Der britische Autor Ian McEwan sagt, er sei Atheist. Trotzdem spielt Religion eine grosse Rolle in seinem neuen Buch «Kindeswohl». Die verheiratete Richterin Fiona Maye hat sich mit einer schwierigen Frage zu befassen: Darf ein 17-jähriger Zeuge Jehovas eine lebensrettende Bluttransfusion aus religiösen Gründen ablehnen? Maye besucht den Jungen im Spital. Und plötzlich spielt der Fall eine viel persönlichere Rolle in ihrem Leben, als ihr lieb ist. Die Stärke des Literaturwissenschaftlers McEwan liegt vor allem darin, juristische Fragen für Laien spannend aufzubereiten. Und der Rechtsprofi erhält nebenbei einen Einblick ins britische Familienrecht.
Schauerlich geht es beim Zürcher Autor Melchior Werdenberg zu und her. Wer kurze, skurrile Mordgeschichten mag, kommt auf seine Rechnung – und wird sich künftig vor alten Damen hüten. So, wie es auch der Herr im Altersheim besser getan hätte. Er liess sich von Gerda zum Tee einladen, und kaum hatte er die Tasse ausgetrunken, zitterte er noch etwas, röchelte und starb. Hinter dem Pseudonym Melchior Werdenberg verbirgt sich der Zürcher Rechtsanwalt Hans Baumgartner. Zuvor war er Militärrichter und Staatsanwalt. Er weiss, wovon er schreibt. Hochstehende Literatur ist das nicht. Die achtzehn Erzählungen sind leichte Kost, dafür sind die Schlusspointen zuweilen treffend gesetzt.
Der deutsche Strafverteidiger Ferdinand von Schirach schrieb sein erstes Buch 2009, mit 45 Jahren. Es wurde ein Bestseller. Im letzten Sommer erschien «Die Würde ist antastbar» mit dreizehn Essays. Schirach lästert über rauchfreie Zonen, bewundert seinen iPad – «Es ist die Zukunft. Punkt» – oder er begibt sich in die Katakomben der Familiengeschichte. Sein Grossvater war NS-Reichsjugendführer Baldur von Schirach.
Wiederholt kommt Schirach auf juristische Themen zu sprechen. Zum Beispiel, dass es keinen Unterschied geben dürfe zwischen «Feindstrafrecht und Bürgerstrafrecht». Die rechtlichen Bindungen, die sich ein Rechtsstaat gegenüber seinen Bürgern auferlegt, würden immer und überall gelten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch Vorratsdatenspeicherung, Drohnenangriffe oder Guantánamo zeigen, dass dem nicht so ist – und dass es Mahner wie von Schirach braucht.
Ian McEwan
Kindeswohl
Diogenes, Zürich 2015,
224 Seiten, Fr. 31.–
Melchior Werdenberg
Halbwelten
Elster, Zürich 2015,
147 Seiten, Fr. 20.–
Ferdinand von Schirach
Die Würde ist antastbar
Piper, München 2014,
135 Seiten, Fr. 23.–