Michael Gerber, stellvertretender Leiter des Rechtsdiensts im Bundesamt für Gesundheit, sagte an der Medienkonferenz des Bundesrats vom 28. Oktober 2020, die Polizei könne bei privaten Partys kontrollieren, ob mehr als die zulässigen zehn Personen anwesend sind. Und falls ja, eingreifen und die bundesrätlichen Vorgaben durchsetzen. Wie die Massnahmen konkret durchgesetzt werden sollen, wird von Herrn Gerber jedoch mit keinem Wort erwähnt.
Gemäss Artikel 13 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) hat jede Person ein Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Dazu gehört auch die Wohnung. Einschränkungen dieses Grundrechts müssen den Anforderungen von Artikel 36 BV genügen. Ein derart schwerwiegender Eingriff, wie es eine Hausdurchsuchung darstellt, müsste in einem formellen Gesetz geregelt sein. Artikel 6 des Epidemiengesetzes, worauf sich die Covid-19-Verordnung 3 stützt, vermag diesen Anforderungen aber nicht zu genügen. Denn die sogenannte «besondere Lage» ist nicht hinreichend und eindeutig formuliert.
Deshalb stellt sich die Frage, ob allenfalls die polizeiliche Generalklausel (Artikel 36 Absatz 1 Satz 3 BV) anwendbar ist. Diese vermag gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine fehlende gesetzliche Grundlage aber nur dann zu ersetzen, wenn und soweit die öffentliche Ordnung und die fundamentalen Rechtsgüter des Staats oder von Privaten gegen schwere und zeitlich unmittelbar drohende Gefahren zu schützen sind. Bei privaten Feiern kann jedoch keine Rede davon sein, dass nur mit der Hausdurchsuchung schwere und zeitlich unmittelbar drohende Gefahren verhindert werden könnten. Deshalb stellt auch die polizeiliche Generalklausel keine rechtliche Basis dar, damit die Polizei bei privaten Veranstaltungen Hausdurchsuchungen vornehmen darf.
Es fragt sich zudem, ob eine Hausdurchsuchung dem schweizerischen Strafprozessrecht standhalten würde. Auch das ist nicht der Fall. Strafprozessual stellt das Betreten von nicht allgemein zugänglichen Räumen eine Zwangsmassnahme gemäss Artikel 197 der Strafprozessordnung dar. Es muss also ein hinreichender Tatverdacht vorliegen und es dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.
Die Strafprozessordnung regelt nicht, ob Zwangsmassnahmen nicht nur bei Verbrechen und Vergehen, sondern auch bei Übertretungen möglich sind, wie sie Verletzungen von Artikel 83 Absatz 1 litera j Epidemiengesetz darstellen.
Was die spezielle Zwangsmassnahme des Betretens von nicht allgemein zugänglichen Räumlichkeiten betrifft, sind die Bestimmungen über die Hausdurchsuchung anwendbar (Artikel 244 f. StPO). Der Anwendungsbereich von Artikel 244 StPO wird unter anderem durch Artikel 13 Absatz 1 BV eingeschränkt. Das heisst aber auch, dass eine Hausdurchsuchung wegen Artikel 40 Epidemiengesetz aufgrund der Geringfügigkeit und unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips nicht in Frage kommen kann. Auch ist keine Gefahr in Verzug (Artikel 213 Absatz 2 StPO).
Zusammenfassend ist also festzuhalten: Es wäre weder sicherheits- noch gerichtspolizeilich vertretbar, bei privaten Anlässen eine Hausdurchsuchung durchzuführen, um die Vorschriften von Artikel 40 Epidemiengesetz durchzusetzen.