Die neue Disziplinarordnung der Uni Zürich enthält einen § 11, der die Disziplinarmassnahmen abschliessend aufzählt. Verstösse kann die Universität neu mit gemeinnütziger Arbeit bis zu 40 Stunden oder mit Geldleistungen zu ihren Gunsten bis zu 4000 Franken ahnden. Wie bis anhin ist ein vorübergehender sowie bei schweren oder wiederholten Verstössen ein definitiver Ausschluss möglich. Der Verband der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH) erhob gegen die vom Universitätsrat am 20. Mai verabschiedete Disziplinarverordnung Beschwerde.
Disziplinarmassnahmen können gegen Personen ergriffen werden, die in einem besonderen Rechtsverhältnis, einem Sonderstatusverhältnis, zum Staat stehen. Dazu gehören beispielsweise Studenten und Strafgefangene. Disziplinarmassnahmen kommen bei einem Verstoss gegen die Anstaltsordnung oder gegen Amts- und Berufspflichten zur Anwendung. Im Umfeld der Universität ist etwa an Plagiate oder die Störung des Unibetriebs zu denken. Die Massnahmen müssen gesetzlich festgesetzt und verhältnismässig sein.
Damit Disziplinarmassnahmen gesetzesmässig sind, müssen die Normstufe und die Normdichte eingehalten sein. Die Anforderungen sind im Sonderstatusverhältnis zwar deutlich geringer. Dennoch müssen Disziplinarmassnahmen in ihren Grundzügen in einem formellen Gesetz festgehalten werden, insbesondere dann, wenn es um schwerwiegende Eingriffe geht.
Fraglich ist, ob es sich bei den Geldleistungen und den Ausschlüssen um schwere Eingriffe handelt und ob die Gesetzmässigkeit eingehalten wird. Das monatliche Medianeinkommen von Studenten liegt laut Bundesamt für Statistik bei 2048 Franken. Davon sind rund die Hälfte in der Regel Unterstützungsleistungen seitens der Familie. Der monatliche Ausgabenmedian liegt bei 1737 Franken.
Schwerer Eingriff in die Rechte
Der Versuch, die Höhe der Geldleistung durch die «Anpassung an die finanziellen Verhältnisse des Studierenden» verhältnismässig umzusetzen, erscheint utopisch. Um die Geldstrafe dem Einzelfall entsprechend anzupassen, müsste die Universität Zürich die finanziellen Verhältnisse der Studenten erfassen können. Dafür fehlt es aber an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Auch greift eine Geldleistung nicht nur während des Sonderstatusverhältnisses in die Rechtsgüter der Betroffenen ein, sondern kann sich über dieses Verhältnis hinaus auf die betroffene Person auswirken.
Unter diesen Gesichtspunkten muss die Einführung einer Geldleistung als schwerer Eingriff in die Rechte der Betroffenen gewertet werden. Auch der teilweise oder vollständige Ausschluss von der Universität kann sich über das Verhältnis hinaus auf die betroffene Person auswirken. Deshalb sind sie ebenfalls als schwere Eingriffe zu werten.
Universitätsgesetz regelt in Zürich nur den Ausschluss
Bei schweren Eingriffen sind sowohl an Normstufe und Normbestimmtheit hohe Anforderungen zu stellen. § 11 steht indes in einer Verordnung und nicht im Gesetz. Die Verordnung für sich alleine ist keine genügende gesetzliche Grundlage. § 16 des Universitätsgesetzes hält fest, dass der Universitätsrat eine Disziplinarordnung erlässt und dass jene, die schwer oder wiederholt gegen die Disziplinarordnung verstossen, von der Universität ausgeschlossen werden können. Somit ist auf Gesetzesebene lediglich der Ausschluss geregelt, nicht aber die Geldleistung.
Es erscheint inkonsistent und verfassungswidrig, dass einzelne schwere Eingriffe auf Gesetzesebene und andere auf Verordnungsstufe geregelt werden. § 11 lit. c der neuen Disziplinarverordnung erfüllt somit die Anforderungen an eine hinreichende gesetzliche Grundlage nicht. Die Geldleistung stellt einen schweren Eingriff in die Rechtsgüter der Betroffenen dar und würde eine formell-gesetzliche Grundlage benötigen. Aufgrund der hängigen Beschwerde des VSUZH trat die Disziplinarverordnung noch nicht in Kraft.
Ähnlich wie die Universität Zürich sehen auch die Universitäten Freiburg und St. Gallen Geldleistungen als Disziplinarmassnahme vor. Beide Universitäten verankern diese aber auf Gesetzesstufe. Die Beträge sind niedriger.