Anreize für die Besten». Mit diesem Satz wirbt die Universität Zürich auf ihrer Internetseite für ein neues Förderprojekt. Das «Exzellenzstipendium» richtet sich an besonders leistungsstarke Studenten. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät Luzern möchte «besonders talentierte» Jus-Studenten mit dem Förderangebot «Primius» ansprechen. Denn: «Starke Studierende sollen gefördert und gefordert werden, um sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen.»
Solche Förderangebote haben etwas gemeinsam: Einerseits sind gute Noten ein Muss, um sich anmelden zu können. Zudem sind die Programme auf eine bestimmte Anzahl Studenten beschränkt. Die grosse Mehrheit ist immer nur Zaungast.
Bern und Freiburg geben sich egalitär
Die Berner Rechtsfakultät hält nicht viel von solchen Förderprogrammen. Denn sie hat gemäss Strafrechtsprofessor Martino Mona, Präsident der Kommission für Nachwuchsförderung, traditionell einen Hang zum Egalitarismus. «Es besteht eine gewisse Abneigung gegen institutionalisierte Eliteförderung. Wir verzichten weitgehend darauf, Preise zu verteilen und die Besten zu krönen.» Die Berner Rechtsfakultät wolle in erster Linie «solide» Juristen ausbilden, die sich überall bewähren können. Dafür seien Talentförderprogramme, die Konkurrenz und Neid zwischen den Studenten schaffen, nicht zielführend.
Für Mona ist es viel wichtiger, besonders talentierte Studenten im direkten wissenschaftlichen Austausch zu eruieren, namentlich in Seminaren oder bei Masterarbeiten. «Bei schriftlichen Arbeiten erkenne ich am besten, ob jemand originell argumentiert, neue Wege wagt und nicht nur vorgefertigte Meinungen wiederholt.»
Auch die Freiburger Rechtsfakultät verzichtet laut Dekan Hubert Stöckli auf eine «Eliteförderung». Die Zugänglichkeit der Dozenten und die Wahrung eines überdurchschnittlich guten Betreuungsverhältnisses sei in Freiburg zentral. Wer mehr leisten wolle, habe beispielweise die Möglichkeit, während eines Semesters am «Center for Transnational Legal Studies» in London in einem «wirklich globalen Umfeld» zu studieren. Auch Stöckli nennt die Seminare als gute Beispiele, in denen Studenten ihre besonderen Stärken demonstrieren könnten: «Dort werden in kleineren Gruppen vor allem die Analysefähigkeit und der schriftliche Ausdruck vertieft.»
Für Wolfgang Wohlers, Dekan der Basler Rechtsfakultät, verläuft die Suche nach Talenten «sehr wildwüchsig». In Basel sei jeder Dozent selbst dafür verantwortlich, besonders leistungsfähige Studenten zu erkennen und zu fördern. Vor allem für den potenziellen wissenschaftlichen Nachwuchs seien gute Noten sicher Voraussetzung. Das allein genüge aber nicht: Auch Studenten «mit Top-Noten sind nicht ohne weiteres für jeden Job brauchbar». Die Studenten müssten in den Vorlesungen den Mut aufbringen, aus der Masse herauszutreten und «mit originellen Fragen, aber auch interessanten Antworten» auf Fragen aufzufallen, so Wohlers. Besonders in den Vorlesungspausen bestehe die Möglichkeit, den Professor direkt mit Fragen zu konfrontieren. «Diesen niederschwelligen Zugang sollte man nutzen.»
Vereinstätigkeit und Reisen statt Kurzpraktika
Auch Thomas Gächter, Dekan der Zürcher Rechtsfakultät, weist auf die Bedeutung des «persönlichen Kontakts» hin. Er erzählt von einem Seminar in Istanbul: Die heutige Assistenzprofessorin Kerstin Vokinger sass neben ihm im Taxi. Ihm sei aufgefallen, dass sie «über den Tellerrand hinausblicke»: «Wir unterhielten uns über die unterschiedlichsten Themen, sie war über sehr vieles informiert.» Das beeindruckte Gächter, er stellte sie als Assistentin ein.
Originalität und Innovation seien nicht in Lehrbüchern zu finden, bekräftigt der Professor. Er rät Studenten, ihre Semesterferien für «Reisen, Vereinstätigkeiten oder Jobs in anderen Branchen» zu nutzen, anstelle einer Aneinanderreihung von Kurzpraktika. Sie sollten wagen, eigene Wege zu gehen, rät Gächter. «So hinterlassen sie Spuren statt nur Staub.»