Raser muss neun Monate hinter Gitter
Wer ausserorts 175 km/h statt 80 km/h fährt, gilt als Raser. Weil der Lenker zwischen 2006 und 2010 fünf Mal wegen Verkehrsdelikten – darunter Fahren in fahrunfähigem Zustand, Fahren trotz Führerscheinentzugs – verurteilt worden war, bestätigte das Bundesgericht eine 18-monatige teilbedingte Freiheitsstrafe, davon 9 Monate mit bedingtem Vollzug.
Bundesgericht 6B_1095/2014 vom 24.3.2015
EU-Richtlinien sind nicht direkt anwendbar
Seit 2013 ist die Flumroc AG, die Dämmprodukte aus Steinwolle herstellt, aufgrund der Verordnung über die Reduktion von CO2-Emissionen verpflichtet, am Emissionshandelssystem teilzunehmen. 2014 kürzte das Bundesamt für Umwelt die Flumroc zugeteilten kostenlosen Emissionsrechte um rund einen Viertel. Die einschlägige Regelung der Europäischen Union sehe die Berücksichtigung der indirekten Emissionen des Stroms vor, und zwar zu dem Wert, der dem europäischen Strommix entspreche. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine dagegen erhobene Beschwerde der Flumroc AG gutheissen und die Kürzung aufgehoben, da der strittige Anpassungsfaktor nicht auf einer EU-Verordnung, sondern lediglich auf einer EU-Richtlinie und einem darauf gestützten Entscheid der Kommission beruht und deshalb nicht direkt anwendbar ist.
Bundesverwaltungsgericht A-1919/2014 vom 26.3.2015
Keine Fälschung amtlicher Wertzeichen
Wer eine Autobahnvignette von der Frontscheibe ablöst, vorübergehend für den Zweitwagen verwendet und dann wieder am ursprünglichen Ort anbringt, begeht keine Fälschung amtlicher Wertzeichen und damit kein Vergehen, da er weder stoffliche Veränderungen vorgenommen noch die materielle Zusammensetzung verändert hat. Hingegen ist der Täter wegen einer Übertretung im Sinne von Art. 7 Abs. 4 lit. a des Bundesgesetzes über die Abgabe für die Benützung von Nationalstrassen zu bestrafen, weil er eine entwertete Vignette (Ablösung von der Frontscheibe) mehrfach benutzte.
Bundesstrafgericht SK.2014.51 vom 27.2.2015
Syrische Regimegegner gelten als Flüchtlinge
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich erneut mit der Entwicklung der menschenrechtlichen Lage in Syrien seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs auseinandergesetzt. Bereits einfache Teilnehmer an regimefeindlichen Demonstrationen, sollten sie von den staatlichen syrischen Sicherheitskräften identifiziert worden sein, sind einer Verfolgungsgefahr im Sinne des Flüchtlingsbegriffs nach Art. 3 des Asylgesetzes ausgesetzt und dementsprechend als Flüchtlinge zu behandeln, sofern keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht. Auch die Ehefrau hat Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling.
Bundesverwaltungsgericht D-5779/2013 vom 25.2.2015
Keine Haftung nach Schlittelunfall
Zwei Mädchen verunfallten mit einem gemieteten Holzschlitten auf einem beleuchteten Nachtschlittelweg. In einer Kurve kamen sie in einer Rechtskurve vom Schlittelweg ab und fuhren in einen Stall, wobei sich eines der Mädchen schwer verletzte. Das Bundesgericht hat bestätigt, dass die Bergbahn als Betreiberin des Schlittelwegs für den Unfall nicht haftet. Der Pistenverlauf im Unfallbereich war klar signalisiert, die Piste vor dem Stall mit roten Pfosten markiert und mit einem orangefarbenen Stocknetz abgegrenzt. Die Bergbahn hatte nicht damit zu rechnen, dass Pistenbenützer bei einer gut signalisierten Piste geradeaus auf den Stall zufahren.
Bundesgericht 4A_489/2014 vom 20.2.2015
Kürzung der Taggelder nach Sprung in kalten Fluss
Wer aus Übermut in einen acht Grad kalten Fluss springt, von der Strömung mitgerissen wird und nur dank der Feuerwehr fünf Kilometer weiter unten aus dem Fluss gerettet werden kann, handelt grobfahrlässig. Die Unfallversicherung darf die Taggeldleistungen während zwei Jahren nach dem Unfall kürzen.
Bundesgericht 8C_873/2014 vom 13.04.2015
Verbotenes Überfahren der Leitlinie
Wer nach links abbiegen will, hat sich gegen die Strassenmitte zu halten und den entgegenkommenden Fahrzeugen den Vortritt zu lassen. Der Fahrzeugführer darf beim Einspuren nach links den für den gesamten Gegenverkehr bestimmten Raum nicht beanspruchen. Diese Vortrittsregeln gelten auch bei auf dem Radweg entgegenkommenden Radfahrern. Der konkrete Fall betrifft einen Lenker, der die Gegenfahrbahn überquerte, aber vor dem Radweg anhielt. Eine Velofahrerin erschrak, unternahm zur Verhinderung der aus ihrer Sicht drohenden Kollision eine Vollbremsung und stürzte. Der fehlbare Automobilist ist zu Recht wegen verbotenen Überfahrens der Leitlinie beim Linksabbiegen zu 150 Franken Busse verurteilt worden.
Bundesgericht 6B_10/2015 vom 24.3.2015
Ausweisentzug nach Trunkenheit im Ausland
Ein Automobilist aus dem Kanton Schwyz war in Kitzbühel (A) in eine Polizeikontrolle geraten. Die Untersuchung der Atemluft auf Alkohol ergab einen Wert von 0,45 mg/l. Der Mann erhielt ein einmonatiges Lenkverbot in Österreich und von den Schwyzer Entzugsbehörden ein dreimonatiges, da ein Atemalkoholgehalt von 0,45 mg/l einem Blutalkoholgehalt von 0,9 Promille entspricht. Auf Beschwerde hin liess es das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz bei einer Verwarnung bewenden. Die 0,9 Promille seien mit dem Atemlufttest nicht bewiesen. Eine Beschwerde des Strassenverkehrsamts dagegen hat das Bundesgericht nun gutgeheissen und drei Monate Ausweisentzug verfügt.
Bundesgericht 1C/271/2014 vom 20.2.2015
Kartause Ittingen: Volksabstimmung nötig
Der Kredit von 4,6 Mio. Franken zur klimatischen Sanierung von Ausstellungsräumen des Thurgauer Kunstmuseums in der Kartause Ittingen (TG) muss dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden. Der Thurgauer Grosse Rat hätte den Kredit nicht als «gebundene» Ausgabe qualifizieren und dem Finanzreferendum entziehen dürfen, weil die geplante Sanierung Teil des Gesamtprojekts zur Erweiterung und Modernisierung des Kunstmuseums ist.
Bundesgericht 1C_887/2013 vom 15.04.2015
Pflicht zur Mitwirkung bei Patentanmeldung
Bei der Patentanmeldung eines Kaffeekapselsystems in den USA wurden die drei Miterfinder vom Arbeitgeber gebeten, zwei Dokumente zu unterzeichnen, worin sie bestätigten, dass sie an der Erfindung beteiligt waren. Einer der drei Miterfinder weigerte sich, weil er dadurch in den USA möglicherweise für allfällige Forderungsklagen passivlegitimiert werden könnte. Obwohl der Arbeitgeber erklärte, ihn vor sämtlichen Ansprüchen Dritter schadlos zu halten, verweigerte er die Unterschrift. Nach dem Bundespatentgericht hat nun auch das Bundesgericht bestätigt, dass der Mann zur Unterschrift verpflichtet ist. Das Gericht stützt sich auf Art. 321a Abs. 1 OR, wonach Angestellte die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren haben. Laut Bundesgericht besteht die Pflicht zur Mitwirkung über das Arbeitsverhältnis hinaus, wenn wie in diesem Fall bei einer Patentanmeldung eine Erklärung des Erfinders verlangt wird.
Bundesgericht 4A_688/2014 vom 15.04.2015
Zu nah an Fussgänger vorbeigefahren
Gemäss Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern genug Abstand zu wahren – insbesondere auch bei Fussgängern. Der Abstand richtet sich nach der Breite der Fahrbahn, den Verkehrs- und Sichtverhältnissen, der Geschwindigkeit des Fahrzeugs sowie dem Alter und dem Verhalten der Fussgänger. Ein Abstand von 50 cm beim Überholen eines Fussgängers kann in einer engen Gasse und bei geringer Geschwindigkeit genügen. Wer jedoch überraschend und rasant mit 50 cm Abstand an einem Fussgänger vorbeifährt, begeht ein gefährliches Manöver und damit eine grobe Verletzung von Verkehrsregeln.
Bundesgericht 6B_821/2014 vom 02.04.2015
Mangelhafte oder fehlende Schutzvorrichtungen
Der Hauptaktionär und Geschäftsführer eines Unternehmens ist zu Recht zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 130 Franken verurteilt worden, weil in seinem Betrieb die Schutzvorrichtungen bei mehreren Maschinen nicht funktionierten. Ein Mitarbeiter hatte Wartungsarbeiten an einer CNC-Drehbank durchgeführt. Durch einen Fehlgriff setzte er die Maschine in Gang, sodass sein Kopf und sein Arm eingeklemmt wurden. Dass der Mitarbeiter vom Sicherheitsmangel wusste, entlastet den Firmenchef nicht.
Bundesgericht 6B_287/2014 vom 30.03.2015
Entschädigung für ungerechtfertigte Haft
Ein Mann hatte sich bereit erklärt, für seinen Schwager einen Koffer aufzubewahren. Noch bevor der Koffer eintraf, wurden die Boten von der Polizei abgefangen. Der Koffer enthielt mehrere Kilogramm Heroin, der Mann kam 122 Tage in Untersuchungshaft. Die Thurgauer Justiz sprach ihn in der Folge vom Vorwurf des Drogenhandels frei, das Obergericht verweigerte ihm aber eine Entschädigung, weil er von einem «illegalen Inhalt» habe ausgehen müssen. Das Bundesgericht war anderer Meinung, da der Mann vom Vorwurf des Drogenhandels freigesprochen worden und keiner weiterer Delikte angeklagt war. Das Thurgauer Obergericht des Kantons Thurgau muss nun über die Höhe der Entschädigung und der Genugtuung befinden.
Bundesgericht 6B_499/2014 vom 30.03.2015