Bei Unterhaltsstreitigkeiten nehmen in der Regel die Eltern die Interessen ihrer Kinder im Prozess wahr. Die Befugnis, einen Prozess für das Kind zu führen, setzt die elterliche Sorge voraus (Art. 296 ff.). Materiell steht der Unterhaltsanspruch dem minderjährigen Kind zu. Solange das Kind aber minderjährig ist, ist der Unterhaltsbeitrag an den gesetzlichen Vertreter oder den Inhaber der Obhut zu leisten, soweit das Gericht es nicht anders bestimmt (Art. 289 Abs. 1 ZGB).
Im Scheidungsprozess kommt dem Kind keine Parteistellung zu. In Trennungs- und Scheidungsverfahren ist im Sinne einer Prozessstandschaft jeder Elternteil zur Vertretung legitimiert, der nach der Scheidung die elterliche Sorge und die Obhut über das Kind innehat beziehungsweise beantragt, die Obhut auszuüben.1
Seit dem 1. Juli 2014 gilt die gemeinsame elterliche Sorge als Grundsatz. Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter (Art. 296 Abs. 2 ZGB). Das Bundesgericht hat diesen Grundsatz mehrfach bestätigt und an die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Alleinzuteilung der elterlichen Sorge sehr hohe Anforderungen gestellt.2 Die Rechtsprechung des Bundesgerichts schafft Klarheit darin, dass von der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter praktisch nie abgewichen werden kann. In der Folge erhöht sich seit der Einführung des Grundsatzes der gemeinsamen elterlichen Sorge indes die Wahrscheinlichkeit von Interessenkollisionen im Prozess zwischen den Eltern respektive zwischen den Eltern und dem Kind. Dies stellt auch den prozessierenden Anwalt immer wieder vor heikle Fragen.
Seit Inkrafttreten des neuen Kinderunterhalts und der damit einhergehenden Einführung von Art. 298 Abs. 2ter ZGB, welcher zusätzlich die alternierende Obhut zwischen den Elternteilen stärkt, hat sich diese Problematik der möglichen Interessenkollisionen zwischen (gemeinsam sorgeberechtigten) Eltern noch einmal akzentuiert.3 Früher lebte das Kind unverheirateter Eltern in der Regel bei der allein sorgeberechtigten Mutter und klagte gegen den Vater auf Unterhalt. Heute sieht sich der Anwalt oft mit Situationen konfrontiert, in denen die Eltern die gemeinsame elterliche Sorge innehaben und sich der Unterhaltsstreit relativ rasch zu einem Streit über weitere Kinderbelange und insbesondere über Betreuungsanteile ausdehnt, welche wiederum in direktem Zusammenhang mit der Unterhaltsforderung stehen.
Hinzu kommt, dass der seit dem 1. Januar 2017 geltende Betreuungsunterhalt zwar materiell-rechtlich ebenfalls dem Kind zusteht, indes aus wirtschaftlicher Perspektive klar dem betreuenden Elternteil dient. Beispiel: Ein Elternteil vertritt das Kind und klagt gegen den anderen Elternteil auf Bar- und Betreuungsunterhalt. Aufgrund der eigenen (wirtschaftlichen) Interessen des betreuenden Elternteils stellt sich hier die Frage, ob der betreuende Elternteil aufgrund einer Interessenkollision überhaupt befugt wäre, im Namen des Kindes zu klagen.
1. Befugnis zur Prozessführung
1.1 Keine gefestigte Praxis des Bundesgerichts
Die Eltern haben von Gesetzes wegen das Recht, das Kind gegenüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge zu vertreten (Art. 304 Abs. 1 ZGB). Innerhalb der Gemeinschaft können urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln. Sie verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern (Art. 306 Abs. 1 ZGB). Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber (Art. 306 Abs. 2 ZGB). Bei Interessenkollisionen entfallen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit von Gesetzes wegen (Art. 306 Abs. 3 ZGB).
Kommt die elterliche Sorge nur einem Elternteil zu, so ist dieser Elternteil allein befugt, im Namen des Kindes Prozesse gegenüber Dritten und damit auch gegenüber dem anderen Elternteil auf Unterhalt zu führen. Bei alleiniger elterlicher Sorge ist auch die Anordnung einer alternierenden Obhut nicht möglich. Die Obhut setzt elterliche Sorge voraus.
Da der Unterhalt ein materiell-rechtlicher Anspruch des minderjährigen Kindes ist, kann der sorgeberechtigte Elternteil diesen entweder direkt im Namen des Kindes oder in Prozessstandschaft geltend machen.4 In einem früheren Urteil hat das Bundesgericht diesbezüglich noch die gegenteilige Meinung vertreten und ausserhalb der gesetzlich vorgesehenen Spezialfälle (mit Verweis auf die scheidungsrechtlichen Bestimmungen) – jedenfalls im Bereich des Familienrechts – eine Prozessstandschaft als nicht möglich erachtet. Das folge aus dem Grundsatz, dass zur Sache legitimiert sei, wer am streitigen Recht materiell zuständig sei. Damit einem Prozessstandschafter im Prozess Parteistellung zukomme und damit die Rechtsträgerschaft und die Aktivlegitimation auseinanderfallen, bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage.5
In BGE 136 III 365 äusserte sich das Bundesgericht zum Grundsatz, wonach aufgrund von Art. 318 Abs. 1 ZGB der Inhaber der elterlichen Sorge die Rechte des minderjährigen Kindes in eigenem Namen ausübt. Er könne die Rechte vor Gericht oder in einer Betreibung geltend machen, indem er persönlich als Partei handelt. Das gelte für alle Fragen vermögensrechtlicher Natur, einschliesslich diejenigen betreffend die Unterhaltsbeiträge. Die Aktiv- oder Passivlegitimation müsse deshalb dem Inhaber der elterlichen Sorge ebenso wie dem minderjährigen Kind zuerkannt werden, auch wenn die Abänderung des Unterhaltsbeitrages für ein aussereheliches Kind streitig sei (E. 2).6 Dieser Entscheid ist in der Lehre auf heftige Kritik gestossen.7 Angesichts der innerhalb eines Jahres vollzogenen Kehrtwende des Bundesgerichts ist diese Kritik berechtigt. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid aus dem Jahr 2015 seine Rechtsprechung bestätigt, wonach dem Inhaber der elterlichen Sorge gestützt auf Art. 318 Abs. 1 ZGB die Befugnis zukomme, die Rechte des unmündigen Kindes in vermögensrechtlichen Angelegenheiten (insbesondere betreffend Unterhaltsbeiträge) in eigenem Namen auszuüben und vor Gericht oder in einer Betreibung selber geltend zu machen, indem der Sorgerechtinhaber persönlich als Partei, das heisst als Prozessstandschafter handelt. Auf die Kritik in der Lehre ist das Bundesgericht aber nicht näher eingegangen.8 Insofern kann angesichts der divergierenden Entscheide nicht von einer gefestigten Praxis gesprochen werden.
Gemäss Art. 306 Abs. 3 ZGB entfallen bei Interessenkollisionen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit. Jonas Schweighauser und Andrea Vontobel vertreten die Ansicht, dass im Lichte dieser Bestimmung bei gemeinsamer elterlicher Sorge wohl ganz allgemein die Frage gestellt werden müsse, ob eine Mandatierung des Anwaltes durch einen Elternteil noch möglich erscheine. Man müsse sich vor Augen führen, dass der Betreuungsunterhalt wirtschaftlich dem mandatierenden Elternteil zugute kommt. Zudem seien Betreuungsunterhalt und Betreuungsanteile im geltenden Recht stark miteinander verknüpft.9 Dieser Ansicht von Jonas Schweighauser und Andrea Vontobel ist zuzustimmen.
Tatsächlich ist diese Problematik bisweilen ungelöst und im Praxisalltag sind verschiedene Ansätze anzutreffen (Vertretung des Kindes, Prozessstandschaft, Einsetzung eines Beistandes gestützt auf Art. 308 Abs. 2 ZGB).
1.2 Mandatierung durch einen Elternteil nicht möglich
Bei gemeinsamer elterlicher Sorge dürfte regelmässig umstritten sein, ob ein Elternteil den Anwalt überhaupt allein mandatieren kann. Die Folge wäre meist die Einsetzung eines Beistands durch die Kindesschutzbehörde. Der nicht obhutsberechtigte, aber grundsätzlich zu Unterhaltszahlungen verpflichtete Elternteil wird in den meisten Fällen wohl kaum seine Zustimmung zu einem Prozess auf Unterhalt gegen sich selbst erteilen. Zudem unterläge der Vertreter diesfalls selbst einer Interessenkollision.
Art. 416 Abs. 1 Ziff. 9 ZGB nennt die Prozessführungsbefugnis im Erwachsenenschutzrecht ausdrücklich als zustimmungsbedürftiges Geschäft. Die Prozessführungsbefugnis fällt meines Erachtens bei der gemeinsamen elterlichen Sorge unter die nicht alltäglichen Geschäfte. Sie bedarf der Zustimmung des anderen Elternteils (Art. 301 Abs. 1bis Ziff. 1 ZGB). Die Lehre ist sich darüber aber uneinig.
Thomas Geiser vertritt die Ansicht, dass es sich bei einer Unterhaltsklage sicher nicht um eine alltägliche und auch nicht dringliche Angelegenheit handelt, weshalb die Entscheidung darüber auch nicht bei jedem Betreuenden allein liegt. Somit sei auch kein alleiniges Vertretungsrecht der Eltern gegeben.10 Der Berner Kommentar hingegen plädiert dafür, dass der klagende Elternteil mit Verweis auf BGE 136 III 365 allein über die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches gegenüber dem anderen Elternteil entscheiden könne. Der Entscheid, klageweise den Unterhaltsanspruch in Vertretung des Kindes geltend zu machen, gehöre zwar weder zu einer alltäglichen noch dringlichen Angelegenheit. Deshalb sei bei gemeinsamer elterlicher Sorge grundsätzlich die Zustimmung beider Elternteile notwendig. Die Zustimmungskompetenz des beklagten Elternteils entfalle jedoch als Folge der direkten Interessenkollision (Elternteil ist Beklagter im Prozess des Kindes) von Gesetzes wegen (Art. 306 Abs. 3 ZGB).11
Patrick Fassbind und Luca Maranta sind der Ansicht, dass Unterhalt nie Selbstzweck ist und sich daher der Typisierung alltäglicher und nicht alltäglicher Geschäfte entziehe. Mithin liege eine Gesetzeslücke vor, wenn zu entscheiden sei, ob ein gemeinsam sorgeberechtigter Elternteil allein das Kind in Unterhaltsverfahren vertreten dürfe. Anknüpfend an die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach ein Elternteil die Unterhaltsklage nicht «nur» als gesetzliche Vertretung des Kindes, sondern alternativ im eigenen Namen anheben könne (BGE 136 III 365), sei nicht einleuchtend, weshalb ein Elternteil im einen Fall (Handeln in eigenem Namen) allein handeln darf, im anderen Fall (Handeln als gesetzlicher Vertreter) aber nicht.12
Es mag zutreffen, dass der Unterhalt des Kindes per se nicht Selbstzweck ist und daher eine Typisierung des einzelnen Unterhalts in alltägliche und nicht alltägliche Geschäfte im Einzelfall schwierig ist. Indes kann festgehalten werden, dass die Anhebung einer Unterhaltsklage – also der Entscheid darüber, einen Prozess gegen den anderen Elternteil zu führen – unabhängig von der Typisierung des Unterhaltes eine nicht alltägliche und in der Regel auch keine dringliche Angelegenheit darstellt. Insofern ist der Entscheid zur Führung eines Prozesses über einen materiell-rechtlichen Anspruch des Kindes nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich klar von den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern zu treffen. Es bedarf der Zustimmung beider Elternteile. Bei fehlender Einigung muss somit grundsätzlich die Kindesschutzbehörde einen Beistand im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB einsetzen.
2. Lösungsansätze
Die Lehre ist hinsichtlich möglicher Lösungsansätze uneinig. Fest steht, dass der Gesetzgeber – im Gegensatz zum Eheschutz- und Scheidungsverfahren – bisweilen darauf verzichtet hat, die Prozessstandschaft als lex specialis zu lösen. Mithin fehlt im Gesetz eine Regelung zum Vertretungsrecht im Prozess.
2.1 Analogie zur Vaterschaftsklage
Gemäss Art. 261 Abs. 1 ZGB können im Rahmen der Vaterschaftsklage sowohl die Mutter als auch das Kind auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen dem Kind und dem Vater klagen. Damit erfährt die Prozessstandschaft der Mutter in Bezug auf die Vaterschaftsklage eine gesetzliche Grundlage.
Das Kindesverhältnis zur Mutter entsteht mit der Geburt (Art. 252 Abs. 1 ZGB). In diesem Stadium steht die elterliche Sorge aber kraft Gesetzes ohnehin nur der Mutter zu. Aus diesem Grund erscheint ein Prozessieren der Mutter in Prozessstandschaft für das Kind völlig unproblematisch.
Anders verhält es sich im Kindesunterhaltsrecht. Hier fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, welche die Prozessstandschaft eines Elternteils vorsieht. Aufgrund der jüngsten Gesetzesrevisionen gilt die gemeinsame elterliche Sorge als Grundsatz. Folglich taugt eine Analogie zur Vaterschaftsklage, welche die Prozessstandschaft vorsieht, nicht zur Bewältigung des Problems.
Das Bundesgericht stützt die Prozessstandschaft hinsichtlich Unterhaltsrecht auf Art. 318 Abs. 1 ZGB. Der Inhaber der elterlichen Sorge ist für die Verwaltung des Kindesvermögens zuständig und hat die Befugnis, selbständige Unterhaltsklagen zu führen.13 In diesem Entscheid aus dem Jahre 2010 hat das Bundesgericht die Aktiv- und Passivlegitimation in einem Prozess deshalb dem Inhaber der elterlichen Sorge ebenso wie dem minderjährigen Kind zuerkannt, auch wenn die Abänderung des Unterhaltsbeitrages für ein aussereheliches Kind streitig ist (BGE 136 III 365, E. 2).
2.2 Abweichen vom Gesetzeswortlaut
Diesem doch offensichtlichen Interessenkonflikt und dem Fehlen einer klaren Regelung im Gesetz begegnen Patrick Fassbind und Luca Maranta mit dem Hinweis, dass in Verbindung mit dem anwendbaren Offizialgrundsatz und der uneingeschränkten Untersuchungsmaxime (Art. 296 ZPO) ausreichende Sicherungsmechanismen vorliegen würden. Damit begegne man der Interessenkollision des Elternteils, der namens des Kindes Unterhalt vom anderen Elternteil verlangt. Indem man die Vertretungsmacht dem Inhaber der elterlichen Sorge trotz Interessenkollision belasse, werde zwar vom Wortlaut von Art. 306 Abs. 3 ZGB abgewichen. Die Autoren rechtfertigen das aber so: Im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips respektive des Komplementaritätsprinzips, welches das gesamte Kindesschutzrecht im Sinne von Grundpfeilern durchdringen, sei eine Abweichung zulässig. Denn nur eine Abweichung vom Wortlaut erlaube es, so wenig wie nötig in die Elternrechte einzugreifen und die elterlichen Fähigkeiten nicht durch Massnahmen des Kindesschutzes zu verdrängen.14
In pragmatischer und prozessökonomischer Hinsicht vermag dieser Lösungsansatz zu überzeugen. Doch es ist fraglich, ob Art. 296 ZPO beziehungsweise die darin statuierten Sicherungsmechanismen in Prozessen betreffend Kinderbelange eine Interessenkollision eines (gemeinsam sorgeberechtigten) Elternteils, der im Namen des Kindes vom anderen Elternteil Unterhalt verlangt, zu verdrängen vermag. Meines Erachtens kann eine solche Interessenkollision nicht durch die in Kinderbelangen geltenden Grundsätze der Subsidiarität, Komplementarität und der Verhältnismässigkeit verdrängt werden. Während Art. 306 Abs. 2 und/oder Abs. 3 ZGB primär die Interessen des Kindes schützen, versuchen die im Kindesrecht allgemein geltenden Grundsätze der Subsidiarität, Komplementarität und der Verhältnismässigkeit das Recht der (eigenen) Elternverantwortung gegenüber behördlichem Einschreiten zu stützen und zu schützen. Insofern besticht die Argumentation der genannten Autoren nicht, auch wenn sie für den prozessierenden Anwalt und die involvierten Behörden pragmatisch und prozessökonomisch wäre.15
2.3 Beistandschaft
Unterhalt wird primär nicht nur durch Geldzahlung, sondern durch Pflege und Erziehung geleistet (Art. 276 Abs. 1 ZGB). Daher stellt sich neuerdings in Prozessen, bei denen sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern um Betreuungsanteile zanken, auch die Frage, ob im Falle einer alternierenden Obhut überhaupt noch ein Elternteil den (materiell-rechtlich dem Kind zustehenden) Anspruch auf Unterhalt gegenüber dem anderen Elternteil geltend machen kann oder ob das Kind per se über einen durch die Kindesschutzbehörde oder das Gericht eingesetzten Kindesvertreter gegen beide Elternteile klagen muss.
Formell richtig wäre meines Erachtens in den Konstellationen, in denen ein gemeinsam sorgeberechtigter Elternteil auf Unterhalt gegenüber dem anderen Elternteil klagt, dass die Kindesschutzbehörde aufgrund einer Interessenkollision der Eltern gestützt auf Art. 308 Abs. 2 ZGB vor Klageerhebung einen Beistand (in der Regel einen Rechtsanwalt) damit betraut, die Unterhaltsklage einzureichen. Zudem dürfte dabei Art. 306 Abs. 2 bzw. 3 ZGB regelmässig zur Anwendung gelangen. In solchen Konstellationen entfallen grundsätzlich die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit. Das ist angezeigt, da ihr Eigeninteresse (zumindest bei einem im Prozess involvierten Elternteil) regelmässig in Konflikt mit den Interessen des Kindes geraten dürfte. Heute bleibt ein Unterhaltsprozess selten ein reiner Unterhaltsprozess. Denn das Gericht hat nun auch die weiteren Kinderbelange zu regeln. Der Gesetzgeber hat mit dieser Lösung bei unverheirateten Eltern die Doppelspurigkeit zwischen Kindesschutzbehörde und Gericht mit der jüngsten Gesetzesrevision korrigiert.
2.4 Eingesetzte Kindsvertretung
Die Einsetzung einer Kindsvertretung durch das Gericht stützt sich auf Art. 299 ZPO. Diese Bestimmung ist primär auf eherechtliche Verfahren zugeschnitten, in welchen sich die (verheirateten) Kindseltern als Prozessparteien gegenüberstehen. Bei ledigen Eltern ist aber das (minderjährige) Kind selbst oder in Prozessstandschaft Partei des Verfahrens. Folglich ist die (gerichtliche) Anordnung einer Vertretung gestützt auf Art. 299 ZPO nicht auf unverheiratete Eltern zugeschnitten. Zudem erscheint es grundsätzlich fraglich, ob der obhutsinnehabende Elternteil bei gemeinsamer elterlicher Sorge aufgrund des Interessenkonfliktes (Art. 206 Abs. 2 ZGB) überhaupt zur rechtsgütlichen Einleitung einer Klage befugt wäre.
Art. 299 ZPO bezieht sich auf die Einsetzung einer Kindsvertretung durch das Gericht und damit folglich nach Anhebung des Prozesses. Die Bestimmung kann de lege lata höchstens aber immerhin als Korrektiv durch den Richter angewendet werden, um einem gemeinsam sorgeberechtigten Elternteil im Prozess allenfalls die Befugnis zu entziehen, den Unterhalt im Namen des Kindes geltend zu machen.
2.5 Kinder unverheirateter Eltern ungleich behandelt
Die gesamte Problematik führt auch zum Schluss, dass Kinder von nicht verheirateten Eltern gegenüber Kindern von verheirateten Eltern benachteiligt werden. Es erscheint fraglich, ob der Gesetzgeber dies tatsächlich so gewollt hat.
Derzeit wird diese Problematik durch eine weit ausgelegte Anwendung der in BGE 136 III 365 statuierten Prozessstandschaft gelöst, indem die Gerichte in familienrechtlichen Angelegenheiten ausserhalb des Scheidungs- und Eheschutzverfahrens die Prozessstandschaft der Eltern zulassen, zuweilen die Frage der Mandatierung eines Anwaltes durch einen einzelnen (gemeinsam sorgeberechtigten) Elternteil aber unbeantwortet lassen.
Nachdem das Bundesgericht aber nur kurz vor Erlass des Entscheides, welcher die Prozessstandschaft zulässt, noch das Gegenteil vertreten hat und die Frage der Mandatierung ungeklärt ist, ist das Prozessieren in Kinderbelangen nicht verheirateter Eltern regelmässig von einer Ungewissheit über die prozessualen Gegebenheiten mitgetragen.
In prozessualer Hinsicht sind nicht verheiratete Eltern gegenüber verheirateten Eltern ohnehin schon benachteiligt, indem sie zunächst ein Schlichtungsverfahren durchlaufen oder vorab die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) anrufen müssen (Art. 197 ZPO; Art. 198bbis ZPO), während sich verheiratete Eltern direkt an das Gericht wenden können. Kommt hinzu, dass die Kesb kaum die Kapazität hätte, sich nebst all ihren anderen Verfahren noch bei jeder Unterhaltsklage nicht verheirateter Eltern mit der formellen Einsetzung eines Beistands für den Prozess zu bemühen. Nicht zuletzt in verfahrensökonomischer Hinsicht wäre dieses Vorgehen fraglich.
2.6 Exkurs Volljährigkeit
Mit dem Erreichen der Volljährigkeit endet die Befugnis der Eltern (Art. 14 ZGB). Grundsätzlich besteht für die Geltendmachung von Volljährigenunterhalt gestützt auf Art. 277 Abs. 2 ZGB keine Prozessstandschaft.16 Trotzdem nimmt das Bundesgericht aufgrund der Regelung in Art. 133 Abs. 3 ZGB an, dass der (sorgeberechtigte) Elternteil zur Geltendmachung von Kindesunterhalt auch über die Volljährigkeit hinaus befugt ist.17 Art. 133 Abs. 3 ZGB bestimmt, dass das Gericht den Unterhaltsbeitrag über die Volljährigkeit hinaus festlegen darf. Damit gelten prozessuale Handlungen eines sorgeberechtigten Elternteils für das minderjährige Kind auch für die Zeit nach dessen Volljährigkeit (Art. 133 Abs. 3 ZGB, Art. 277 Abs. 2 ZGB, vgl. zur Thematik auch BGE 142 III 78, E. 2). Wird das Kind aber während eines hängigen Gerichtsverfahrens volljährig, so bedarf die Fortführung des Unterhaltsprozesses durch den sorgeberechtigten Elternteil der Zustimmung des volljährigen Kindes.18
Wie es sich aber bei Kindern nicht verheirateter Eltern verhält, die während eines Prozesses volljährig werden, ist nicht geklärt. Kesb und Gerichte wenden in der Regel Art. 133 Abs. 3 ZGB analog an, sodass die Unterhaltsbeiträge ebenfalls über die Volljährigkeit hinaus festgelegt werden (Vorbehalt von Art. 277 Abs. 2 ZGB). Gestützt auf die soeben gemachten Ausführungen und in Anlehnung an die vom Bundesgericht in BGE 136 III 365 statuierte Prozessstandschaft dürfte daher auch bei Kindern nicht verheirateter Eltern eine Weiterführung des Prozesses durch den in Prozessstandschaft prozessierenden Elternteil mit Zustimmung des volljährigen Kindes möglich sein.
2.7 Gesetzgeberischer Handlungsbedarf
Es wäre zu begrüssen, wenn der Gesetzgeber bei der nächsten Revision Klarheit schafft. In der Praxis tolerieren die Gerichte oft vieles (Prozessstandschaft, direkte Vertretung des Kindes, Mandatierung durch einen Elternteil), was als prozessierender Anwalt zu begrüssen ist. Diese Haltung ist prozessökonomisch und dient letztlich dem Kind zur Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs.
Zu bevorzugen ist angesichts der noch nicht ganz klaren Rechtslage die Prozessstandschaft, zumal diesfalls im Falle einer Ausdehnung des Prozesses auf Betreuungsanteile und weitere Kinderbelange der Richter mittels analoger Anwendung von Art. 299 ZPO korrigierend eingreifen und die Kindesinteressen wahren kann. Gleichzeitig verbleibt dem prozessierenden Anwalt immerhin die Befugnis, den Elternteil in den weiteren Kinderbelangen (mit Ausnahme des Unterhaltes) zu vertreten.
3. Fazit
Klare gesetzliche Regelungen über die prozessuale Vertretung des materiell anspruchsberechtigten Kindes fehlen. Eine mögliche Lösung wäre die Statuierung einer Prozessstandschaft «sui generis» im Gesetz. Die prozessuale Aktivlegitimation müsste den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern je einzeln zukommen, wobei der materiell-rechtliche Anspruch beim Kind verbleibt. Analog des Eheschutz- und Scheidungsverfahrens sollte für ledige Eltern die Möglichkeit bestehen, in einem Prozess gegenseitig als Partei aufzutreten. Damit würde Klarheit geschaffen und Interessenkonflikte bei der Vertretung des Kindes würden weitestgehend aus dem Weg geräumt. Dem Richter bliebe in jedem Fall die Möglichkeit, eine Vertretungsbeistandschaft im Sinne von Art. 299 Abs. 2 ZPO einzusetzen und Kinder nicht verheirateter Eltern wären auch in prozessualer Hinsicht Kindern verheirateter Eltern gleichgestellt.
De lege lata wäre nach der hier vertretenen Ansicht korrekterweise in jedem Fall, in welchem sich unverheiratete, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern im Prozess gegenüberstehen, eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB zu errichten.
Aus Sicht des Praxisalltags ist es zwar zu begrüssen, dass mit Verweis auf BGE 136 III 365 die Möglichkeit besteht, diesen doch eher mühsamen Schritt zu vermeiden, nachdem sonst auch eine Ungleichbehandlung von Kindern lediger Eltern resultieren würde. Befriedigend ist die Situation insbesondere für prozessierende Anwälte heute aber nicht.
Sabine Aeschlimann / Jonas Schweighauser, Art. 289 ZGB N 46, in: Ingeborg Schwenzer / Roland Fankhauser (Hrsg.), Fam Kommentar Scheidung, Bern 2017.
Vgl. insb. BGer. 5A_467/2017
vom 13.3.2018, E. 2.2, mit
weiteren Verweisen, sowie BGer. 5A_186/2016, E. 4, vom 2.5.2016.
Vgl. Tobias Brändli, «Voraussetzungen der alternierenden Obhut», in: plädoyer 1/2019,
S. 44 ff., mit weiteren Hinweisen und Verweisen.
BGE 136 III 365, E. 2.
BGer 5A_104/2009 vom 19.3.2009.
BGE 136 III 365, E. 2.
Vgl. hierzu Christophe A. Herzig, «Prozessstandschaft im Kindesunterhaltsrecht quo vadis?», in: Kaleidoskop des Familien- und Erbrechts, Liber amicarum für Alexandra Rumo-Jungo, Zürich 2014, S. 147 ff., insb. S. 161 ff.
Vgl. BGer 5A_984/2014 vom 3.12.2015.
Jonas Schweighauser / Andrea Vontobel, «Das neue Kindesunterhaltsrecht – wo stehen wir,
was diskutieren wir, wie rechnen wir in einer komplexen Situation», in: Roland Frankhauser, Andrea Büchler (Hrsg.), Neunte Schweizer Familienrechtstage, 2018, S. 121 f.
Thomas Geiser, «Übersicht über die Revision des Kindesunterhaltsrechtes», in: AJP 2016, S. 1279.
Kurt Affolter / Urs Vogel, Art. 301 N 36a ZGB, in: Berner Kommentar, Bern 2016.
Patrick Fassbind / Luca Maranta, «Interessenkollisionen im Kindesunterhaltsrecht», in:
ZKE 2016, S. 454, 460.
BGE 136 III 365.
Fassbind / Maranta, a.a.O., S. 454, 459.
Kritik auch von Schweighauser /
Vontobel, a.a.O., S. 121 f.
BGE 142 III 78, 81, E. 3.2.
BGE 139 III 401, E. 3.2.2, BGE 129 III 55, E. 3.1.4.
BGE 129 III 55, E.3.