Teleskop-Schlagstock ist eine Waffe
Im Rahmen einer Zollkontrolle fanden Zöllner im Auto eines Schweizers einen Teleskop-Schlagstock im Ablagefach der Türe auf der Fahrerseite. Gegen den Unternehmer mit einer eigenen Firma und einem Vermögen von 200 Millionen Franken wurde daraufhin wegen illegalen Waffenbesitzes eine Busse von 3000 Franken verhängt. Vor Bundesgericht argumentierte der Mann, die Tatsache, dass ein Teleskop-Schlagstock als erlaubnispflichtige Waffe gelte, sei für einen Laien oder einen Nichtjuristen alles andere als offensichtlich. Solche aus China stammenden Teleskop-Schlagstöcke könnten im Internet für ein paar Franken erworben und – ohne Probleme beim Zoll – in die Schweiz eingeführt werden. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen. Der Mann habe die Waffe mit Wissen und Willen gekauft und in seinem Fahrzeug deponiert, um im Bedarfsfall davon Gebrauch zu machen.
Bundesgericht 6B_1058/2021 vom 4.4.2022
Briefzensur ist kein Verstoss gegen Bankgeheimnis
Eine Person, die sich seit Jahren im Verwahrungsvollzug befindet, stellte beim Amt für Justizvollzug des Kantons Aargau den Antrag, seine ein- und ausgehende Bankkorrespondenz solle nicht mehr kontrolliert, sondern künftig ungeöffnet weitergeleitet werden. Durch das Öffnen seiner Bankkorrespondenz werde das Bankgeheimnis verletzt. Zudem würden beim Verwahrungsvollzug weniger rigide Regelungen gelten als im Strafvollzug. Das Bundesgericht räumt ein, dass es Bestrebungen gibt, wonach sich der Verwahrungsvollzug vom Strafvollzug unterscheiden soll. Eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen habe jedoch noch nicht stattgefunden. Zudem ist die angestrebte Nichtüberwachung der Bankenkorrespondenz auch unter Praktikabilitätsgründen zu betrachten: Zumindest die eingehende Post einer Bank wird nicht als solche gekennzeichnet und ist demnach nicht als solche erkennbar. Auch die hohen öffentlichen Interessen an einem funktionierenden und sicheren Anstaltsbetrieb würden die Einschränkung rechtfertigen.
Bundesgericht 6B_264/2021 vom 30.3.2022
Zulässige Einschränkung der Bewegungsfreiheit
Die Genfer Justiz hat einer Rumänin ohne Aufenthaltsbewilligung, die mehrfach gegen das Bettelverbot und andere Delikte verstossen hatte, zu Recht verboten, das Gebiet der Stadt Genf zu betreten. Sie darf nur noch einen kleinen Korridor benutzen und sich kurze Zeit im Quartier Bains aufhalten, um ihre in Genf eingeschulte Tochter (ebenfalls ohne Aufenthaltsbewilligung) zur Schule zu bringen und sie dort wieder abzuholen. Entgegen der Auffassung der Rumänin liegt diese Eingrenzung im Rahmen von Artikel 74 des Ausländer- und Integrationsgesetzes und ist nicht unverhältnismässig. Die Massnahme diene dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Auch verstosse die Massnahme nicht gegen Artikel 5 der EMRK (Einschränkung der Freiheit): Die Rumänin sei nicht verpflichtet, im Kanton Genf zu bleiben, und könne sich jederzeit in ihr Heimatland begeben.
Bundesgericht 2C_762/2021 vom 13.4.2022
Griechenland: Strengere Kriterien bei Überstellungen
Ein neues Gesetz in Griechenland hat weitreichende Auswirkungen auf die Situation von anerkannten Schutzberechtigten: So erhalten Asylsuchende 30 Tage nach Erlass eines positiven Asylentscheids keine Leistungen mehr. Der Zugang zu einer Unterkunft, zur Gesundheitsversorgung, zum staatlichen Sozialsystem ist ein grosses Problem. Trotzdem hält das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug der Wegweisung nach Griechenland grundsätzlich für zulässig. Einschränkungen gibt es jedoch für Familien mit Kindern, unbegleitete Minderjährige und schwer erkrankte Personen. Das Staatssekretariat für Migration ist gehalten, in solchen Fällen vertiefte Abklärungen vorzunehmen.
Bundesverwaltungsgericht E-3427/2021 und E-3431/2021 vom 28.3.2022
Kein Werkvertrag, sondern schwergewichtig ein Auftrag
Ein Shisha-Unternehmen hatte mit einem Hotel einen Vertrag über einen Shisha-Service abgeschlossen. Die Dienstleistung bestand darin, dass die Shisha-Leute auf Bestellung der Gäste auf dem Hotelareal Wasserpfeifen konsumfertig vorbereiteten und den Gästen durch eigenes Personal anschliessend servierten. Das Berner Handelsgericht stufte die Vereinbarung als Werkvertrag ein und sprach dem Shisha-Unternehmen 90 000 Franken zu, weil das Hotel zur Unzeit vom Vertrag zurückgetreten sei. Anders sieht es das Bundesgericht. Das Vertragsverhältnis sei nicht als Werkvertrag, sondern als gemischter Vertrag zu qualifizieren, bei dem die auftragsrechtlichen Elemente dominieren würden. Die Rechtsfolgen seien aus diesem Grund grundsätzlich nach Artikel 404 OR zu beurteilen, sofern dessen Bestimmungen als sachgerecht erscheinen.
Bundesgericht 4A_436/2021 vom 22.3.2022
Liegenschaftenverkauf war nicht gewerbsmässig
Vor zehn Jahren verkaufte der Inhaber eines Maler- und Gipsergeschäfts eine Liegenschaft im Kanton Zürich an eine Pensionskasse zum Preis von 2,6 Millionen Franken. Er hatte die Liegenschaft zwölf Jahre vorher zum Preis vom 765 000 Franken erworben. Die Zürcher Steuerbehörden stuften den Verkauf nicht als privaten Kapitalgewinn, sondern als im Rahmen eines gewerbsmässigen Liegenschaftenhandels erzielten Erlös ein. Das Zürcher Verwaltungsgericht stiess diesen Entscheid um. Es ging davon aus, dass das Ehepaar nur sein privates Vermögen verwaltet hatte und es mangels einer Gewinnabsicht an einem gewerblichen Charakter fehlt. Die Liegenschaft war nicht über einen eigenen Marktauftritt veräussert worden; vielmehr hatte die Pensionskasse als Eigentümerin einer Nachbarparzelle eine Quartierumgestaltung geplant und wollte diese Parzelle zur Optimierung dieses Vorhabens unbedingt erwerben.
Bundesgericht 2C_702/2020 vom 21.4.2022
Landesverweis für türkischen Raser bestätigt
Ein 38-jähriger Türke aus dem Kanton Soluthurn wird definitiv für sieben Jahre des Landes verwiesen. Der teilinvalide Mann, der praktisch sein ganzes Leben in der Schweiz verbrachte, hatte vor fünf Jahren eine Raserfahrt unternommen. Er überschritt dabei während einer rund zwei Minuten dauernden Fahrt unter anderem die Innerortsgeschwindigkeit von 50 km/h um 64 km/h, die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 50 km/h und die Ausserortsgeschwindigkeit von 80 km/h um satte 134 km/h. Zudem überholte der Fahrer trotz Gegenverkehr mit übersetzter Geschwindigkeit ein Auto. Die Fahrt wurde von seinem Cousin, der auf der Rückbank des Autos sass, mit der Kamera seines Mobiltelefons gefilmt und auf eine Social-Media-Plattform gestellt. Das wurde dem Mann zum Verhängnis. Der Türke wurde zweitinstanzlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 39 Monaten verurteilt und für sieben Jahre des Landes verwiesen. Das Bundesgericht bestätigte sowohl die Strafzumessung als auch die Landesverweisung. Es bezeichnete den Mann als unbelehrbaren Wiederholungstäter, von dem eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe.
Bundesgericht 6B_429/2021 vom 3.5.2022
Aktueller Fall als Aufgabe einer Anwaltsprüfung erlaubt
Vor dem Solothurner Obergericht fand ein Berufungsverfahren gegen einen Mann wegen sexuellen Handlungen mit Kindern statt. Als dieser zufällig erfuhr, dass einer der urteilenden drei Richter seinen Fall zur Grundlage einer schriftlichen Anwaltsprüfung gemacht hatte, stellte er gegen den betreffenden Oberrichter ein Ausstandsgesuch. In seiner Stellungnahme erklärte der Oberrichter – seines Zeichens nicht Referent des Falles – in der Folge, es sei Usus, dass den Anwaltskandidaten reelle Fälle aus der Praxis vorgelegt würden. Idealerweise handle es sich dabei um Fälle, die noch nicht entschieden seien, da sonst die Gefahr bestehe, dass sich die Kandidaten am publizierten Urteil orientieren könnten. Vor Bundesgericht argumentierte der Angeklagte, es ergebe sich der Eindruck, dass der Oberrichter sich zumindest in den Grundzügen bereits festgelegt habe. An der Prüfung habe er nämlich insbesondere danach gefragt, ob die Freisprüche der Vorinstanz überzeugen würden und wie der Verzicht auf den Ausspruch einer Verwahrung zu beurteilen sei, Das Bundesgericht wies die Einwände ab, es bestehe kein Anschein der Voreingenommenheit.
Bundesgericht 1B_666/2021 vom 21.4.2022
Ökohaus schützt nicht vor hohen Wassergebühren
Vor acht Jahren baute ein Ehepaar ein umweltgerechtes Ferienhaus im Kanton Luzern. Das Haus produziert dank seiner Bauweise und technischen Ausstattung wie Photovoltaikanlage und Wärmesonde viermal mehr Energie, als es benötigt. Das Ehepaar erhielt für sein sogenanntes Plus-Energie-Haus im Jahr 2015 den schweizerischen Solarpreis. Die zuständige Wasserversorgungsgenossenschaft verlangte vom Ehepaar – ausgehend von einer Gebäudeversicherungssumme von 2,758 Millionen Franken – 44 679 Franken Anschlussgebühr.Vor Bundesgericht argumentierten die Eigentümer, diese Anschlussgebühr verstosse gegen das Äquivalenzprinzip. Denn ihr Nutzen aus dem Wasseranschluss stehe in einem Missverhältnis zur Anschlussgebühr. Erstens habe die teure energieeffiziente Bauweise zu einem besonders hohen Versicherungswert geführt und zweitens zeichne sich das Gebäude durch einen besonders geringen Wasserverbrauch aus. Das Bundesgericht sieht aber keinen Grund, von der Schematisierung bei der Erhebung der Anschlussgebühren abzusehen.
Bundesgericht 2C_1027/2020 vom 4.5.2022