Obwalden mag einer der drei Gründungskantone der alten Eidgenossenschaft sein – im Justizgefüge der modernen Schweiz spielte er bislang keine grosse Rolle. Das könnte sich bald ändern: Ende Mai wurde im Kantonshauptort Sarnen das Institut für Justizforschung (IJF) eröffnet, auch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider war anwesend.
Bei der Neugründung handelt es sich um ein sogenanntes An-Institut der Universität Luzern. Mit solchen angegliederten Instituten will sich die Uni in den Zentralschweizer Kleinkantonen verankern. Ein entsprechendes Modell gibt es bereits mit dem «Urner Institut Kultur der Alpen». Auch die Universität Konstanz führt mit dem Thurgauer Wirtschaftsinstitut ein An-Institut in einem Nichtuniversitätskanton.
Das neue Institut ist entsprechend mit der Universität Luzern verflochten. Im Direktorium sind Luzerner Professorinnen und Professoren vertreten. Sie sind im Rahmen ihrer Professur auch für den Ableger in Sarnen tätig und liefern das notwendige Knowhow. Einer von ihnen ist Michele Luminati, in Luzern Professor für Rechtsgeschichte, juristische Zeitgeschichte und Rechtstheorie.
Das Institut braucht es ihm zufolge nicht nur, um den Kanton Obwalden an die Uni Luzern zu binden. Der Schweizer Justiz mangle es an empirischen Informationen. Zu selten würden rechtspolitische Diskussionen auf der Grundlage von Zahlen und Fakten geführt. Hier will das Institut für Rechtsforschung ansetzen.
Forschung zu Justizzugang und Richterwahlen
In einem ersten grossen Forschungsprojekt will das Institut das Verhältnis zwischen der Ziviljustiz und den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz untersuchen. «Man hört oft, dass KMU die Ziviljustiz nicht beanspruchen, also mit ihren Fällen nicht vor die Gerichte gehen», sagt Luminati. «Wir wollen herausfinden, ob das stimmt, und falls ja, wo die Gründe dafür liegen. Und wie man das allenfalls ändern könnte.» An der Studie sollen auch Ökonomen oder Politologen mitwirken.
Auch zu Richterwahlen will das Institut forschen. «Anders als zum Beispiel in Deutschland sind in der Schweiz die Kriterien für den Weg ans höchste Gericht kaum definiert», sagt Michele Luminati. Das Institut wolle deshalb ermitteln, welche Eigenschaften jemand in der Schweiz effektiv brauche, um ans Bundesgericht gewählt zu werden. Dafür gelte es, die Richterbiografien empirisch zu untersuchen.
Neben den grossen Projekten will das Institut allgemein die Transparenz in der Justiz thematisieren. «Da haben wir in der Schweiz ein grosses Manko», sagt Luminati. Das Thema soll nicht nur erforscht, es soll auch an Podien oder Kolloquien diskutiert werden – jeweils unter Einbezug der lokalen Bevölkerung.
Leise Kritik an den Rechtsfakultäten
In den vergangenen Jahren sei die Justiz zunehmend in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt, schreibt das Institut auf seiner Website. Und weiter: «Mit dieser erhöhten Aufmerksamkeit hat jedoch die wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht Schritt gehalten.» Ist die Gründung also auch als Kritik an den Universitäten zu verstehen? Geschäftsführer Silvan Schenkel gibt sich diplomatisch: «Es gab zuletzt auch an den Universitäten einige empirische Forschungsprojekte, zum Beispiel zum Thema Strafbefehle», sagt er. «Aber allgemein besteht sicher Aufholbedarf.» Schenkel spricht von einer Lücke, die man füllen wolle.
Das Institut versteht sich als eigenständiger Akteur. Zwar befindet es sich personell und organisatorisch in engem Austausch mit der Universität Luzern. Getragen wird es aber von einem Verein. Er finanziert das Institut in den ersten vier Jahren mit total 560'000 Franken. Die Gelder stammen unter anderem aus der Neuen Regionalpolitik des Bundes und dem Swisslos-Fonds.
Aktuell arbeiten neben Geschäftsführer Schenkel zwei Hilfsassistenten fest für das Institut, das über Büroräumlichkeiten in Sarnen verfügt. «Wir starten mit einer Minimalbesetzung», so Schenkel. Doch das Institut hat Grosses vor – weit über Obwalden hinaus.