Ende Februar hat der Bundesrat die Botschaft an das Parlament für eine revidierte Zivilprozessordnung veröffentlicht. Seine Zielsetzung: «Privaten und Unternehmen soll der Zugang zum Gericht erleichtert werden.» Analog zum Vorentwurf will der Bundesrat die Prozesskostenvorschüsse künftig halbieren. Und die klagende Partei soll nicht mehr für die Kosten aufkommen müssen, wenn sie den Prozess gewinnt. Das Inkassorisiko trägt neu der Staat – wie es vor der Schweizerischen Prozessordnung in den meisten Kantonen der Fall war.
Die meisten Kantone waren entschieden gegen diese Änderungen, weil sie zu Ausfällen bei den Gerichtsgebühren führen (plädoyer 1/2019). Daher schlägt der Bundesrat verschiedene Ausnahmen vor: Vor Schlichtungsbehörde, im summarischen Verfahren und im Rechtsmittelverfahren können die Gerichte weiterhin vom Kläger einen vollen Vorschuss verlangen und diesen mit den Gerichtskosten verrechnen – selbst wenn der Kläger obsiegt. Weitergehende Anliegen wie noch tiefere Kostenvorschüsse oder einen landesweit vereinheitlichten Gebührentarif (plädoyer 2/2019) lehnte der Bundesrat ab.
Wie im Vorentwurf soll die Schlichtungsbehörde künftig in den übrigen vermögensrechtlichen Streitigkeiten einen Urteilsvorschlag bis zu einem Streitwert von 10 000 Franken unterbreiten können – bisher geht das nur bis 5000 Franken.
Für Entscheide der Schlichtungsbehörde soll die Streitwertgrenze nach Meinung des Bundesrats bei 2000 Franken bleiben. Wer unentschuldigt einer Schlichtungsverhandlung fernbleibt, kann neu mit einer Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken bestraft werden.
Kantonale Spezialgerichte für internationale Fälle
Neu wird im ZPO-Entwurf den Kantonen die Möglichkeit eingeräumt, Spezialgerichte für internationale Handelsstreitigkeiten einzurichten. Der Vorschlag für diese Neuerung stammt von der Grünliberalen Partei, der Genfer Advokatenkammer, dem Zürcher Anwaltsverband sowie von den Kanzleien Lenz & Staehelin und Walder Wyss. Damit soll ein «sinnvoller Beitrag zum Justizdienstleistungsplatz Schweiz geleistet werden», schreibt der Bundesrat. Als Folge dieser Neuerung sollen künftig Verfahren in englischer Sprache möglich sein sowie Zeugen, Parteien und Gutachter vom Gericht in einer Videokonferenz befragt werden können.
Weiter schlägt der Bundesrat vor, dass bei einer Verbandsklage das Gericht den Streitwert festlegen kann. So lässt sich ein unverhältnismässig hoher Streitwert vermeiden, wie etwa im Prozess der Stiftung für Konsumentenschutz gegen den Automobilimporteur Amag und Volkswagen. Dort berechnete das Handelsgericht Zürich einen Streitwert von 200 000 Franken, was sich in einer Gerichtsgebühr von 10 000 Franken und Parteientschädigungen von 7500 Franken niederschlug.
Neben diesen zum Teil erstmals im Entwurf neu eingebrachten Themen hat der Bundesrat eine Vielzahl von Vorschlägen aus dem Vorentwurf übernommen. Beispielsweise die unentgeltliche Rechtspflege für die vorsorgliche Beweisführung, das Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unternehmensjuristen, die Verwertbarkeit von Parteiguthaben als Beweismittel und das vereinfachte Verfahren für Kinderunterhaltsklagen.
Die Vorschläge des Bundesrats für einen kollektiven Rechtsschutz wurden von Economiesuisse und anderen Wirtschaftsorganisationen massiv kritisiert. Die Schweizerische Volkspartei befürchtete sogar, dass mit der neuen Verbandsklage eine «aggressive, angelsächsische Sammelklage-Streitkultur in der Schweizer Rechtsordnung verankert werde». Der Bundesrat legt deshalb den kollektiven Rechtsschutz auf Eis. «Die Abspaltung ermöglicht es, die weiteren Entwicklungen und parlamentarischen Arbeiten sowie die parlamentarische Diskussion der ZPO-Vorlage mitzuberücksichtigen», so der Bundesrat. Als Nächstes wird die Rechtskommission des Ständerates die Botschaft beraten.