Verbotene Absprachen in der Pharmabranche
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil festgehalten, dass die Absprache zwischen den Arzneimittelherstellern Roche und Novartis bezüglich der Medikamente Avastin und Lucentis – welche beide im Bereich der Augenheilkunde zum Einsatz kommen – eine unerlaubte Wettbewerbsbeschränkung darstellen kann. Die Entscheidung wurde im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gefällt.
Beide Medikamente werden vom Unternehmen Genentech produziert, welches zur Roche-Gruppe gehört. Mit einer Lizenzvereinbarung überliess Genentech die gewerbliche Verwertung von Lucentis Novartis. Die Medikamente sind von der Arzneimittelagentur (EMA) der EU genehmigt. Sie erteilte für Lucentis eine Zulassung zur Behandlung von Augenkrankheiten. Avastin hingegen ist nur bei Tumorerkrankungen zugelassen, wird allerdings häufig zur Behandlung von Augenkrankheiten eingesetzt, weil es günstiger als Lucentis ist. 2014 verhängte die italienische Wettbewerbsbehörde (AGCM) gegen Roche sowie Novartis Bussen von je über 90 Millionen Euro. Begründung: Die beiden Arzneimittelhersteller hätten eine Absprache getroffen, um zwischen Avastin und Lucentis eine künstliche Unterscheidung herbeizuführen.
Nach Auffassung der Wettbewerbsbehörde sind Avastin und Lucentis für die Behandlung von Augenkrankheiten in jeder Hinsicht gleichwertig. Die Absprache habe auf die Verbreitung von Informationen abgezielt, die in der Öffentlichkeit Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Anwendung von Avastin hätten erzeugen sollen, um so die Nachfrage von Avastin zu Lucentis hin zu verlagern. Nach Schätzungen der AGCM entstanden durch diese Nachfrageverlagerung dem italienischen öffentlichen Gesundheitswesen allein im Jahr 2012 Mehrkosten in Höhe von 45 Millionen Euro.
Der EuGH stützt die Einschätzung der AGCM und bejaht eine Wettbewerbsbeschränkung. Eine solche liegt vor, wenn zwei Unternehmen, die zwei konkurrierende Arzneimittel vertreiben, eine Absprache treffen, die darauf abziele, gegenüber der EMA, Angehörigen der Heilberufe und der Öffentlichkeit irreführende Informationen über die Nebenwirkungen der Anwendung eines dieser Medikamente ausserhalb seiner Zulassung zu verbreiten, um den Wettbewerbsdruck auf das andere Arzneimittel zu senken. Als irreführend seien diese Informationen anzusehen, wenn sie zum einen die EMA und die Kommission irreführen und zum anderen bewirken sollten, dass in einem Kontext der wissenschaftlichen Unsicherheit in der Öffentlichkeit eine Überschätzung der Risiken entstehe, die mit der Anwendung von Avastin bei Indikationen ausserhalb seiner Zulassung verbunden seien.
Urteil C-179/16, ECLI:EU:C:2018:25 des EuGH vom 23.1.2018 in Sachen F. Hoffmann-La Roche Ltd. u. a. c. Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato
Klage gegen Facebook in Österreich möglich
Der Datenschutzaktivist Maximilian Schrems kann in Österreich gegen den Internetdienstleister Facebook Irland klagen, jedoch nur in seinem eigenen Namen und nicht im Namen anderer Kläger, wie der EuGH entschied.
Maximilian Schrems hatte in Österreich eine grenzüberschreitende Sammelklage gegen Facebook angestrengt, weil das Unternehmen gegen europäische Datenschutzregeln verstosse. Der Hauptkläger forderte die Feststellung, dass bestimmte Vertragsklauseln von Facebook unwirksam seien. Zudem verlangte er für sich und weitere Nutzer die Unterlassung der Verwendung von Daten und Schadenersatz. Facebook war der Auffassung, Schrems könne nur am Firmensitz in Irland klagen.
In seiner Vorabentscheidung zuhanden des Obersten Gerichtshofs Österreichs entschied der EuGH, dass der Verbrauchergerichtsstand nicht für die Klage eines Konsumenten in Anspruch genommen werden könne für Ansprüche, die ihm andere Konsumenten mit Wohnsitz im gleichen Staat, in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten abgetreten hätten. Der Verbrauchergerichtsstand sei zum Schutz des Konsumenten als Partei des jeweiligen Vertrags geschaffen worden. Daher sei der Verbraucher nur geschützt, solange er persönlich Kläger oder Beklagter in einem Verfahren sei.
Die EU-Kommission hatte den Mitgliedstaaten bereits 2013 empfohlen, kollektive Rechtsschutzverfahren einzuführen. Trotzdem sind sie vor dem EuGH bis heute nicht vorgesehen. Die EU-Kommission kündigte an, das Urteil genau zu prüfen und es in die Diskussion zu kollektiven Rechtsschutzverfahren einfliessen zu lassen.
Urteil C-498/16, ECLI:EU:C:2018:37 des EuGH vom 25.1.2018 in Sachen Maximilian Schrems gegen Facebook Ireland Limited