Strafrechtliche Ahndung von Uber Pop Frankreich war rechtens
Der EuGH stellte in einem Urteil fest, dass Mitgliedstaaten die rechtswidrige Ausübung von Beförderungstätigkeiten mit Uber Pop verbieten und strafrechtlich ahnden können, ohne der EU-Kommission den Gesetzentwurf, mit dem dies unter Strafe gestellt wird, vorab mitzuteilen.
Hintergrund ist die strafrechtliche Verfolgung von Uber France vor dem Hintergrund, dass Uber Pop Kunden mit Fahrern zusammenführte, die keine Berufsfahrer sind, die Personen in Fahrzeugen mit weniger als zehn Sitzplätzen entgeltlich befördern dürfen. Uber France argumentierte, die Mitgliedstaaten müssten der EU-Kommission jeden Entwurf von Regelungen mitteilen, wenn damit technische Vorschriften für Dienste der Informationsgesellschaft eingeführt würden. Deshalb sei die strafrechtliche Verfolgung unzulässig. Das zuständige Gericht fragte den EuGH, ob Frankreich verpflichtet war, der Kommission die entsprechende Vorschrift mitzuteilen.
Der EuGH erinnerte an seinen Entscheid vom 20. Dezember 2017 in der Rechtssache C-434-15 Uber Spanien. Dort stellte der Gerichtshof fest, Uber Pop falle in den Bereich des Verkehrs und stelle keinen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie dar. Dasselbe gelte für Uber Pop Frankreich. Die französischen Behörden seien daher nicht verpflichtet gewesen, der EU-Kommission den Entwurf des Strafgesetzes vorab mitzuteilen.
Urteil des EUGH vom 10.4.2018, Uber France, C-320/16, EU:C:2018:221
Umstrukturierung: Airline muss Passagiere bei Streik entschädigen
Der EuGH präzisiert seine Rechtsprechung zu den aussergewöhnlichen Umständen, die Fluggesellschaften laut Fluggastrechteverordnung von der Entschädigungspflicht bei einer Annullierung oder einer Verspätung befreien. Im Ausgangsverfahren hatte sich nach einem von den Arbeitnehmern selbst verbreiteten Aufruf ein Grossteil der Belegschaft von TUI fly krankgemeldet, nachdem das Unternehmen Umstrukturierungspläne bekanntgegeben hatte. Zahlreiche Flüge wurden annulliert oder kamen mit grosser Verspätung an. Entschädigungsforderungen von gestrandeten oder verspätet angekommenen Fluggästen lehnte TUI fly mit Hinweis auf «aussergewöhnliche Umstände» ab.
Die Amtsgerichte Hannover und Düsseldorf fragten den EuGH, ob die spontane Abwesenheit eines Grossteils der Belegschaft unter den Begriff falle. Laut EuGH sind die beiden kumulativen Voraussetzungen für eine Einstufung als «aussergewöhnlicher Umstand» nicht gegeben. So fordert die Verordnung in Art. 5 Abs. 3, dass das Vorkommnis seiner Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft und von dieser nicht beherrschbar ist. Obwohl die Verordnung Streik als möglichen aussergewöhnlichen Umstand nennt, müssen laut EuGH die Umstände im Einzelfall betrachtet werden. Umstrukturierungen und darauf folgende Meinungsverschiedenheiten seien normale Risiken in der Tätigkeit einer Fluggesellschaft.
Urteil des EuGH vom 17.4.2018, Helga Krüsemann u.a. gegen TUI fly GmbH, C-195/17, C-197/17 bis C 203/17, C-226/17, C-228/17, C-254/17, C-274/17, C-275/17, C-278/17 bis C-286/17 und C-290/17 bis C-292/17, EU:C:2017:914
Trotz Volljährigkeit erleichterte Familienzusammenführung
Eine eritreische Minderjährige war unbegleitet in die Niederlande eingereist und hatte vor ihrer Volljährigkeit einen Asylantrag gestellt. Ihr wurde ein auf fünf Jahre befristeter Aufenthaltstitel für Asylberechtigte erteilt, der auf den Zeitpunkt des Asylantrags zurückging. Eine NGO stellte daraufhin einen Antrag auf Erteilung eines vorläufigen Aufenthaltstitels für die Eltern sowie die Brüder. Dies wurde von den Behörden abgelehnt, weil die unbegleitete Asylsuchende zum Zeitpunkt des Antrags für die Familienzusammenführung bereits volljährig war. Das zuständige Gericht verlangte vom EuGH Klärung darüber, ob der Zeitpunkt der Einreise bzw. des Asylantrags oder jener des Antrags auf Familienzusammenführung entscheidend sei.
Der EuGH befand, massgeblich sei der Zeitpunkt der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und des Stellens des Asylantrags. Die eritreische Asylsuchende wurde mithin als Minderjährige im Sinne der Familienzusammenführungsrichtlinie qualifiziert. Dies berechtigt zu einer Familienzusammenführung, die nicht an das Ermessen eines Mitgliedstaats gebunden ist. Die Richtlinie spezifiziere zwar nicht, bis zu welchem Zeitpunkt im Prozess ein Flüchtling minderjährig sein muss, um das spezielle Recht auf Familienzusammenführung in Anspruch nehmen zu können. Die Bestimmung dieses Zeitpunkts könne aber nicht dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben.
Urteil des EuGH vom 12.4.2018, A und S gegen Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie, C-550/16, EU:C:2018:248.