Politische Vorstösse zur Einführung einer freiwilligen Quellensteuer auf dem Einkommen sind in den Kantonen Basel-Stadt, Bern und Zürich erfolglos geblieben. Sie scheiterten in den kantonalen Parlamenten. Das Steuerharmonisierungsgesetz sieht die Quellenbesteuerung nur für ausländische Angestellte ohne Niederlassungsbewilligung vor.
Gemäss Marina Züger, Präsidentin der Schweizerischen Steuerkonferenz, ist es fraglich, ob die Kantone eine freiwillige Quellensteuer überhaupt im Alleingang auf andere Personenkreise ausdehnen könnten. Sie verweist auf die Möglichkeit, vor Eintritt der Fälligkeit freiwillig Vorauszahlungen an die Steuerbehörde zu leisten.
Steuerschulden sind die häufigste Art von Schulden. Zu diesem Schluss kam der Dachverband «Schuldenberatung Schweiz» für das Jahr 2022 gestützt auf die Statistik der Mitgliederorganisationen. Wer überschuldet ist, häuft in 76 Prozent der Fälle auch Steuerschulden an. Darauf folgen Ausstände bei der Krankenkasse mit 59 Prozent und Krankheitskosten mit 27 Prozent. Die Steuern machen fast ein Drittel der Gesamtsumme der Schulden aus. Darauf folgen Konsumkredite (14 Prozent) und offene Rechnungen der Krankenkassen.
Seit Jahren wird der Umgang der Betreibungsämter mit den Steuerschulden kritisiert. Wird ein Schuldner betrieben und sein Lohn gepfändet, rechnet das Betreibungsamt die laufenden Steuern bei der Berechnung des Existenzminimums nicht ein. Das ist so in den Richtlinien für die Berechnung des Notbedarfs der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vorgesehen. Unter dem Titel Steuern heisst es: «Diese sind bei der Berechnung des Notbedarfs nicht zu berücksichtigen.»
Folge: Die Schuldner sind gar nicht in der Lage, die laufenden Steuern zu bezahlen, weil ihnen innerhalb des Existenzminimums kein Geld dafür bleibt. Anders ist dies nur bei ausländischen Angestellten, die der Quellensteuer unterliegen. Hier ist gemäss Richtlinien bei der Berechnung der pfändbaren Quote vom Lohn auszugehen, der tatsächlich ausbezahlt wird.
Zwei Kantone berücksichtigten früher die laufenden Steuern im betreibungsrechtlichen Existenzminimum: Solothurn und St. Gallen. Das Bundesgericht pfiff den Kanton Solothurn aber mit einem Urteil vom 22. Mai 2014 zurück und bezeichnete den Einbezug der Steuern in den Notbedarf als «willkürlich» (BGE 140 III 337). Das Kreisschreiben des Kantonsgerichts St. Gallen über die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums liess bis April 2020 eine Berücksichtigung der laufenden Steuern zu.
Gemäss dem Leiter des Betreibungsamts St. Gallen und Sprecher der Konferenz der Betreibungsbeamten Bogdan Todic werden die Steuern heute in keinem Kanton mehr bei der Festsetzung des Notbedarfs einbezogen. Im Kanton St. Gallen sei dies ohnehin nur selten vorgekommen. Eine Berücksichtigung der Steuern sei gemäss altem Kreisschreiben nur dann möglich gewesen, wenn der Schuldner beim Pfändungsvollzug mit den Steuerzahlungen «à jour» gewesen sei. «Dies kam in der Praxis fast nie vor», sagt Todic.
Der Bundesrat will zuerst die Folgeeffekte prüfen
Die Thurgauer SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr will das ändern, indem die Steuern bei der Berechnung des Existenzminimums künftig berücksichtigt werden. Heute könne jemand mit einer Lohnpfändung kein Geld für die Steuern auf die Seite legen, was einen Abbau der ausstehenden Schulden verunmögliche, argumentiert sie. Zudem kritisiert sie die Ungleichbehandlung mit Quellensteuerpflichtigen. Gutjahr reichte Ende 2018 ein entsprechendes Postulat ein. Der Nationalrat nahm es im März 2019 im beschleunigten Verfahren an.
Nun ist die Sache beim Bundesrat. Er bezieht den Vorschlag jedoch nicht in die laufende Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG) ein. Dies würde «der Komplexität der Thematik nicht gerecht», schreibt er im erläuternden Bericht. Die Neuerung würde demnach Folgeeffekte zum Beispiel bei der Berechnung von familienrechtlichen Unterhaltsbeiträgen mit sich bringen.