Kantone tricksen, um zu sparen
Schulausflüge · Eltern werden unterschiedlich zur Kasse gebeten.
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Plädoyer 05/2018
22.10.2018
Carlo Schuler
Das Urteil des Bundesgerichts führte in verschiedenen Kantonen zu parlamentarischen Vorstössen. Die Bildungsdirektionen reagierten unterschiedlich: Einige Kantone änderten ihre Reglemente betreffend Schulausflügen und Schulverlegungen, andere haben dies noch vor, und wieder andere machen gar nichts.
Die aktuellen Reglemente der Deutschschweizer Kantone unterscheiden sich stark voneinander – und sind entsprechend unterschiedlich bundesrechtsko...
Das Urteil des Bundesgerichts führte in verschiedenen Kantonen zu parlamentarischen Vorstössen. Die Bildungsdirektionen reagierten unterschiedlich: Einige Kantone änderten ihre Reglemente betreffend Schulausflügen und Schulverlegungen, andere haben dies noch vor, und wieder andere machen gar nichts.
Die aktuellen Reglemente der Deutschschweizer Kantone unterscheiden sich stark voneinander – und sind entsprechend unterschiedlich bundesrechtskonform.
Einige Kantone setzten die Vorgaben des Bundesgerichtes umgehend um. Pro Kind und Tag dürfen die Schulen dort höchstens 10 bis 16 Franken für Verpflegungskosten verlangen. Andere Spesen – wie etwa für die Reisen zu den Exkursionsorten – dürfen sie von den Eltern nicht einfordern. Im Kanton Freiburg rechnet man mit Mehrkosten von jährlich rund 6 Millionen Franken, um die bisherige Kostenbeteiligung der Eltern zu kompensieren. Der Freiburger Staatsrat entschied im Sommer, die Hälfte dieser Mehrkosten zu übernehmen. Die andere Hälfte müssen die Gemeinden bezahlen.
Andere Kantone gehen mit den bundesgerichtlichen Vorgaben erstaunlich locker um. Das beginnt bereits mit den Ansätzen für die Verpflegung. «Wir interpretieren dieses Urteil etwas grosszügig», heisst es etwa bei der Berner Erziehungsdirektion. Von 20 bis 30 Franken sei man nun auf 15 bis 25 Franken hinuntergegangen. Das liegt immer noch deutlich über den Vorgaben.
In Solothurn ist ein Lager nicht Teil des Unterrichts
Richtig kreativ werden die Begründungen einiger Kantone, wenn es um die Übernahme der Reise- und anderer Kosten geht. Manche überlassen es einfach den Gemeinden, wie sie die Sache handhaben wollen. Das birgt die Gefahr, dass diese Regelungen in Widerspruch zum Anspruch auf Kostenlosigkeit stehen. Wenn die Kantone nicht Mindestregeln definieren – zum Beispiel in Bezug auf die Anzahl Anlässe – könnte die Chancengleichheit leiden. Reichere Gemeinden können deutlich mehr Anlässe durchführen als weniger begüterte Kommunen. Einige Kantone greifen zu einem Kniff: Sie erklären die entsprechenden Anlässe einfach als «freiwillig». So heisst es in einem Merkblatt des Bildungs-Departements des Kantons Aargau: «Die verbindliche Teilnahme an mehrtägigen Schulreisen und -lagern mit auswärtigen Übernachtungen kann nicht in allen Fällen vorausgesetzt werden. Nicht-Teilnehmende können während dieser Zeit den Unterricht in einer anderen Klasse besuchen.» Auf einem Merkblatt des Kantons Solothurn steht: «Veranstaltungen wie Lager, Schulverlegungen, Exkursionen und Schulreisen (..) bilden nicht Teil des notwendigen und ausreichenden Grundschulunterrichtes und müssen daher auch nicht unentgeltlich sein..»
Rechtsprofessor Benjamin Schindler kann mit solchen Begründungen nichts anfangen: «Das sind offensichtlich vorgeschobene Argumente.» Die Volksschule sei nach Artikel 19 und Artikel 62 Absatz 2 BV grundsätzlich obligatorisch und unentgeltlich. «Bestimmte Klassenlager pro forma als ‹freiwillig› zu erklären, damit man eine Kostenbeteiligung verlangen kann, ist für mich klar ein Verstoss gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts.»