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Plädoyer 03/2016
23.05.2016
Gjon David
Was hat eine Pizza mit einer Schönheit im Bikini zu tun? Ein Fischrestaurant mit einem nackten Mann? Oder ein Reparaturladen mit einer halbnackten Frau, die ihren Kopf in eine Waschmaschine steckt? Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) will laut Medienberichten nun «geschlechterdiskriminierende Werbung» in Deutschland unterbinden. Plakate, auf denen Menschen als Sexobjekte dargestellt werden, sollen verboten werden. Das hat das Nachrichtenmagazin «Der S...
Was hat eine Pizza mit einer Schönheit im Bikini zu tun? Ein Fischrestaurant mit einem nackten Mann? Oder ein Reparaturladen mit einer halbnackten Frau, die ihren Kopf in eine Waschmaschine steckt? Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) will laut Medienberichten nun «geschlechterdiskriminierende Werbung» in Deutschland unterbinden. Plakate, auf denen Menschen als Sexobjekte dargestellt werden, sollen verboten werden. Das hat das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» herausgefunden: «Ein entsprechender Entwurf zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb soll bald in die Ressortabstimmung geschickt werden», heisst es in der Meldung. Mit dem Vorhaben setze Maas einen Beschluss der SPD-Parteispitze um, die als Reaktion auf die Silvesternacht in Köln ein «moderneres Geschlechterbild» im Land etablieren will.
Die Werbung als Auslöser der Übergriffe in Köln? plädoyer fragte nach. Beim Bundesjustizministerium will man von einem konkreten Gesetzesentwurf nichts wissen: «Der Justizminister hat noch gar nichts entschieden. Es gibt weder einen Entwurf noch sonst etwas Schriftliches dazu.» Es seien Vorüberlegungen gewesen, die sich eine Gruppe innerhalb des Ministeriums gemacht habe. Die deutschen Medien hätten völlig übertrieben. Immerhin – der «Spiegel»-Artikel hat eine öffentliche Diskussion provoziert. FDP-Chef Christian Lindner findet, die Pläne zum Verbot von Nacktheit und sexualisierter Werbung» seien «an Spiessigkeit kaum zu überbieten». Für die Wochenzeitschrift «Die Zeit» sind die Pläne des Ministers «staatlich verordnete Verklemmtheit». Bei «Welt Online» sieht man das Vorhaben schon als «weitere Geste der kulturellen Unterwerfung» – als hätten all die halbnackten Frauen auf den «American Apparel»-Werbungen bisher das Abendland zusammengehalten.
In Deutschland konnte bis anhin der deutsche Werberat gegen sexistische Werbung vorgehen und eine Rüge aussprechen, wie zum Beispiel 2012 gegen die Tristan Einrichtungs GmbH: Das Hamburger Möbelhaus warb für seinen Räumungsverkauf mit einer nackten Frau, der eine Tüte über den Kopf gestülpt worden war. «Herabwürdigend», sagt der Werberat.
Dem deutschen Werberat entspricht in der Schweiz die Lauterkeitskommission. Sie ist eine Selbstkontrollorganisation der Werbebranche und hat sich ebenfalls die Pflicht auferlegt, sexistische Werbung von der tolerablen zu unterscheiden. Jedes Jahr erhält sie mehrere Anzeigen. Ergebnis: 2015 wurden insgesamt acht Fälle behandelt, an fünf Fällen nahm die Kommission keinen Anstoss.