Biss auf Kirschstein war ein Unfall
Der Biss auf einen Kirschstein, der in einer hausgemachten Konfitüre war, gilt rechtlich als Unfall. Der von einer Waadtländerin erlittene Zahnschaden muss deshalb von ihrer Unfallversicherung übernommen werden. Diese hatte sich erfolglos auf den Standpunkt gestellt, dass bei selbst gemachter Konfitüre, bei der die Entkernung manuell oder mechanisch vorgenommen werde, mit Resten von Steinen gerechnet werden müsse. Laut Bundesgericht liegt im konkreten Fall jedoch ein «ungewöhnlicher äusserer Faktor» im Sinne des Unfallbegriffs von Art. 4 ATSG vor. Ob die Kirschen industriell oder manuell entsteint würden, mache keinen Unterschied. Es sei nicht ersichtlich, dass Ersteres zuverlässiger wäre.
9C_553/2013 vom 17.10.2013
Scham beseitigt Wettbewerb
Bei den verschreibungs-, aber nicht kassenpflichtigen Potenzmitteln Viagra, Cialis und Levitra besteht aufgrund des Werbeverbots und des «Schamfaktors» kein Preiswettbewerb innerhalb der jeweiligen Marke. Deshalb seien die Preisempfehlungen der Hersteller für ihr jeweiliges Medikament kartellrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die von der Wettbewerbskommission verhängten Bussen in der Höhe von 5,7 Millionen Franken gegen die Hersteller Bayer, Pfizer und Eli Lilly aufgehoben. Laut Gericht ergibt sich der fehlende Preiswettbewerb daraus, dass Publikumswerbung und damit Preisinformationen für verschreibungspflichtige Medikamente wie die betroffenen Potenzmittel untersagt ist. Hinzu kommt ausserdem der «Schamfaktor»: Es ist unwahrscheinlich, dass von Erektionsstörungen betroffene Männer in Apotheken oder bei Ärzten nach dem günstigsten Produkt für das ihnen verschriebene Potenzmittel nachfragen oder gar um Rabatte feilschen.
B-364/2010 vom 3.12.2013
Kein Toleranzabzug bei Atemtest
Auf dem Ergebnis der Atem-Alkoholprobe wird kein Toleranzabzug mehr gewährt. Seit 2005 liegt der Alkohol-Grenzwert für Fahrzeuglenker bei 0,5 Promille. Im Bereich zwischen 0,5 und 0,8 Promille genügt für den Nachweis der Angetrunkenheit eine Atemluftkontrolle. Gemäss früherer Rechtsprechung mussten wegen der Messungenauigkeit 20 Prozent in Abzug gebracht werden. Dafür ist laut einem aktuellen und erstaunlicherweise nicht als Leitentscheid aufgenommenen Urteil der Strafrechtlichen Abteilung unter den aktuellen Regelungen kein Platz mehr. Der Gesetzgeber hat gemäss Gericht bei geringen Werten von 0,5 bis 0,8 Promille ein vereinfachtes Kontrollsystem geschaffen, um den Alkoholgrad ohne intensiven Eingriff feststellen zu können. Dies kommt nicht zuletzt der kontrollierten Person zugute, der es offensteht, zu ihrer Entlastung eine Blutkontrolle zu verlangen. Anerkennt sie jedoch die Resultate der Atemluftkontrolle mit ihrer Unterschrift, darf der tiefere der zwei gemessenen Werte als erwiesen betrachtet werden.
6B_186/2013 vom 26.9.2013
Genugtuung für Hirschmanns Ex-Freundin
Das Gericht kann im Rahmen einer Persönlichkeitsklage, hier derjenigen der Ex-Freundin von Jetsetter Carl Hirschmann, darauf verzichten, ein Unterlassungsurteil auszusprechen, wenn sich ein Verbot infolge des Zeitablaufs nicht mehr als nötig erweist. Das Zürcher Obergericht ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Betroffene infolge der Medienberichterstattung über den Fall schon ausreichend Genugtuung erhalten hat und sich die Veröffentlichung der Entschuldigung von Hirschmann damit erübrigt. Laut Bundesgericht hat die Ex-Freundin Anspruch darauf, dass Dritte in gebührender Form vom begangenen Unrecht und der Entschuldigung Hirschmanns erfahren. Die Modalitäten der Veröffentlichung muss die Zürcher Justiz noch festlegen.
5A_309/2013 vom 4.11.2013
Keine Regelung des Sorgerechts auf Vorrat
Unverheiratete Eltern mit dem gemeinsamen Sorgerecht können die Betreuung ihres Kindes für den Fall einer künftigen Trennung nicht verbindlich zum Voraus regeln. Im konkreten Fall war bei einem Paar nach Auflösung des gemeinsamen Haushalts Streit über die Betreuung der Tochter entbrannt. Die Vormundschaftsbehörde am neuen Wohnort der Mutter legte die Regeln deshalb neu fest. Vor Bundesgericht pochte der Vater darauf, dass er mit seiner Ex-Freundin eine Abmachung zur Betreuung der Tochter getroffen habe, mit der exakt der jetzt eingetroffene Trennungsfall geregelt werden sollte. Diese Vereinbarung sei genehmigt worden. Es gehe nicht an, wenn jetzt neue Regeln festgelegt würden. Laut Bundesgericht müssen die zuständigen Behörden von Gesetzes wegen die Zuteilung des Kindes und damit auch die Betreuungsregeln anpassen, wenn dies wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse zum Wohl des Kindes geboten ist. Hier sei zu Recht davon ausgegangen worden, dass die frühere Regelung angesichts des Streits der Eltern dem Kindeswohl nicht mehr gerecht werde.
5A_198/2013 vom 14.11.2013
Verantwortlichfür Sturz im Bus
Der Fahrer eines Lieferwagens ist strafrechtlich verantwortlich für den Sturz einer Passagierin in einem Zürcher Linienfahrzeug. Der Lieferwagenlenker hatte bei einem Haltebalken kurz gestoppt und war anschliessend auf die Busspur gefahren. Beim Bremsmanöver des Linienfahrzeugs stürzte eine Passagierin und verletzte sich. Die Zürcher Justiz verurteilte den Lieferwagenlenker wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe. Vor Bundesgericht hatte der Betroffene erfolglos argumentiert, es müsse die Frage gestellt werden, ob ein solches Geschehnis nicht zum Risiko eines Buspassagiers gehöre, der sich nicht festhalte. Das Bundesgericht erinnert daran, dass ganz ausserordentliche Umstände vorliegen müssen, damit durch ein Mitverschulden des Opfers das Verhalten des Angeschuldigten als unmittelbarste Ursache in den Hintergrund gedrängt wird. Das sei hier nicht der Fall.
6B_286/2013 vom 14.10.2013
Verfahrensänderung verlangt
Das Beschlussorgan zur Planung der hochspezialisierten Medizin muss sein Verfahren ändern. In Bezug auf die Behandlung von Kindern mit schweren Verbrennungen hatte es 2011 in einem einzigen Schritt darüber entschieden, welche Behandlungen überhaupt der hochspezialisierten Medizin zuzuordnen sind und welchen Zentren der entsprechende Leistungsauftrag zugeteilt wird. Laut Bundesverwaltungsgericht muss es über diese beiden Bereiche künftig in je separaten Schritten befinden. Das einstufige Verfahren führe dazu, dass sich die betroffenen Spitäler zur Frage der Zuteilung nur insofern äussern könnten, wie der betroffene Behandlungsbereich überhaupt abschliessend definiert sei, wodurch das rechtliche Gehör verletzt werde.
C-6539/2011 vom 26.11.2013
Schweizer Fernsehen muss VgT-Spot senden
Das Schweizer Fernsehen hat zu Unrecht die Ausstrahlung eines Werbespots vom Verein gegen Tierfabriken (VgT) verwehrt, in dem es selber kritisiert wird. Der Spot enthält den Text «was das Schweizer Fernsehen totschweigt». Die SRG lehnte die Ausstrahlung wegen Rufschädigung ab, was von der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) als rechtmässig erachtet wurde. Das Bundesgericht hält fest, dass die SRG im Werbebereich an die Grundrechte gebunden und dabei zu einer neutralen, sachlichen Haltung verpflichtet ist. In diesem Rahmen müsse sie auch eine gewisse Kritik gegen sich selber zulassen. Der Werbespot des VgT falle in den Schutzbereich der Meinungsäusserungsfreiheit, für deren Beschränkung keine gesetzliche Grundlage bestehe. Der Spot sei auch nicht widerrechtlich. Die blosse Befürchtung der SRG, dass er ihrem Ruf abträglich sein könnte, rechtfertige die Sendeverweigerung nicht.
2C_1032/2012 vom 16.11.2013
pj