Munterer Kuhhandel um Gerechtigkeit
Inhalt
Plädoyer 2/12
19.03.2012
Letzte Aktualisierung:
04.10.2013
Stephan Bernard
Früher ging es Staatsanwalt Hubert Handel nur dann gut, wenn sein Fussballclub YB gewann. Seit dem 1. Januar 2011 ist er stets leicht beschwingt. Denn er darf neu mit der Verteidigung im abgekürzten Verfahren um Gerechtigkeit feilschen.
Nach 25 langweiligen Berufsjahren mit Hinweisen auf pflichtgemässe Übersetzung, mit lügenden Beschuldigten und langwierigem Abhören von dümmlichen Telefonaten bringt das endlich etwas Farbe in die Hütte. Besond...
Früher ging es Staatsanwalt Hubert Handel nur dann gut, wenn sein Fussballclub YB gewann. Seit dem 1. Januar 2011 ist er stets leicht beschwingt. Denn er darf neu mit der Verteidigung im abgekürzten Verfahren um Gerechtigkeit feilschen.
Nach 25 langweiligen Berufsjahren mit Hinweisen auf pflichtgemässe Übersetzung, mit lügenden Beschuldigten und langwierigem Abhören von dümmlichen Telefonaten bringt das endlich etwas Farbe in die Hütte. Besonders gern hat er das spielerische Märten mit Verteidiger Simon Schlau, den er zum Dank viel als Amtlichen einsetzt. Denn auch diese Kompetenz hat Hubert Handel neu von Bundesbern bekommen. Bern bietet doch mehr als die Verliererromantik von YB, denkt er sich und schmunzelt über den telefonischen Kuhhandel mit Simon Schlau:
S: «Hoi Hubert. Du, machen wir bei dem Kleindealer wieder mal ein Abgekürztes?»
H: «Hoi Simon. Welcher Dealer? Ich habe dir ja so viele zugeschanzt.»
S: «Den kleinen Dicken mit den Tattoos.»
H: «Deeer! Was hast du dieses Mal zu bieten?»
S: «Ein Geständnis in den drei Nebenpunkten. Aber den Hauptpunkt mit den vier Kilo Coci
lassen wir dafür fallen.»
H: «Na gut. Um den Hauptpunkt zu beweisen, müssten wir ja 213 Stunden Telefonüberwachung
auswerten. Vier Jahre Chischte müssen es aber schon sein.»
S: «Das ist viel zu viel. Der ist ja nun geständig, hatte eine schwierige Jugend und so. Er hat auch eine kranke, fast blinde Grossmutter, für die er sorgen muss. Um die hat er sich immer echt rührend gekümmert. Zweieinhalb Jahre, davon zwei Jahre bedingt. Mehr nicht.»
H: «Du hast mich überschnurret. Gerade die Grossmutter habe ich viel zu wenig berücksichtigt. Drei Jahre, davon ein Jahr abhocken sind okay.»
S: «Top.»
H: «Top. Und ruf mich doch morgen an wegen der Dominikanerin. Dort kommst du mir aber nicht so billig weg.»
S: «Oder wollen wir da auch gleich den Deckel zumachen? Du hast so einen guten Tag.»
H: «Ich habe die Akten gerade nicht so präsent. Aber was stellst du dir vor?»
S: «Sie ist ja eine Ersttäterin: zwei Jahre bedingt.»
H: «Tönt nicht so schlecht. Ich rufe dich morgen zurück, um dir definitiv grünes Licht zu geben. Tschüss.»
S: «Bis morgen.»
Zufrieden sind sie alle: Hubert Handel, Simon Schlau und ihre Kühe, pardon: die Beschuldigten. Und das Gericht genehmigt am Ende beide Händel «trotz erheblicher Bedenken».
Nur Hubert Handels Kollege Ede Ernsthaft im Büro nebenan passt dieses muntere Treiben nicht. Er sieht im abgekürzten Verfahren den Untergang des Abendlandes. Er untersucht alles weiterhin bis in die subtilste Verästelung und klagt prinzipiell am Untersuchungsende scharf an. Denn auch das erlaubt die StPO. Dafür schaut er weiterhin amtsschimmlig in die Welt.