Kein Quellenschutz für Dealer-Bericht
Eine Basler Journalistin kann sich für den von ihr porträtierten Cannabis-Dealer nicht auf Quellenschutz berufen. Die Betroffene hatte 2012 in der Basler Zeitung einen Artikel über «Roland» geschrieben, der mit Gras und Haschisch handelt und damit pro Jahr 12 000 Franken verdient. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eröffnete ein Verfahren gegen unbekannt wegen qualifizierte Betäubungsmitteldelikte. Die als Zeugin vorgeladene Autorin berief sich auf das Aussageverweigerungsrecht für Journalisten.
Laut Bundesgericht muss die Journalistin die Identität von «Roland» aber bekanntgeben. Der Anspruch auf Aussageverweigerung fällt weg, wenn es um die Aufklärung einer schwerwiegenden Straftat geht, was bei einem qualifizierten Betäubungsmitteldelikt der Fall ist. Ein solches liegt beim Handel mit weichen Drogen vor, wenn der jährliche Gewinn wie hier 10 000 Franken übersteigt. Die Pflicht zur Preisgabe der Identität von «Roland» ist auch verhältnismässig. Der Artikel erfüllt kein namhaftes öffentliches Interesse, da es nicht um die Aufdeckung eines politischen oder gesellschaftlichen Missstandes geht. Das Interesse an einer Aufklärung der Tat ist demgegenüber relativ gross, zumal «Roland» gemäss seinen eigenen Angaben Teil einer gross angelegten Verkaufsorganisation ist.
1B_293/2013 vom 31.1.2014
Kein «humanitärer» Ausgang für Mörder
Das Bundesgericht warnt vor «Betriebsblindheit» bei der Gewährung von «humanitären Ausgängen» für Straftäter. Der Fall betrifft einen Mann, der 1993 und 1994 zwei Menschen getötet hatte («Uzi-Killer») und dafür eine lebenslange Zuchthausstrafe verbüsst. Das Aargauer Verwaltungsgericht gewährte ihm 2013 jährlich vier begleitete Ausgänge aus humanitären Gründen. Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung hat die dagegen erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft gutgeheissen. Urlaub kann nur gewährt werden, wenn keine Gefahr mehr für Straftaten besteht. Die Erforschung der Gefährlichkeit des Täters stellt dabei das zentrale Problem dar.
Das fragliche Gutachten, auf das sich das Verwaltungsgericht stützt, folgt einer Methode, deren Aussagekraft für solche Prognosen als relativ gering eingeschätzt wird. Die Aussagen des Experten zeugen davon, dass er eher die Rolle des Therapeuten eingenommen hat. Der Begriff «humanitärer Ausgang» kommt im Gesetz so gar nicht vor und birgt die Gefahr in sich, dass die strengen Voraussetzungen für Vollzugslockerungen in Vergessenheit geraten oder übersehen werden. Es droht eine «Betriebsblindheit», bei der «Fragen im Sinne einer Erwartung interpretiert und vor allem Fragen nicht gesehen werden, die der Unbefangene sehen und stellen würde».
6B_664/2013 vom 16.12.2013
Von der Heide lächerlich gemacht
Der «Blick» hat mit einer Fotomontage die Persönlichkeit des Chansonniers Michael von der Heide verletzt. Der Sänger hatte am Eurovision Song Contest 2010 für die Schweiz nur zwei Punkte errungen und wurde Letzter. Gewonnen hatte Lena Meyer-Landrut für Deutschland. Der «Blick» veröffentlichte dazu auf der Frontseite eine Fotomontage, bei der auf den Körper von Meyer-Landrut passgenau der Kopf von Michael von der Heide gesetzt wurde. Daneben stand der Text: «Wir wollen auch eine Lena! …aber keine mehr von der Heide.» Gemäss der II. zivilrechtlichen Abteilung hat der «Blick» von der Heide damit öffentlich der Lächerlichkeit preisgegeben und ihn als Homosexuellen sowie für seinen Misserfolg als Sänger verhöhnt. Mit der Montage vom Kopf des offen schwul lebenden von der Heide auf den Körper der als fesch und attraktiv abgebildeten Lena sowie der im Text verwendeten weiblichen Form wird er «für den Durchschnittsleser als das dargestellt, was salopp und auch abwertend unter dem Begriff ‹Tunte› verstanden werden könne». Die Darstellung ist blosse Schmähkritik und lässt sich nicht als Satire oder Humor rechtfertigen. Bestätigt hat das Gericht auch die Höhe der von der Zürcher Justiz zugesprochenen Genugtuung von 5000 Franken.
5A_376/2013 vom 29.10.2013
Polizeiaktion am 1. Mai war Freiheitsentzug
Die polizeiliche Festhaltung von Personen zur Verhinderung einer 1.-Mai-Nachdemo 2011 in der Stadt Zürich ist als Freiheitsentzug (Art. 31 Abs. 4 BV) zu werten, womit betroffenen Personen entsprechender Rechtsschutz gewährt werden muss. Mehrere Hundert Personen waren im Raum Kanzleiareal/Helvetiaplatz zunächst während rund zweieinhalb Stunden eingekesselt und anschliessend an den Händen gefesselt in die Polizeikaserne überführt und bis zu dreieinhalb Stunden in Gewahrsam genommen worden.
Nach Ansicht der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung ist entgegen dem Zürcher Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass die polizeilichen Massnahmen in ihrer Gesamtheit einen Freiheitsentzug dargestellt haben und die Rechtmässigkeit der Polizeiaktion direkt und möglichst rasch von einem Gericht überprüft wird. Das muss das Zürcher Zwangsmassnahmengericht nun nachholen. Die zweieinhalbstündige Einkesselung alleine hat zwar noch nicht die Intensität eines Freiheitsentzugs erreicht. Im Zusammenwirken mit den folgenden Massnahmen (Fesselung, Gefangenentransport, Einsperrung in Zelle) liegt aber ein solcher vor.
U.a. 1C_350/2013 vom 22.1.2014
Nur Psychiater als Gutachter
Die gerichtliche Begutachtung von Straftätern ist Psychiatern vorbehalten. Gemäss dem Sitzungsentscheid der strafrechtlichen Abteilung ist bei Psychologen das Vorhandensein des erforderlichen Fachwissens nicht sichergestellt. Bei der Begutachtung stellen sich Fragen mit weitreichenden Konsequenzen. Der «Lead» für deren Beantwortung muss bei einem Psychiater liegen, unter anderem deshalb, weil sich zu Beginn einer Untersuchung die Frage nach medizinischen Ursachen einer mutmasslichen Störung des Täters stellt. Bei der Ausbildung von Psychologen hat zumindest bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Psychologieberufe im vergangenen Jahr ein gewisser «Wildwuchs» geherrscht.
Um die Befähigung eines Psychologen zum gerichtlichen Gutachter zu klären, müsste deshalb vorgängig der Gutachter selber begutachtet werden. Möglich, gegebenenfalls sogar geboten ist es, dass bei der psychiatrischen Begutachtung für die Beurteilung gewisser Aspekte eine psychologische Fachperson beigezogen wird.
6B_459/2013 vom 13.2.2014; schriftliche Begründung ausstehend
Waffenverbot für Türken rechtens
Das Waffenverbot für türkische Staatsangehörige in der Schweiz ist nicht diskriminierend. Laut Bundesgericht bezweckt die Aufnahme eines Staates auf die Länderliste zur Waffenverordnung, dass Konflikte im Ausland nicht durch Schweizer Waffen unterstützt werden und die Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Konfliktparteien in der Schweiz reduziert wird. Die Staatsangehörigkeit ist grundsätzlich ein zulässiges Anknüpfungsmerkmal für rechtliche Unterscheidungen, soweit sich diese auf ernsthafte Gründe stützten. Im Falle der Türkei schwelt nach wie vor ein bewaffneter Konflikt mit der PKK. Die Spannungen zwischen kurdischen Aktivisten und dem türkischen Staat haben sich nicht wesentlich entschärft. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Gewaltbereitschaft innerhalb der türkischen Diaspora-Gemeinde in Europa wieder ansteigt.
6B_722/2013 vom 14.1.2014
Kartellbusse für Gebietsabschottung
Vertraglich festgelegte Gebietsaufteilungen zwischen Unternehmen können gemäss Bundesverwaltungsgericht kartellrechtlich sanktioniert werden. Es hat die Busse der Weko über 4,8 Millionen Franken gegen die Elmex-Herstellerin Gaba für ihr bis 2006 geltendes Verbot von Parallelimporten gegen ihre Lizenznehmerin in Österreich bestätigt. Laut Gericht ist der fragliche Vertragspassus eine unzulässige vertikale Gebietsabrede im Sinne des Kartellgesetzes (KG). Eine schriftlich vereinbarte Klausel, die Parallelimporte in die Schweiz verbietet, ist von ihrer Natur her grundsätzlich als eine den Wettbewerb erheblich beeinträchtigende Abrede anzusehen.
Es ist zwar möglich, dass sich entsprechende Vertragsklauseln gestützt auf Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen, was vorliegend aber nicht gelungen ist. Abreden, die wie hier den Wettbewerb zwar nicht beseitigen, indessen erheblich beeinträchtigen, dürfen nach Massgabe von Artikel 49a KG sanktioniert werden.
B-506/2010 vom 19.12.2013