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Plädoyer 01/2018
05.02.2018
Jonas Racine
Schlichtungsbehörde ist ein Gericht im Sinne des Lugano-II-Übereinkommens
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält in einem Urteil fest, dass Schweizer Schlichtungsbehörden als Gericht im Sinne des Lugano-Abkommens gelten. Die zuständigen deutschen Behörden hatten beim Friedensrichteramt des Kreises Reiat in Schaffhausen eine Forderung von 5000 Euro gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Forderung stammte von Soziall...
Schlichtungsbehörde ist ein Gericht im Sinne des Lugano-II-Übereinkommens
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält in einem Urteil fest, dass Schweizer Schlichtungsbehörden als Gericht im Sinne des Lugano-Abkommens gelten. Die zuständigen deutschen Behörden hatten beim Friedensrichteramt des Kreises Reiat in Schaffhausen eine Forderung von 5000 Euro gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Forderung stammte von Sozialleistungen für die in Deutschland lebende Mutter der Beklagten. Solche Gelder können laut deutschem Recht von leiblichen Kindern unter Umständen zurückgefordert werden.
Die Beklagte reagierte auf das Schlichtungsgesuch mit einer Klage vor dem Amtsgericht Stuttgart mit dem Begehren zur Feststellung, dass sie nicht zur Rückzahlung der Sozialhilfeleistungen an die deutschen Behörden verpflichtet sei. Da es sich um denselben Anspruch zwischen denselben Parteien handelte, wäre das Stuttgarter Gericht laut Lugano-II-Übereinkommen zur Aussetzung des Verfahrens verpflichtet gewesen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Das Amtsgericht Stuttgart ortete Zweifel an der Qualifizierung des Friedensrichteramts Reiat als Gericht im Sinne des Lugano-II-Übereinkommens und wandte sich mit Bitte um Klärung an den EuGH.
Der EuGH verwies darauf, dass der Begriff eines «Gerichts» gemäss Art. 62 des Lugano-II-Übereinkommens alle Behörden umfasst, welche von den Signatarstaaten für die vom Übereinkommen erfassten Gebiete als zuständig bezeichnet wurden. Weiter seien die Schweizer Schlichtungsbehörden auch aus funktionaler Optik als Gerichte zu betrachten, welche den Verfahrensgarantien der ZPO unterworfen seien. Der EuGH stellte nach seinem Exkurs in die ZPO weiter fest, dass der Einleitung eines zivilen Gerichtsverfahrens in der Regel ein Schlichtungsverfahren vorangeht und dass die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung zur Unzulässigkeit einer etwaigen Klageerhebung führt.
Urteil C-467/16, EU:C:2017:993 des EuGH vom 20.12.2017 in Sachen Schlömp gegen Landratsamt Schwäbisch Halljr