Nichtigkeitsklage gegen EU-Waffenrichtlinie
Die Schweiz stimmte am 19. Mai darüber ab, ob die Richtlinie 2017/853 (EU-Waffenrichtlinie) im Rahmen des Schengen-Besitzstandes übernommen werden soll. Tschechien wehrte sich mit juristischen Mitteln vor dem EuGH gegen die Einführung der Richtlinie. Das Land argumentierte, die Richtlinie ziele nicht darauf ab, den freien Verkehr von Schusswaffen im Binnenmarkt zu regulieren. Die Richtlinie stützt sich nämlich auf Art. 114 AEUV ab, der in Bezug auf das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts Harmonisierungsmassnahmen durch den europäischen Gesetzgeber ermöglicht. Vielmehr wolle die EU laut der tschechischen Klage den Bereich der Verhütung von Straftaten harmonisieren und ignoriere dabei weiter den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Weiter monierte Tschechien eine Ungleichbehandlung, indem der Schweiz eine Ausnahme bei Erwerb und Besitz von halbautomatischen Feuerwaffen gewährt werde.
In ihren Schlussanträgen, die in wichtigen EuGH-Fällen einem Urteil des Gerichtshofs vorangehen und im Resultat häufig, aber nicht immer vom EuGH übernommen werden, kam Generalanwältin Sharpston zum Schluss, dass die Richtlinie tatsächlich auch andere Bereiche wie etwa die öffentliche Sicherheit betreffe. Jedoch sei es im Anschluss an die Terroranschläge in Paris im Jahr 2015 wahrscheinlich gewesen, dass die Mitgliedstaaten voneinander abweichende nationale Schutzmassnahmen ergriffen hätten, womit der Verkehr von Schusswaffen innerhalb des Binnenmarkts potenziell beeinträchtigt worden wäre. Die Harmonisierungsmassnahmen seien daher angebracht gewesen. Weiter sei der Rückgriff auf Art. 114 AEUV nicht allein deshalb unzulässig gewesen, weil weitere Bereiche durch erlassene Massnahmen tangiert worden wären. Der Unionsgesetzgeber habe die Richtlinie damit zu Recht auf der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassen. In Bezug auf die Verhältnismässigkeit hielt Sharpston fest, dass die Bestimmungen der Richtlinie keineswegs unverhältnismässig seien. So sei beispielsweise kein Bann für eine Kategorie von Schusswaffen eingeführt worden. Hinsichtlich der Ungleichbehandlung schloss die Generalanwältin, dass die EU nebst der Gleichbehandlung auch die nationalen Identitäten achten müsse. Mit der Sonderlösung, die in der Richtlinie generell abstrakt formuliert ist, aber aufgrund der zu erfüllenden Voraussetzungen de facto nur für die Schweiz Anwendung findet, tue die EU genau dies. Die Situation der Schweiz sei mit jener der anderen Schengen-Staaten nicht in allen Bereichen vergleichbar, womit keine Ungleichbehandlung vorliege.
Urteil des Gerichtshofs C-482/17 Tschechien gegen Parlament und Rat der EU vom 11.4.2019, ECLI:EU:C:2018:119
Zugang zu Glyphosatstudien zu Unrecht eingeschränkt
Das Gericht der Europäischen Union sah in der Weigerung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), Einsicht in Studien über die Wirkung von Glyphosat zu verweigern, einen Verstoss gegen das auch in der EU geltende Öffentlichkeitsprinzip. Mehrere Kläger hatten Einsicht in Studien über das in Pflanzenschutzmitteln steckende Herbizid Glyphosat verlangt. Dabei stützten sie sich sowohl auf die Verordnung 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten bei Rat, Parlament und Kommission sowie auf die Aarhus-Verordnung, welche den Zugang zu Umweltinformationen regelt (Verordnung 1367/2006). Die Einsicht in die Studien, welche die Toxizität sowie die krebserregende Wirkung des Wirkstoffs betrafen, verweigerte die EFSA u.a. mit Hinweis darauf, dass die Verbreitung der Informationen Geschäftsinteressen der an der Erstellung der Studien beteiligten Unternehmen schädigen könnte. Weiter bestehe kein öffentliches Interesse an der Verbreitung der Studie und die Informationen in der Studie seien keine Informationen im Sinne der Aarhus-Verordnung, womit Letztere nicht anwendbar sei.
Das Gericht rief in Erinnerung, nach der Aarhus-Verordnung gehe die Einsicht in Informationen zu Emissionen in die Umwelt dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vermutungsweise vor. Zweck von Glyphosat sei es, Wirkungen in der Umwelt zu erzielen. Informationen über die Auswirkungen dieser Emissionen fielen in den Anwendungsbereich der Verordnung. Das Gericht hob die Entscheidung der EFSA, die Einsicht in die Studien zu verweigern, auf.
Urteile des Gerichts T-716/14 und T-329/17 «Anthony Tweedale und Hautala u.a. c. EFSA» vom 7.3.2019, ECLI:EU:T:2019:141