Martino Locher hat die Anwaltsprüfung im Herbst 2017 im Kanton Aargau abgelegt. Er warnt vor allgemeingültigen Lernrezepten: «Die Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Man sollte daher nicht auf Biegen und Brechen die Lernpläne erfolgreicher Absolventen kopieren.»
Sinnvoll erscheint dem 30-Jährigen einzig der Rat, anhand von Anwaltsprüfungen aus früheren Jahren den Ernstfall in Echtzeit zu simulieren. «So muss man diesen Stresstest am Tag der Anwaltsprüfung nicht zum ersten Mal absolvieren», lautet seine Einschätzung.
Lerngruppen zur Kontrolle und Inspiration
Es empfiehlt sich, alte Prüfungsaufgaben zuerst allein zu lösen und sie anschliessend in einer Lerngruppe zu besprechen. So werde klar, ob man den Stoff tatsächlich verstanden habe. Zudem werde das Blickfeld erweitert, wenn andere Kandidaten weitere Lösungsvorschläge aufzeigen. In einigen Kantonen sind frühere Anwaltsprüfungen einfach zu finden: Die Aargauer, die Luzerner und die Zürcher Anwaltsprüfungskommission publizieren sie im Internet (siehe unten). Die St. Galler Prüfungskommission stellt Interessierten auf Anfrage Prüfungen elektronisch zur Verfügung.
In den Kantonen Basel-Stadt und Bern bieten die Anwaltsprüfungskommissionen keine alten Prüfungsunterlagen an. Das heisst aber nicht, dass sie in diesen Kantonen nicht aufgetrieben und verwendet werden. Melanie Aebli bestand letztes Jahr die Anwaltsprüfung im Kanton Bern. Sie verrät: «Man lernt auch hier anhand bisheriger Prüfungsfragen. Ohne diese hätte man überhaupt keine Vorstellung, was in etwa verlangt wird».
Die Universität St. Gallen führt öffentliche Vorbereitungskurse für Rechtsanwaltskandidaten durch. So bietet sie im Frühjahrssemester gegen Bezahlung die Kurse «Anwalts- und Beurkundungsrecht», «Schweizerisches Strafprozessrecht» und «Schweizerisches Zivilprozessrecht» an. Auch die Universität Bern bietet Vorlesungen zur Anwaltsprüfung an. «Diese Vorlesungen sind nicht obligatorisch, sie bringen aber viel», sagt Aebli. Unterlagen werden anlässlich der Vorlesungen abgegeben oder können im Internet heruntergeladen werden. In Luzern organisiert das Kantonsgericht jährlich mehrere kostenlose Kolloquien für Anwaltspraktikanten. Zudem bietet die «Stiftung für Rechtsausbildung» für Luzerner Aspiranten jährlich Seminare zu praxisrelevanten Rechtsgebieten an.
Von Vorteil kann auch sein, sich zumindest für die Prüfungsphase einem Verein anzuschliessen. Im Aargau gibt es den «Verein Rechtspraktikanten», in Bern den «Verein der Anwalts- und Notariatspraktikanten» und in Zürich den «Zürcher Auditoren- und Gerichtsschreiberverein». Prüfungskandidaten finden in den Vereinen Unterlagen, können Vorträge besuchen und erhalten Prüfungstipps. Sie können sich auch austauschen und Lerngruppen suchen.
Prüfungsfragen
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