Es gibt einige Programme, die auf die Bedürfnisse von Anwaltskanzleien zugeschnitten sind. Gemäss dem IT-Berater Loris Russi sind die Grundfunktionen wie Adress- und Fristenverwaltung, Leistungserfassung und -verrechnung sowie das Dokumentenmanagement bei allen Programmen ähnlich. Einige bieten nützliche Zusatzfunktionen wie zum Beispiel eine Verknüpfung mit anderen Anwendungen.
Wichtig sei, dass die Software gut zur vorhandenen IT-Struktur passe, so Russi. Nutze eine Kanzlei etwa Microsoft Office 365, sollte die Fristenverwaltung der Anwaltssoftware die Einträge im Outlook-Kalender automatisch übernehmen können. Sonst müsse man zwei Kalender führen.
Die meisten Programme laufen auf Mac und PC, einige wie Winjur oder Neo nur auf Windows. Bei Cloud-Lösungen nutzt man die Software via Internet. Das birgt bezüglich Datensicherheit und Wahrung des Anwaltsgeheimnisses Risiken (plädoyer 1/2021).
plädoyer erkundigte sich bei Deutschschweizer Kanzleien verschiedener Grösse über die Zufriedenheit mit den Programmen. 56 antworteten. Die meisten verwenden die Software Vertec (16 Anwaltsbüros). Es folgen die Programme Plato (7) und Winjur (5). In einer plädoyer-Umfrage von 2015 war Winjur noch die meistbenutzte Software gewesen (plädoyer 6/2015).
Vier Kanzleien benutzen laut der aktuellen Umfrage die Software Neo, je zwei die Programme Madaba Win und Singlecase und in je einer Kanzlei sind Elle, Exxas, Time Sensor und SAP im Einsatz. 16 weitere Kanzleien verzichten ganz auf eine Spezialsoftware, weil Microsoft Office ausreiche.
Meistverwendete Software hat Macken
Mit der Software von Vertec ist nur eine Kanzlei zufrieden: «Kann alles, was sie soll», so die Bewertung. Fünf Kanzleien sind «ziemlich zufrieden». Das Programm sei «etwas komplex», aber stabil». Es decke «nicht alle Bedürfnisse ab», und es gebe «Schwierigkeiten bei der Anpassung».
Zwei Büros sind mit dem Produkt nicht zufrieden: Die Software funktioniere zwar gut, bemängelt werden aber der hohe Preis, die Unübersichtlichkeit und die Zusatzkosten bei nötigen Anpassungen. Vertec-Verkaufsleiter Urs Berli sagt dazu: Die Anpassbarkeit von Vertec sei Fluch und Segen zugleich. Es sei fast alles möglich, das habe aber je nachdem seinen Preis. Die gängigsten von Anwälten gewünschten Zusatzfunktionen gebe auf der Internetseite des Unternehmens gratis zum Herunterladen.
Plato hat mehrheitlich sehr zufriedene Kunden. «Die Software erfüllt alle erforderlichen Funktionen und ist relativ günstig», schreibt eine Basler Advokatur. Zwei Kanzleien sind mit dem Programm ziemlich zufrieden. Eine Kanzlei wünscht sich aber eine bessere Benutzerschulung. Eine weitere bemängelt Unzulänglichkeiten bei der Schnittstelle zum Buchhaltungsprogramm. Ein Kunde ist unzufrieden: Das Programm sei schwerfällig.
Von den fünf Winjur-Kunden ist nur eine Kanzlei sehr zufrieden mit der Software. Sie sei einfach in der Anwendung, zuverlässig und biete einen guten Support.
Eine andere Kanzlei ist sehr unzufrieden. Es fehle etwa eine Ordnerstruktur zum Ablegen von Dokumenten zu den einzelnen Klienten. Winjur-Produktmanager Michel Mazkour bestätigt das. Die Ablage sei jedoch im Zusatzprogramm Documents möglich. Die Kauflizenz dafür koste knapp 800 Franken plus 22,5 Prozent Wartungskosten pro Jahr.
Ausschliesslich sehr zufriedene Benutzer haben Neo und Singlecase. Bei Neo schätzen die Kanzleien die Übersichtlichkeit und einfache Bedienbarkeit, bei Singlecase den guten Support, die Automatisierungsmöglichkeiten und die Strukturierung.
Die Software von SAP ist nicht auf Anwaltsbüros zugeschnitten. Laut der Zürcher Kanzlei, die damit arbeitet, waren Anpassungen nötig. Sie verwendet zusätzlich die Programme iManage, um E-Mails ablegen und Dokumente indexieren zu können, und Exhibit Manager, um Rechtsschriften zu erstellen und zu verwalten.
Grosse Unterschiede bei den Lizenzkosten
Mit den übrigen Programmen sind die Anwälte mehrheitlich ziemlich zufrieden. Exxas überzeugt durch Arbeitsplatzunabhängigkeit. Für komplexere Kanzleithemen wie Markenverwaltungen müsse das Programm aber weiterentwickelt werden. Auch Elle erhält gute Noten – bei diesem Programm gebe es aber erheblichen Schulungsbedarf.
Die Preisunterschiede sind gross: So betragen die einmaligen Lizenzkosten für das Vertec-Grundmodul 860 Franken pro Benutzer (ab dem elften Benutzer 375 Franken). Für die Wartung fallen 17 Prozent der Lizenzkosten pro Jahr an, mit Hotline sind es 21 bis 34 Prozent. Wer Vertec mit einem Cloud-Abo mietet, zahlt 600 Franken pro Jahr für das Grundmodul (ab dem elften Benutzer 240 Franken), inklusive Updates und Hotline.
Die Preise einer Standardlizenz für die Software Plato der St. Galler All Consulting AG variieren von 150 Franken (ab 51 Benutzern) bis 950 Franken (ein Benutzer). Für Wartung und Hotline kommen pro Jahr 19 Prozent dazu. Plato wurde Anfang 2023 von der Abacus Research AG aus Wittenbach SG übernommen. Die Software wird voraussichtlich ab Juni 2024 unter dem Namen Abaplato weitergeführt.
Winjur kostet 1290 Franken pro Benutzer plus 359 Franken pro Benutzer und Jahr. Wer eine Anwaltssoftware erwirbt oder auswechselt, muss zudem mit Kosten für den Datenexport und -import rechnen. Die Höhe hängt von der Menge und Qualität der Daten ab.