Kolumne: Fifa-Juristen im Haifischteich
Inhalt
Plädoyer 06/2023
04.12.2023
Benjamin Rothschild
Die Fifa hat ihren Hauptsitz seit 1932 in Zürich. Die Rahmenbedingungen, die der Weltfussballverband dort antrifft, muten eigentlich gut an: Die Fifa wird trotz Milliardengewinnen wie ein gemeinnütziger Verein behandelt und zahlt einen reduzierten Gewinnsteuersatz. Der Fifa-Hauptsitz thront an exklusiver Lage hoch oben beim Zürcher Zoo. Die Rechtsabteilung ist etwas unterhalb untergebracht, beim ebenfalls exklusiven Aussichtspunkt Sonnenberg inklusive Restaurant für Gutbet...
Die Fifa hat ihren Hauptsitz seit 1932 in Zürich. Die Rahmenbedingungen, die der Weltfussballverband dort antrifft, muten eigentlich gut an: Die Fifa wird trotz Milliardengewinnen wie ein gemeinnütziger Verein behandelt und zahlt einen reduzierten Gewinnsteuersatz. Der Fifa-Hauptsitz thront an exklusiver Lage hoch oben beim Zürcher Zoo. Die Rechtsabteilung ist etwas unterhalb untergebracht, beim ebenfalls exklusiven Aussichtspunkt Sonnenberg inklusive Restaurant für Gutbetuchte.
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Über die Gründe für den geplanten Juristenabzug in die USA kann nur spekuliert werden. Offiziell begründet die Fifa den Schritt mit ihrer Globalisierungsstrategie. Zuletzt eröffnete sie auch in Paris und Singapur Büros. Einige Beobachter deuten die Ausgliederung als Zeichen der zunehmenden Entfremdung zwischen der Fifa und Zürich: Die steuerlichen Privilegien werden politisch immer wieder angefochten, bisher allerdings erfolglos. Und zuletzt verbot die Stadt auf ihrem Gebiet das Public Viewing von Spielen der Weltmeisterschaft in Katar.
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Der Basler Strafrechtsexperte Mark Pieth, der die Geschehnisse innerhalb und um die Fifa seit Jahren kritisch beobachtet, vermutet im geplanten Wegzug der Rechtsabteilung einen Schachzug von Präsident Gianni Infantino: «Überall wo er hingeht, bringt er Geschenke mit.» Die nächste Weltmeisterschaft findet 2026 in den USA, Kanada und Mexiko statt. Verlegte der Briger Infantino vor der Katar-WM immerhin seinen Wohnsitz in den Golfstaat, beglückt er nun die Vereinigten Staaten mit über 100 Juristen.
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Ob er damit auch sich und der Fifa ein Geschenk macht, ist für Pieth fraglich: «Infantino nahm wohl an, dass es unproblematischer ist, die Rechtsabteilung in die USA zu verlagern als die operationellen Bereiche der Fifa, die eher im Zentrum von Korruptionsvorwürfen stehen könnten.» Doch auch der Juristen-Umzug sei riskant, sagt Pieth: In den USA gäbe es den «RICO Act», ein sehr scharfes Bundesgesetz, das den Umgang mit kriminellen Organisationen regelt.
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Kein Geschenk ist der Umzug für die betroffenen Angestellten. Ein Fifa-Jurist schätzt, dass nur rund 30 Kollegen nach Miami auswandern werden. Die Lebenskosten dort seien höher als im schon teuren Zürich. Dazu kommen die Gefahren in der Umgebung: In Florida gibt es 1,3 Millionen wilde Alligatoren, sechs Giftschlangenarten sowie eine Vielzahl von Haien. Gut möglich, dass die umgesiedelten Juristen dereinst nicht nur der Schweizer Rechtsordnung, sondern auch der Nähe zum harmlosen Zürcher Zoo nachtrauern werden.