. Der Anwalt war schon mehrfach mit den gleichen Vorbringen ans Bundesgericht gelangt. Die Richter befanden, er missbrauche «einen Mandanten für eigene Zwecke im Zusammenhang mit seiner privaten Kampagne in Sachen Gerichtsbesetzung». Es sei grob «rechtsmissbräuchlich, auf Kosten der Mandanten die gleiche Frage dem Bundesgericht wöchentlich neu vorzutragen». Die Beschwerde sei querulatorisch. Der Anwalt muss die Gerichtskosten von 2000 Franken tragen.
Bundesgericht 5D_56/2018 vom 18.7.2018
Sorgfaltspflichtverletzung ohne Folge für Anwalt
Ein Anwalt hatte im Zusammenhang mit einer baurechtlichen Bewilligung für eine sexgewerbliche Nutzung eines Hauses im Rotlichtquartier der Stadt Zürich eine Rekursschrift erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht. Die Baurekurskommission trat deshalb zufolge Fristversäumnisses nicht auf den Rekurs ein. Die Eigentümer des Rotlichtgebäudes klagten in der Folge gegen den Anwalt wegen Minderwert der Liegenschaft im Umfang von insgesamt über 1,4 Millionen Franken. Mit dem Zürcher Obergericht geht das Bundesgericht davon aus, dass zwar eine Sorgfaltspflichtverletzung des Anwalts vorliegt, dass der Rekurs aber auch bei rechtzeitiger Einreichung und materieller Beurteilung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht als begründet beurteilt worden wäre.
Bundesgericht 4A_163/2018 vom 21.9.2018
Besuchsrecht für die Grosseltern bejaht
Liegen ausserordentliche Umstände vor, so kann der Anspruch auf persönlichen Verkehr auch anderen Personen, insbesondere Verwandten, eingeräumt werden, sofern dies dem Wohle des Kindes dient. Die Bestimmung von Art. 274a ZGB will vor allem den persönlichen Kontakt zwischen den Grosseltern und dem Kind ermöglichen. Gestützt auf diese Bestimmung ist den Grosseltern eines heute siebenjährigen Kindes, dessen Vater vor einiger Zeit tödlich verunglückt ist, zu Recht ein Kontaktrecht – zwei Stunden alle zwei Monate – eingeräumt worden. Die Mutter des Kindes war dagegen, weil sie mit den Weltanschauungen und dem konservativen Familienbild der Grosseltern nicht klarkam.
Bundesgericht 5A_380/2018 vom 16.8.2018
Übermässige Gerichtsgebühr in Baustreit
Im Streit um den Bau zweier Mehrfamilienhäuser in Meilen ZH brummte das Zürcher Verwaltungsgericht der unterlegenen Gemeinde Meilen eine Gerichtsgebühr von 13 000 Franken auf. Für das Bundesgericht ist diese Gebühr für den baurechtlich durchschnittlich schwierigen Streit eindeutig zu hoch. Die Gebühr ist nicht mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, wonach die Gebühr in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der Leistung stehen muss. Erstaunlicherweise fiel die Parteientschädigung an die Gegenpartei rund vier Mal tiefer aus als die Gerichtsgebühr. Zudem hatte das Baurekursgericht trotz grösserem Arbeitsaufwand die Gebühr auf 8000 Franken festgesetzt. Das Bundesgericht hat die Gerichtsgebühr auf 8000 Franken reduziert.
Bundesgericht 1C_358/2017 vom 5.9.2018