20 Minuten pro Katze geht zu weit
Im Zuge mehrerer Kontrollen in einem Katzenasyl mit rund 80 Katzen stellte das zuständige Veterinäramt fest, dass Defizite in Bezug auf Pflege, medizinische Betreuung und Beschäftigung mit einzelnen Katzen sowie verschiedene Hygiene- und Infrastrukturmängel vorhanden waren. Das Amt ordnete deshalb unter anderem einen täglichen 20-minütigen Umgang mit jeder einzelnen Katze an. Eine feste zeitliche Grenze von 20 Minuten pro Katze ist nach Meinung des Bundesgerichts nicht zwingend erforderlich. Der tägliche Zeitaufwand ist vielmehr an die individuellen Bedürfnisse jeder einzelnen Katze anzupassen. «Es genügt, wenn der Zustand der Tiere täglich kontrolliert bzw. dafür gesorgt wird, dass die Katzen über ihren Bedürfnissen angepasste Beschäftigungsmöglichkeiten und Sozialkontakte zu Menschen und Artgenossen verfügen.»
Bundesgericht 2C_416/2020 vom 10.11.2020
Ausnahmsweiser Verzicht auf öffentliche Verhandlung
Nach Art. 6 EMRK muss ein Fall einmal vor Gericht öffentlich verhandelt werden. Aus Zweckmässigkeitsgründen kann das Gericht aber ausnahmsweise auf eine öffentliche Verhandlung verzichten. Dies ist in folgenden Fällen zulässig: Der Fall ist nicht von öffentlicher Bedeutung, der Sachverhalt ist unumstritten, keine schwierigen Rechtsfragen stehen zur Diskussion oder mit der öffentlichen Verhandlung wird das Verfahren ungebührlich verlängert. Fall eines Berner Anwalts, der sich als Mobbingopfer eines Teils der bernischen Justiz sieht. Er war im Anwaltsregister gelöscht worden, weil mehrere Verlustscheine gegen ihn bestanden. Da der Streit rechtlich nicht komplex und die Rechtslage unbestritten und klar war und es sich auch nicht um einen besonders bedeutenden Fall handelte, durfte das Berner Verwaltungsgericht auf eine öffentliche Verhandlung verzichten.
Bundesgericht 2C_305/2020 vom 30.10.2020
Keine Waffengleichheit beim Einkaufstourismus
Um die Marktverzerrung mit Geschäften jenseits der Grenze zu beseitigen, berechnete ein Optikergeschäft im grenznahen Gebiet seinen Kunden für Käufe unter 300 Franken keine Mehrwertsteuer. Die Eidgenössische Steuerverwaltung akzeptierte dieses Vorgehen nicht und belastete die entsprechenden Beträge nach. Vor Bundesgericht rügte das Optikergeschäft, die Freigrenze von 300 Franken bei Einkäufen im Ausland stelle eine Subventionierung des Einkaufstourismus dar und sei gesetzes- und verfassungswidrig. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab. Einerseits sieht die Zollgesetzgebung vor, dass die Einfuhr von «Gegenständen in kleinen Mengen, von unbedeutendem Wert oder mit geringfügigem Steuerbetrag» steuerbefreit ist. Die im Reiseverkehr verordnete Wertfreigrenze erscheine noch vertretbar und die daraus resultierende Wettbewerbsverzerrung (gut 23 Franken bei 300 Franken) sei nicht übermässig.
Bundesgericht 2C_683/2020 vom 1.12.2020
Verletzung des Anwaltsmonopols
Das Obergericht des Kantons Zürich hat einen ehemaligen Rechtsanwalt wegen vorsätzlicher Übertretung des Zürcher Anwaltsgesetzes zu einer Busse von 600 Franken verurteilt. Der heute als Rechtsberater tätige Mann hatte die Ehefrau eines Bekannten in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit vor dem Friedensrichter und dem Bezirksgericht Bülach vertreten. Vor Bundesgericht hatte er geltend gemacht, die Verurteilung sei aufzuheben, da er mit dem Ehepaar befreundet und unentgeltlich tätig gewesen sei. Zudem müsse er «als beruflich qualifizierter Vertreter» im Sinne von Art. 68 der Zivilprozessordnung eingestuft werden, weshalb er vor Arbeits- und Mietgerichten zur berufsmässigen Vertretung befugt sei. Das Bundesgericht wies alle Einwände ab und bestätigte die Verurteilung.
Bundesgericht 6B_1167/2020 vom 3.12.2020
Namensschilder bleiben für Zugbegleiter obligatorisch
Die Zugbegleiter der SBB bleiben verpflichtet, ein Namensschild – enthaltend Funktion, ersten Buchstaben des Vornamens und vollen Nachnamen – zu tragen. Das Bundesverwaltungsgericht wies eine Beschwerde eines SBB-Angestellten ab, der argumentiert hatte, das Schild verstosse gegen das Persönlichkeitsrecht und verletze seine Privatsphäre. Er führte zudem an, von einem Reisenden körperlich angegriffen worden zu sein und Morddrohungen erhalten zu haben. Er forderte deshalb, ein anonymisiertes Schild tragen zu dürfen, was die SBB und nun auch das Bundesverwaltungsgericht ablehnten. Die geltende Regelung verstosse weder gegen übergeordnetes Recht, noch sei sie unverhältnismässig, befand das Gericht. Unter gewissen Voraussetzungen können Angestellte der SBB ein Namensschild mit einem fiktiven Namen beantragen.
Bundesverwaltungsgericht A-6331/2018 vom 12.11.2020
Mängel eines Porsches arglistig verschwiegen
Vor zehn Jahren verkaufte ein Oldtimerhändler einem Kunden einen Porsche aus dem Jahr 1960 zum Preis von 79 000 Franken. Er pries das Fahrzeug in Inseraten als «sorgfältig und mit Originalteilen» repariert an. Im Kaufvertrag war jede Gewähr für Sachmängel – ausgenommen für vertraglich zugesicherte Eigenschaften – ausgeschlossen. Sechs Jahre nach dem Kauf erhob der Käufer Mängelrüge und verlangte Minderung des Kaufpreises infolge «absichtlicher Täuschung». Die Thurgauer Justiz hiess die Klage des Käufers auf Ersatz des Minderwerts in Höhe von 60 000 Franken gut. Mit den Vorinstanzen hat das Bundesgericht bestätigt, dass der Verkäufer Mängel des Porsches arglistig verschwiegen hatte. Am Oldtimer waren unfachmännische Flickarbeiten – unterrostete Front, verrostete Karosserieteile, unfachmännische Schweissarbeiten, unzulässige Popnieten – ausgeführt worden, was der Verkäufer wusste, als er den Vertrag abschloss.
Bundesgericht 4A_514/2020 vom 2.11.2020
Willkürliche Wegweisung im Kanton Thurgau
Die Thurgauer Kantonspolizei hat in willkürlicher Weise zwei Personen vom Stadtgebiet Kreuzlingen weggewiesen und ihnen zwei Tage lang den Aufenthalt in Kreuzlingen verboten. Die beiden Personen hatten auf öffentlichem Grund Passanten angesprochen, um über den Islam zu diskutieren. Vor Bundesgericht wehrten sie sich mit dem Argument, es sei nicht haltbar, gestützt auf den Umstand, dass bei ihnen nebst anderem Material eine CD mit den Aufschriften «Der edle Koran auf deutsch» und «Lies!» gefunden wurde, auf eine extremistische Gesinnung zu schliessen. Dem stimmte das Bundesgericht zu. Der Vorwurf, es sei für extremistische und die geltende Rechts- und Gesellschaftsordnung negierende Ansichten und Haltungen geworben worden, erweist sich als unhaltbare Beweiswürdigung.
Bundesgericht 1C_515/2019 vom 13.11.2020
Berufskrankheit wegen Strahlenbelastung verneint
Ein ehemaliger Anlagenoperateur im Kernkraftwerk Leibstadt erkrankte an Krebs. Die Ärzte diagnostizierten ein Harnblasen- und Prostatakarzinom. Der Mann forderte 2016 Leistungen der Suva. Er argumentierte, die Krebserkrankung müsse als Berufskrankheit angesehen werden. Die Suva verneinte ihre Leistungspflicht, was das Zürcher Sozialversicherungsgericht bestätigte. Der Fall landete – nach einem Umgang beim Bundesgericht – ein zweites Mal in Zürich. Nach Einholung eines strahlenbiologischen Gutachtens kam das Gericht erneut zum Schluss, dass die aufgetretenen Karzinome weniger als zu 50 Prozent (sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich weniger) durch die berufliche Strahlenexposition verursacht worden sind und deshalb keine Berufskrankheit vorliege. Das Bundesgericht bestätigte diese Auffassung.
Bundesgericht 8C_570/2020 vom 2.11.2020
Löschung aus dem kantonalen Anwaltsregister
Ein Freiburger Anwalt hatte über zwei Dutzend ungetilgte Verlustscheine über 30 000 Franken. Gestützt darauf strich ihn die Anwaltskommission im kantonalen Anwaltsregister. Der Anwalt wehrte sich bis vor Bundesgericht und argumentierte, es handle sich um private und nicht um geschäftliche Schulden, er führe die verschiedenen Konten getrennt, weshalb für das Publikum kein Risiko bestehe, dass er Gelder nicht zurückzahlen könne. Das Bundesgericht war anderer Ansicht. Auch bei privaten Schulden bestehe für das Publikum das Risiko, dass ein Rechtsanwalt auf geschäftliche Mittel zurückgreifen könnte, um seine private finanzielle Situation – allenfalls auch nur vorübergehend – zu sanieren mit der Folge, dass die Gelder der Klienten ebenfalls gefährdet wären und ihr Vertrauen zum Anwalt untergraben würde. Entgegen der Meinung des Anwalts bestehe auch keine Ungleichheit gegenüber Anwaltsgesellschaften. Bestehen nämlich gegen einen – im Rahmen einer Anwaltsgesellschaft – tätigen Rechtsanwalt Verlustscheine für dessen private Schulden, könne sein Eintrag im Register ebenfalls gelöscht werden.
Bundesgericht 2C_735/2020 vom 30.10.2020
Besonders gefährlicher Raub bejaht
Die Basler Justiz hat einen Täter zu Recht wegen qualifizierten Raubes verurteilt. Der Mann hatte ein Lebensmittelgeschäft in einer unbelebten Strasse kurz vor Ladenschluss am Abend aufgesucht. Er trug dabei Latexhandschuhe, ein Halstuch sowie eine Sonnenbrille und war mit einem Messer ausgerüstet. In der Folge hielt er dem Opfer das Messer – nicht mit der Klinge, sondern mit dem stumpfen Teil – an die Seite des Halses. Trotzdem bestand die konkrete Gefahr einer ungewollten Verletzung des Opfers. Eine unbedachte Bewegung oder ein Stolpern des Täters oder des Opfers hätte zu schweren Verletzungen führen können. Aufgrund des erheblichen Alkoholkonsums des Täters war das Risiko unkontrollierter Handlungen zusätzlich erhöht. Der Unrechts- und Schuldgehalt des vom Täter verübten Raubes wiegt besonders schwer. Nicht massgebend ist, dass der Täter sein Opfer nicht verletzen wollte.
Bundesgericht 6B_626/2020 vom 11.11.2020