Alles ist vorbereitet im Gartensaal des Zürcher Kongresshauses: In weisse Tücher gehüllt und in drei Kolonnen aufgereiht stehen die nummerierten Tische der dreissig Kanzleien für die Kurzinterviews bereit. Hinter einer grauen Bodenmarkierung reihen sich die Kandidatinnen und Kandidaten auf. Nach dem Ertönen eines Gongzeichens schreiten sie zielstrebig zu den Tischen ihrer jeweiligen Interviewpartner.
Wie im Sport beginnt auch bei der Job Fair das Rennen bereits vor dem Wettkampf. Junge Anwältinnen und Anwälte sowie Jus-Studenten, die an einer Anstellung als Anwalt oder Substitutin interessiert sind, erstellen einige Wochen im Voraus online ein Bewerbungsprofil. Anschliessend sehen die an der Job Fair teilnehmenden Kanzleien die Profile im Internet durch und laden ihre Favoriten per Mausklick zum Kurzinterview ein. Im Gegenzug dürfen auch die Nachwuchsjuristen die durchwegs wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzleien um einen Termin an der Job Fair bitten.
Einige Tage vor der Jobbörse versenden die Organisatoren dann die Terminpläne für die 436 bestätigten Interviews.
Mit dem Aufgebot in der Tasche geht es am Tag der Job Fair auf zum Kongresshaus. In der Eingangshalle angekommen, werden Hemdkrägen und Krawatten zurechtgerückt, bevor kurze Zeit später die erste Interviewrunde eingeläutet wird.
Das Teilnehmerfeld mit knapp hundert Jobsuchenden besteht je hälftig aus Frauen und Männern. Geschätzte zwei Drittel interessieren sich für eine Anstellung als Anwalt. Kandidaten, die erst kurz vor Abschluss des Studiums stehen, scheinen in der Minderheit.
Chancen im Minutentakt
Zumindest nach aussen geben sich alle Akteure erstaunlich gelassen. Zurückzuführen ist dies wohl auf das Konzept von Job Fair: Einerseits haben die Kandidaten meist mehrere Interviews vereinbart. Verläuft eines harzig, ergibt sich wenige Zeigerumdrehungen später eine neue Chance auf ein gelungenes Gespräch. Im Wissen um die Konkurrenz an den Nebentischen sind auch die Vertreter der Kanzleien bemüht, ihren Favoriten während des Gesprächs ein gutes Gefühl zu geben. Das Eis wird daher meist von Seiten der Kanzleien gebrochen, die jeweils zwei Partner für die Gesprächsrunden aufbieten.
Bewerbungsmappe gegen Visitenkarte
Die 15-minütigen sogenannten Speed-Dates unterscheiden sich nur durch ihre Kürze von einem normalen Vorstellungsgespräch. Gefragt wird nach Stärken und Schwächen oder dem Grund für die Bewerbung. Gewappnet sollte man aber auch für kleinere (Inhalt einer Seminararbeit aus dem dritten Semester) und grössere Überraschungen (Sachverhalt der Handels- und Wirtschaftsrechtsprüfung) sein.
Ein gut begründetes Interesse am Wirtschaftsrecht im Allgemeinen scheinen die Kanzleien einem Faible für sehr spezifische Rechtsfragen vorzuziehen. Punkten kann zudem, wer sein Interesse für eine Kanzlei mit Kenntnissen über erfolgreiche Mandate oder bestimmte Partner des Büros belegt. Schliesslich betonen viele Kanzleien bereits im Vorfeld der Job Fair, den Notendurchschnitt als zentrales Kriterium bei der Rekrutierung von Substituten heranzuziehen.
Nach exakt 15 Minuten werden die Gespräche durch einen Dreiklang aus Lautsprechern abgebrochen. Bewerbungsmappen werden gegen Visitenkarten ausgetauscht, die Protagonisten versprechen, in Kontakt zu bleiben. Während die Vertreter der Kanzleien die Interviews auswerten, kehren die Kandidaten in die Wartezone zurück, um kurze Zeit später erneut Anlauf zu nehmen im Rennen um eine Anstellung in einer Wirtschaftskanzlei.