Unverhältnismässige Taschenkontrollen
Will ein staatlicher Betrieb wie die SBB die Belegschaft einzig darauf aufmerksam machen, dass der Diebstahl von Betriebsmaterial nicht erlaubt ist, erweist sich eine systematische Ausgangskontrolle der ganzen Belegschaft durch eine externe Sicherheitsfirma als unverhältnismässig. Um die Belegschaft zu sensibilisieren, sind weniger einschneidende Massnahmen möglich, so zum Beispiel innerbetrieblich angebrachte Plakate, eine Informationsveranstaltung oder ein Informationsschreiben.
Bundesverwaltungsgericht A-5761/2014 vom 15.7.2016
Elementare Pflichten des Anwalts
Es gehört zur elementaren Pflicht eines Rechtsanwalts, vor dem Senden einer elektronischen Eingabe sicherzustellen, dass die richtigen Anhänge beigefügt wurden. Es verhält sich analog zur Situation bei postalischer Übermittlung, wo sich der Absender vor der Übergabe der Sendung an die Post vergewissern muss, dass sich das gewünschte Dokument im Briefumschlag befindet. Eine Widerherstellung der Eingabefrist kann nicht gewährt werden.
Bundesgericht 4A_334/2016 vom 7.7.2016
Qualifizierte Persönlichkeitsstörung
Ein jugendlicher Täter, der im Alter von 16 Jahren eine junge Frau getötet hatte, wird zu Recht weiterhin fürsorgerisch in einer psychiatrischen Klinik untergebracht, obschon die jugendstrafrechtliche Massnahme mit Vollendung des 22. Lebensjahres – heute des 25. Lebensjahres – endete. Der Betroffene leidet an einer qualifizierten Persönlichkeitsstörung und stellt ohne Behandlung ein mittel- bis hochgradiges Risiko für Dritte dar.
Bundesgericht 5A_228/2016 vom 11.7.2016
Flughafen ist keine Bundesbehörde
Im Nachgang zu den Attentaten in Paris im November 2015 hatten die französischen Nachrichtendienste der Genfer Polizei Informationen über Personen übermittelt, die am Genfer Flughafen arbeiteten. Daraufhin wurde neun Mitarbeitern der Gepäckdienste die Zutrittsberechtigung entzogen, die in den Sicherheitszonen des Flughafens tätig waren. Das Bundesverwaltungsgericht ist auf Beschwerden gegen den Entzug des Ausweises nicht eingetreten, da der Flughafen nicht als Behörde des Bundes gehandelt hat.
Bundesverwaltungsgericht A-2437/2016 vom 21.7.2016
Kein Anspruch auf optimale Versorgung
Lebt und verbringt eine behinderte Person den grössten Teil ihrer Zeit in einem Wohnheim, besteht kein Anspruch auf die Finanzierung von behindertengerechten baulichen Massnahmen im Haus der Eltern. Laut Bundesgericht gibt es keinen Anspruch auf optimale Versorgung. Dass im konkreten Fall im Wohnheim keine Anpassungen erforderlich waren, weil die Institution von vorneherein für die Bedürfnisse der Bewohner eingerichtet war, gibt nicht die Möglichkeit, bauliche Massnahmen im Haus der Eltern durch die Invalidenversicherung finanzieren zu lassen.
Bundesgericht 9C_640/2015 vom 6.7.2016
Sekundenschlaf grobfahrlässig
Bei einem gesunden und nicht aus andern Gründen fahrunfähigen Lenker kann ein Einschlafen am Steuer – ein Sekundenschlaf – ohne vorherige subjektiv erkennbare Ermüdungserscheinungen ausgeschlossen werden. Wer solche Symptome missachtet, handelt grobfahrlässig. Fall eines Lenkers, der in einer Linkskurve geradeaus in eine Hausfassade fuhr. Der rückfällige Lenker muss den Führerausweis – erneute schwere Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz – für zwölf Monate abgeben.
Bundesgericht 1C_25/2016 vom 4.7.2016
Kein Sprachkurs auf Kosten der Arbeitslosenversicherung
Spricht ein Arbeitsloser gut Englisch und gibt es für ihn genügend Stellenangebote in der Region, für die vertiefte Französischkenntnisse nicht nötig sind, muss die Arbeitslosenkasse keinen Französischkurs bezahlen. Ein solcher Kurs gehört laut Bundesgericht zwar zum Wünschbaren, ist aber kein Muss und kann deshalb nicht als arbeitsmarktliche Massnahme gelten.
Bundesgericht 8C_222/2016 vom 30.6.2016
Tinner-Affäre: Millionenklage verwirkt
Vor sieben Jahren liess der Bundesrat Akten vernichten, die im Rahmen der Tinner-Affäre beschlagnahmt worden waren. Nun hat das Bundesgericht eine Klage eines Beteiligten abgewiesen. Der Mann hatte argumentiert, durch die Aktenvernichtung und damit durch den Verlust von Daten über Projekte, in denen sein ganzes Vermögen und alle BVG-Gelder steckten, sei ihm ein Schaden in Millionenhöhe entstanden. Das Bundesgericht hat die Klage wegen Verwirkung abgewiesen.
Bundesgericht 2E_2/2016 vom 23.6.2016
Klage gegen Anwalt wegen verpasster Frist erfolgreich
Weil ein ausländischer Klient trotz klaren Anweisungen die Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses in einem Wegweisungsverfahren verpasste und die Schweiz verlassen musste, klagte der Mann gegen seinen Anwalt auf Zahlung von Schadenersatz von fast 600000 Franken. Dass der Anwalt eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen hatte, weil er sich nicht vergewisserte, ob der Kostenvorschuss bezahlt worden war, war unbestritten. Doch fehlte es am Kausalzusammenhang, weil es überwiegend wahrscheinlich war, dass der Mazedonier nur in einer Scheinehe gelebt hatte. Allerdings muss der Anwalt dem Mann 23400 Franken zahlen, weil dieser 19 Monate früher aus der Schweiz ausgewiesen wurde und diese Summe in dieser Zeit hätte sparen können.
Bundesgericht 4A_49/2016 vom 9.6.2016
Hohe Sanktion gegen Elmex-Hersteller
Die Wettbewerbskommission hat gegenüber Colgate-Palmolive, der Herstellerin der Elmex-Zahnpflegeprodukte, zu Recht eine Sanktion über 4,8 Millionen Franken verfügt. Das Unternehmen hatte seine Lizenznehmerin in Österreich bis ins Jahr 2006 verpflichtet, keine Exporte von Elmex-Produkten in andere Länder zu tätigen. Damit war auch kein Parallelimport in die Schweiz mehr möglich. Dieses Vorgehen stellt laut Bundesgericht eine unzulässige, den Wettbewerb erheblich beeinträchtigende Wettbewerbsabrede dar und verstösst gegen das Kartellgesetz.
Bundesgericht 2C_180/2014 vom 28.6.2016
Hotels und Spitäler müssen Billag-Gebühren zahlen
Hotels, Gefängnisse, Spitäler und Vermieter von Ferienwohnungen müssen sich damit abfinden, dass sie – nebst den Billag-Gebühren – auch Urheberrechtsgebühren für den Empfang von Radio- und Fernsehsendungen bezahlen müssen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht jetzt auch fest, dass diese Gebühren rückwirkend seit dem Jahr 2013 erhoben werden dürfen.
Bundesverwaltungsgericht B-3865/2015 vom 7.7.2016
Strassvenverkehr: Kein Anfangsverdacht notwendig
Die Polizei setzt für die Kontrolle des Verkehrs auf öffentlichen Strassen nach Möglichkeit technische Hilfsmittel ein, so insbesondere bei der Kontrolle der Geschwindigkeit. Die Polizei darf dabei während der Geschwindigkeitsmessung zusätzlich mit einem am Lasermessgerät angebrachten Videogerät Aufzeichnungen machen. Die Videoaufzeichnung darf zur Plausibilitätsberechnung verwertet werden. Zur Legitimation polizeilichen Handelns im Rahmen von Verkehrskontrollen ist weder ein Anfangsverdacht noch ein hinreichender Tatverdacht verlangt.
Bundesgericht 6B_1143/2015 vom 6.6.2016
Entzug des Anwaltspatents war verhältnismässig
Ist es dem kantonalen Gesetzgeber gestattet, den Erwerb des Anwaltspatents von persönlichen Voraussetzungen abhängig zu machen, so kann er das Patent auch entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Da allerdings der Entzug des Anwaltspatents eine harte Massnahme ist, welche das berufliche Fortkommen empfindlich behindert und die Existenzsicherung in Frage stellen kann, darf der Entzug nicht unverhältnismässig sein. Das Urteil erging im Fall eines 66-jährigen Anwalts, gegen den Verlustscheine im Gesamtbetrag von mehr als 320000 Franken vorliegen.
Bundesgericht 2C_897/2015 vom 25.5.2016
Bremstests auf Strassen unzulässig
Öffentliche Strassen dürfen nicht für Bremstests missbraucht werden. Um ein neu eingebautes Bremssystem bei einem Ferrari 430 zu testen, führte ein Garagist auf der Autobahn A7 bei schwachem Verkehr und guten Sichtverhältnissen auf einer Strecke von 10 Kilometern insgesamt 16 Bremsungen von 120 km/h auf 20 km/h und 16 Bremsungen von 80 km/h auf 20 km/h durch. Das Bundesgericht hat die Verurteilung des Lenkers wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln bestätigt.
Bundesgericht 6B_1031/2015 vom 1.6.2016
Naturschutz zu Rechtsmitteln bei Einzonungen legitimiert
Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und andere Natur- und Heimatschutzorganisationen sind berechtigt, gegen Neueinzonungen von Bauland Rechtsmittel zu ergreifen. Mit der jüngsten Revision des Raumplanungsgesetzes vom 1. Mai 2014 hat der Gesetzgeber eine detaillierte Neuregelung der Ausweitung von Bauzonen vorgenommen. Das Bundesgericht vertritt nun die Auffassung, dass die Schaffung neuer Bauzonen als Bundesaufgabe anzusehen ist. Zur Durchsetzung solcher Bundesaufgaben mit Bezug zum Landschaftsschutz bejaht das Bundesgericht die Beschwerdelegitimation von Natur- und Heimatschutzorganisationen gestützt auf Artikel 12 des NHG.
Bundesgericht 1C_315/2015 und 1C_321/2015 vom 24.8.2016