Vor zwölf Jahren forderte das Parlament mit der Motion des damaligen Ständerats Hans Hess vom Bundesrat, gegen missbräuchliche Konkurse vorzugehen. Der Bundesrat machte 2015 einen Gesetzesvorschlag. Unter anderem sollten die Verantwortlichen einer konkursiten Firma persönlich und solidarisch für die ungedeckten Kosten eines Konkursverfahrens haften, falls dieses mangels Aktiven eingestellt wird.
Der Bundesrat strich diese Idee wegen massiver Kritik in der Vernehmlassung und verabschiedete 2019 seine Botschaft ans Parlament. Darin führte er verschiedene Sanktionen im Straf-, Obligationen-, Steuer-, Handelsregister-, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht auf, die missbräuchliche Konkurse verhindern sollen.
Von Mitte 2021 bis Anfang 2022 fanden die Beratungen im Parlament statt. In der Schlussabstimmung vom 18. März 2022 nahm der Ständerat die Vorlage mit 42 zu 0 Stimmen an. Im Nationalrat hatten 139 Parlamentarier für die Vorlage gestimmt, 48 SVP-Vertreter waren dagegen. Die neuen Regeln werden im Januar 2025 in Kraft treten. Übergangsbestimmungen enthalten sie nicht.
Griffige Massnahmen gegen «Konkursreiterei»
Das Parlament will mit den Änderungen zwei Arten von Konkursmissbrauch verhindern:
- Ein Unternehmer lässt über seine Firma den Konkurs eröffnen, um gleich wieder eine neue Gesellschaft zu gründen, welche die Aktiven billig aus dem Konkurs kauft.
- Ein Unternehmer überträgt die Aktien seines überschuldeten Unternehmens gegen eine Gebühr auf einen sogenannten Firmenbestatter. Dieser ändert Name, Zweck und Sitz und lässt die Firma Konkurs gehen. Da keine Vermögenswerte mehr vorhanden sind, wird das Verfahren mangels Aktiven eingestellt. Dieses Vorgehen ist unter dem Begriff «Konkursreiterei» bekannt.
Gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) wurde letztes Jahr über 9521 Unternehmen der Konkurs eröffnet. Davon betrafen mehr als 2500 Verfahren Gesellschaften, die nicht wegen Insolvenz, sondern wegen Mängeln in der Organisation vom Konkursamt liquidiert wurden (plädoyer 3/2024).
Wie viele dieser Konkurse missbräuchlich waren, geht aus der BfS-Statistik nicht hervor. In der parlamentarischen Debatte zu den neuen Bestimmungen ging die Baselbieter FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger davon aus, dass ein Prozent aller Konkurse missbräuchlich erfolgt. Stimmt diese Annahme, wären 95 der 2023 eröffneten Firmenkonkurse missbräuchlich gewesen.
Ein Unternehmer schickte 78 Firmen in den Konkurs
Die Firmenauskunftei Crif analysierte 2023, wie viele Leute innert zehn Jahren drei oder mehr Konkurse zu verantworten hatten. Crif kam auf 2022 Personen. 1244 davon waren an drei Konkursen beteiligt, 91 an zehn und mehr Pleiten. Der Spitzenreiter schickte 78 Firmen in den Konkurs.
Das Parlament diskutierte am längsten über die Neuerung, wonach auch öffentlich-rechtliche Gläubiger wie die Steuerverwaltungen und die Ausgleichskassen Firmen auf Konkurs betreiben müssen, statt wie bisher auf Pfändung. Der Ständerat setzte sich durch, Bundesrat und Nationalrat waren für ein Wahlrecht.
Die neue Pflicht könnte ab 2025 zu einer massiven Erhöhung der Konkurse führen, wie das Beispiel der Mehrwertsteuer zeigt. 2022 leitete die Eidgenössische Steuerverwaltung 70'000 Betreibungen wegen nicht bezahlter Mehrwertsteuern ein. Daraus resultierten laut Markus Rothenbühler von der Inkassoabteilung rund 20'000 bis 25'000 Pfändungsverlustscheine. Das bedeutet: Bei diesen Firmen war im Betreibungsverfahren nicht mehr genug Vermögen vorhanden, um Steuerschulden zu zahlen.
Hinzu kommen die Pfändungsverlustscheine von weiteren öffentlichen Gläubigern wie etwa der Ausgleichskassen für nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Die Konferenz der Kantonalen Ausgleichskassen rechnete in ihrer Stellungnahme zur Gesetzesvorlage mit 40'000 neuen Firmenkonkursen pro Jahr, die durch die kantonalen Ausgleichskassen verursacht würden.
Neu müssen die Steuerbehörden den kantonalen Handelsregisterämtern melden, wenn eine juristische Person ohne Revisionsstelle innert dreier Monate nach Ablauf der Frist keine Jahresrechnung eingereicht hat. Dann wird angenommen, dass das Unternehmen keine Buchhaltung führt. In der Folge muss das Handelsregisteramt es auffordern, die Opting-out-Erklärung zu erneuern oder eine Revisionsstelle zu bezeichnen. Reagiert die säumige Firma nicht, führt dies zu einem Organisationsmangel.
Das Handelsregisteramt überweist den Fall ans Gericht, das die Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen kann. Diese Regel kann ab kommendem Jahr zu vielen Firmenliquidationen führen. Denn gemäss einer Schätzung der kantonalen Steuerämter reichen jedes Jahr zwischen 3 und 5 Prozent der Unternehmen keine Jahresrechnung ein. Das führt zu rund 20'000 Ermessensentscheiden.
Andere Neuerungen sind weniger bedeutend – etwa das erweiterte Tätigkeitsverbot für verurteilte Straftäter. Der Bundesrat bezeichnete es zwar als «Kernstück» der Vorlage. Das Tätigkeitsverbot gibt es aber bereits heute. Als Nebenstrafe wird es aber sehr selten ausgesprochen. Neu ist ein Tätigkeitsverbot auch gegenüber faktischen Organen möglich, also etwa gegenüber dem Ehemann der Geschäftsführerin einer Firma. Die im Strafregister eingetragenen Verbote müssen dem Handelsregisteramt gemeldet werden, damit die Betroffenen aus dem Handelsregister gelöscht werden.
Im Aktienrecht wird die Übertragung von Aktien einer Gesellschaft für nichtig erklärt, wenn sie keine Geschäftstätigkeit und keine verwertbaren Aktiven mehr hat sowie überschuldet ist. Damit soll der Mantelhandel verhindert werden. Die Nichtigkeit galt gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts schon lange, allerdings musste das Unternehmen bisher nicht überschuldet sein. Das Handelsregisteramt kann die beantragte Eintragung bei begründetem Verdacht verweigern.
Der Verzicht auf die eingeschränkte Revision ist neu nicht mehr rückwirkend, sondern nur noch für künftige Geschäftsjahre möglich. So können Firmen, die in die Überschuldung geraten, nicht mehr verhindern, dass ihre Revisionsstelle die Überschuldung beim Gericht anzeigt. Die Regel ist gut gemeint, betrifft aber nur wenige Firmen. Laut einer Auswertung des Eidgenössischen Handelsregisteramts von 2018 hatten 86 Prozent aller neu eingetragenen Aktiengesellschaften und 98 Prozent aller neuen Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein Opting-out gewählt.
Neu: Personenrecherche über Zefix.ch möglich
Hilfreich ist die neue Möglichkeit, Personen landesweit über Zefix.ch zu suchen und nicht nur über die Handelsregister der Kantone. Die Suche ist gratis. Sie erlaubt es, bei einem zukünftigen Geschäftspartner abzuklären, ob er an einem Konkurs beteiligt war. Diese Dienstleistung wird bereits von Firmen wie Moneyhouse angeboten – allerdings kostenpflichtig.
Weitere Neuerungen
Auch im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) sollen geänderte Bestimmungen missbräuchliche Konkurse verhindern:
- Anzeigepflicht: Konkursbeamte müssen festgestellte Verbrechen und Vergehen anzeigen, bei Übertretungen sind sie dazu berechtigt.
- Postsendungen: Das Konkursamt darf an den Schuldner adressierte Post öffnen.
- Verfahrenseinstellung: Die Konkurseinstellung mangels Aktiven ist bekannten Gläubigern per Brief mitzuteilen. Sie haben 20 statt wie bisher 10 Tage Zeit, um die Durchführung des Verfahrens zu verlangen.