Seit bald zwei Jahrzehnten wird versucht, die wachsenden Defizite der Invalidenversicherung (IV) durch Sparmassnahmen und Mehreinnahmen in Form einer befristeten Mehrwertsteuererhöhung abzubauen.
Der erhoffte Erfolg der Schuldentilgung blieb beschränkt. Vor allem dank der Mehreinnahmen gelang es, die Schuld von ehemals 15 Milliarden auf etwas über 10 Milliarden Franken abzubauen. Seither verharren die Schulden auf diesem hohen Niveau. Nach den Finanzperspektiven des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) ist bis 2030 in der IV kein Schuldenabbau mehr möglich.
Die Schulden der IV wurden nicht von der Bundeskasse übernommen, sondern der AHV zugeschlagen. Dadurch ist eine unerträgliche Situation entstanden. Die AHV wird wegen der gestiegenen Lebenserwartung und des Eintretens geburtenstarker Jahrgänge ins Rentenalter laut BSV in den 2030er-Jahren selbst in Schieflage geraten.
Dass die IV in der nächsten Dekade durch positive Betriebsergebnisse selbst zur Schuldentilgung beitragen kann, wird immer unwahrscheinlicher, werden doch wegen der AHV-Reform 2021 zusätzliche Ausgaben für einen ganzen Jahrgang von IV-Rentnern entstehen.
Gemäss einer Vereinbarung zwischen dem Eidgenössischen Finanzdepartement und der schweizerischen Nationalbank (SNB) vom 29. Februar 2021 zahlt die Bank für die Geschäftsjahre 2020 bis 2025 aus ihrem Gewinn maximal 6 Milliarden Franken pro Jahr. Zwei Drittel gehen an die Kantone, ein Drittel an den Bund. Für diesen Geldsegen besteht im Gegensatz zur IV keine dringende Notwendigkeit.
In nur fünf Jahren wären die Schulden abgetragen
Die Coronapandemie liess die Schulden der meisten europäischen Länder auf über 100 Prozent des Bruttosozialproduktes ansteigen. In der Schweiz ist der Verschuldungsgrad mit 45 Prozent einigermassen verkraftbar. Die Schuldenbremse wird sich weiterhin so auswirken, dass Bund und Kantone in den nächsten Jahren meistens ausgeglichene Rechnungen präsentieren können.
Die einseitige Bevorzugung der Kassen von Bund und Kantonen und die ebenso offensichtlichen Benachteiligung der Sozialversicherungen sind aus der Welt zu schaffen. Die Gewinnausschüttungen der Nationalbank könnten so umverteilt werden, dass beispielsweise ein Drittel der Gewinne an den Ausgleichsfonds der AHV/IV Compenswiss ausbezahlt würde.
Mit den damit gewonnen 2 Milliarden Franken jährlich könnten die Schulden der IV innert fünf Jahren abgetragen und in einem weiteren Jahr das Kapital der IV wieder so hergestellt werden, dass zusammen mit den entsprechend höheren Anlageergebnissen sogar ein ausgeglichenes Betriebsergebnis erzielt wird.
Die Bundeskasse würde von Zinszahlungen an die AHV in der Höhe von mehreren Hundert Millionen pro Jahr entlastet. Nach der Sanierung der IV könnte das Kapital des AHV-Fonds weiter verstärkt werden.
Die Umschichtung der Gewinnausschüttungen ist durch eine einfache parlamentarische Gesetzesinitiative in kurzer Zeit realisierbar. Es müsste nur Artikel 99 Absatz 4 der Bundesverfassung so geändert werden, dass der Reingewinn der Nationalbank an den Bund, die Kantone und die Sozialversicherungen ausgeschüttet wird.
Weiter könnte der erste Satz von Artikel 31 Absatz 2 des Gesetzes so redigiert werden, dass der Betrag des Bilanzgewinns, der die Dividendenausschüttung übersteigt, je zu einem Drittel dem Bund, den Kantonen und dem Ausgleichsfonds Compenswiss zufällt.
Diese Änderung würde die Autonomie der SNB in keiner Art und Weise gefährden, liegt es doch bei einer gesetzlich begründeten Aktiengesellschaft in der alleinigen Kompetenz des Bundesgesetzgebers, über die Gewinnverteilung zu legiferieren. So wie er dies beim Nationalbankgesetz bezüglich der absoluten Autonomie der SNB in der Geld- und Währungspolitik sowie des Notenmonopols tat.
Mit der Vereinbarung zwischen dem Finanzdepartement und der SNB von 2021 wurden die jährlichen Ausschüttungen auf maximal 6 Milliarden Franken erhöht. Herabsetzungen dieser Summe und sogar die Aussetzung von Ausschüttungen wurden vorgesehen, wenn dies zu einer negativen Ausschüttungsreserve führen würde.
Trotz aktuellen Verlusten problemlos möglich
Die Ausschüttungsreserven stiegen in den letzten Jahren trotz höherer Ausschüttungen. Deshalb nahm man ganz allgemein an, dass dieser erfreuliche Umstand weiter anhalten würde.
Dies änderte sich im laufenden Jahr. Die Nationalbank orientierte Ende September über einen Verlust von 142 Milliarden Franken. Deshalb bangen Bund und Kantone im nächsten Jahr um das Geld der Nationalbank. Doch ihr Eigenkapital betrug Ende September noch immer 56 Milliarden Franken. Eine Ausschüttung von 6 Milliarden wäre also wirtschaftlich unproblematisch.
Für die SNB wäre im Gegensatz zu den dem Obligationenrecht unterstellten Unternehmen aber selbst ein negatives Eigenkapital kein Problem. Das geht aus einem Vortrag des Präsidenten des Direktoriums der SNB, Thomas Jordan, vom 28. September 2011 hervor. Unter dem Titel «Braucht die Schweizerische Nationalbank Eigenkapital?» erklärte er, dass die Nationalbank nicht mit einer Geschäftsbank oder einem anderen Unternehmen vergleichbar sei.
So könnten die Zentralbanken nicht illiquid werden – nicht einmal bei negativem Eigenkapital. Deshalb könnten sie auch nicht gezwungen werden, Sanierungsmassnahmen einzuleiten oder die Bilanzen zu deponieren.
Ausserdem habe die SNB dank des Notenmonopols das Recht zur autonomen Geldschöpfung. Das bedeutet, dass sie Geld gewissermassen «aus dem Nichts» schaffen könne. Und zwar nicht nur Banknoten, sondern auch Geld, mit dem die Nationalbank ausstehende Forderungen wie die Guthaben inländischer Banken auf den sogenannten Girokonten der SNB einfach zurückzahlen kann, indem sie der inländischen Bank eine Gutschrift auf deren Konto erteilt.
Eine solche Geldschöpfung betrieb die SNB in der Bankenkrise ab 2008, indem sie zur Stabilisierung des Wechselkurses vor allem US-Dollars und Euros zum Nullpreis kaufte, indem sie dem jeweiligen Kontraktpartner des Geschäftes eine Gutschrift auf dessen Konto überwies und von ihm den entsprechenden Gegenbetrag erhielt, mit welchem sie dann reale Zinspapiere und Aktien in Fremdwährung kaufte. Damit wurde die Bilanz der SNB stark aufgebläht (Stand Ende 2021: 1,056 Billionen Franken).
Reserven gehören in einen sicheren Hafen
Wegen der hohen Volatilität der Börse schloss die SNB seit 2010 in mehreren Jahren mit Verlust ab, erzielte aber in dieser Periode 200 Milliarden Franken Ertrag. Dies vor allem auch wegen ihres Geschäftsmodells, auf Fremdgeld keine Zinsen bezahlen zu müssen und bei Bedarf Geld drucken zu können.
Wie weiter nach dem zu erwartenden Verlust des Geschäftsjahres 2022? Möglich wäre, die nicht mehr gebrauchten Devisenanlagen geschäftsmässig zu neutralisieren und insbesondere die in der Bilanz als Eigenkapital geführten Ausschüttungsreserven dorthin zu überweisen, wo sie eigentlich hingehören – nämlich in einen sicheren Hafen.
Das Gefäss für die erwähnten Aktiven könnte eine als Fonds geführte Stiftung der Schweizerischen Nationalbank sein. Diese würde ausschliesslich von Personen der Nationalbank geleitet und verwaltet, damit die Stiftung nicht durch unerwünschte Transaktionen wie zum Beispiel den Verkauf der Devisenanlagen und die Wiederanlage in Schweizer Franken durchführt, welche die Autonomie der SNB beeinträchtigen könnte.
Als Stiftungskapital würden die Ausschüttungsreserven sowie allfällige zukünftige Ausschüttungen eingebracht, während die Devisenanlagen – zumindest zu Beginn – zur Verwaltung und zum Bezug der jährlichen Erträge zinsfrei zur Verfügung gestellt, bei Bedarf aber von der SNB jederzeit ganz oder teilweise zurückverlangt werden könnten.
Dieser Fonds würde die Gewinnausschüttung der SNB stetiger und nachhaltiger machen. So würden sich nicht nur die heutigen Steuerzahler freuen, sondern auch die Leistungsempfänger von IV und AHV – und deren Kinder und Kindeskinder.