Zivilprozessrecht
Verwaltungsvertrag begründet keine Dauerschuld
Der Artikel 92 Absatz 2 ZPO zum Streitwert von wiederkehrenden Leistungen ist nicht schon dann anzuwenden, wenn sich ein Vertrag auf feste Dauer mangels Kündigung verlängert. Er kommt nur zur Anwendung, wenn nach den sozialen Gepflogenheiten von einem Dauerschuldverhältnis auszugehen ist.
Sachverhalt:
Der Streit geht um die Bestellung des Verwalters einer Stockwerkeigentümergemeinschaft. Der umstrittene Vertrag ist für ein Jahr fest geschlossen, kann dann von jeder Seite gekündigt werden, läuft aber ohne Kündigung weiter. Das Einzelgericht nahm (entgegen den zwar nicht übereinstimmenden Angaben der Parteien) an, der Streitwert belaufe sich auf das Zwanzigfache des Jahreshonorars von 7000 Franken, und trat daher auf die Klage mangels Zuständigkeit nicht ein.
Aus den Erwägungen:
II./3. c) Gemäss Art. 92 ZPO gilt bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen der Kapitalwert als Streitwert, wobei bei ungewisser oder unbeschränkter Dauer der zwanzigfache Betrag der einjährigen Nutzung oder Leistung massgeblich ist. Was den hier streitigen Verwaltungsvertrag für Stockwerkeigentum anbelangt, ist in Ziff. 3 der Allgemeinen Bedingungen vorgesehen: «Nach Ablauf der festen Vertragsdauer oder falls keine solche vereinbart worden ist, kann der Auftrag jeweils auf Ende eines Kalenderjahres unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist aufgelöst werden …» Unter der Überschrift «Feste Vertragsdauer» ist erwähnt «bis 31. Dezember 2013».
Im Vertragsrecht wird zwischen «einfachen Schulden» und «Dauerschulden» unterschieden. Während die einfache Schuld eine gezählte, häufig einmalige Leistung zum Gegenstand hat und mit der Erfüllung erlischt, verlangt die Dauerschuld ein fortdauerndes oder wiederholtes Leistungsverhalten (vgl. Gauch / Schluep / Schmid / Emmenegger, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 9. Auflage, Zürich 2008, Rz 94). In diesem Sinne handelt es sich hier um ein Dauerschuldverhältnis, das nicht durch Rücktritt, sondern durch Kündigung mit Wirkung ex nunc beendet werden kann (Gauch / Schluep / Schmid / Emmenegger, a.a.O., Rz 942, Rz 2789).
Zu den Dauerschuldverhältnissen gehören die «klassischen» Fälle, insbesondere Nutzungsrechte wie Nutzniessungen und Wohnrechte sowie weiter Wegrechte, Renten, Alimente und Verwandtenunterstützungspflichten, die im eigentlichen Sinne von unbeschränkter Dauer sind. Genannt werden aber auch Miet- und Arbeitsverhältnisse (KuKo ZPO-van de Graf, N. 2 zu Art. 92), die regelmässig kündbar sind.
Bei den Mietverhältnissen wird in der Rechtsprechung wie folgt unterschieden: Bei Erhöhungen von Mietzinsen während ungekündigter Miete wird – unabhängig von einer Kündigungsmöglichkeit – von einer ungewissen Dauer ausgegangen (Diggelmann, Dike-Komm. ZPO, N. 5 zu Art. 92), während dies im Falle von Kündigung, Erstreckung etc. so nicht gilt (Dike-Komm. ZPO, N. 43 ff. zu Art. 91). Auch im Arbeitsverhältnis wird je nach Art des Rechtsstreites unterschieden: von Auswirkungen auf ungewisse Dauer und damit von einem Anwendungsfall von Art. 92 ZPO wird insbesondere bei Veränderungen des Lohnes oder von Nebenleistungen (z.B. Ferien) ausgegangen (Dike-Komm. ZPO, N. 52 zu Art. 91).
Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass bei jedem Vertrag, der sich nicht mit einer einmaligen Leistung erledigt, sondern der «auf Zusehen hin» geschlossen wurde und gekündigt bzw. widerrufen werden kann, für den Streitwert mit einer zwanzigfachen Jahresleistung bewertet werden sollte. Was den Unterschied von Miet- bzw. Arbeitsvertrag einerseits und den Auftrag oder dgl. andererseits anbelangt, geben nach der hier vertretenen Ansicht die sozialen Gepflogenheiten den Ausschlag: Miete und Arbeit werden – jedenfalls herkömmlicherweise und unabhängig von bestehenden Kündigungsmöglichkeiten – auf längere bzw. lange Zeit beibehalten, während dies bei Dienstleistungen aller Art als Regel nicht zutrifft. Daher ist bei Verträgen wie Auftrag, Versicherung etc., die auf eine bestimmte Dauer eingegangen sind mit der Massgabe, dass sie sich ohne Kündigung verlängern, nur auf die feste Vertragsdauer abzustellen.
Im vorliegenden Fall wurde im Vertrag mit der umstrittenen neuen Verwaltung eine einjährige feste Vertragsdauer vereinbart. Dass sich der Vertrag, wenn er nicht gekündigt wird, verlängert, ist bei der vorliegenden Vertragsart ohne Belang. Die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 ZPO ist damit nicht angebracht.
6. Ist der Nichteintretensentscheid aufzuheben und geht der Fall für einen Entscheid in der Sache an die Vorinstanz zurück, ist die vorinstanzliche Kostenregelung aufzuheben. Aber auch wenn der Fall tatsächlich in die Kompetenz des Bezirksgerichts als Kollegialgericht i.S.v. § 19 GOG gefallen wäre, wäre die Kostenregelung aufzuheben bzw. anzupassen gewesen: Auch wenn es sich um einen Streitwert in der Höhe von 145 000 Franken gehandelt hätte, hätte sich eine Entscheidgebühr von 7500 Franken nicht rechtfertigen lassen. Die Gerichtsgebühr zu 100 Prozent beträgt für diesen Streitwert 10 550 Franken. Nach § 4 Abs. 3 GebV OG ist die Grundgebühr «bei wiederkehrender Nutzung oder Leistungen gemäss Art. 92 ZPO» in der Regel zu reduzieren, und zwar praktisch beliebig und ohne Bindung an einen unteren Mindestwert. § 4 Abs. 2 GebV OG sieht zudem vor, dass der Zeitaufwand und die Schwierigkeit des Falles zu berücksichtigen sind, was sich bereits aus dem Äquivalenzprinzip des übergeordneten Rechts ergibt und zu einer weiteren Reduktion führt bzw. führen kann. Zudem handelt es sich bei einem Nichteintretensentscheid um eine Verfahrenserledigung ohne Anspruchsprüfung gemäss § 10 Abs. 1 GebV OG, sodass die Gebühr nochmals bis auf die Hälfte herabzusetzen wäre. Die auferlegte Gebühr von 7500 Franken liegt bei fast drei Viertel der ordentlichen Gerichtsgebühr, was angesichts der Vorgaben der Gebührenverordnung völlig unangemessen erscheint.
Urteil NP130037 des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18.3.2014
Schuldner zahlt bei neuem Vermögen die Gerichtskosten
Bei einer Bewilligung des Rechtsvorschlags nach der Einrede des mangelnden neuen Vermögens sind die Prozesskosten auch dann nicht anteilsmässig zu verteilen, wenn der Richter neues Vermögen nur in einem Teilumfang der in Betreibung gesetzten Verlustscheinsforderung feststellt. Es gibt nur ein gänzliches Obsiegen oder Unterliegen.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer wurde von der Beschwerdegegnerin gestützt auf zwei Verlustscheine betrieben. Er erhob Rechtsvorschlag mit der Begründung, er sei zu keinem neuen Vermögen gekommen. Mit vorinstanzlichem Entscheid wurde der Rechtsvorschlag «teilweise» bewilligt und die Gerichtskosten vollumfänglich dem Beschwerdeführer auferlegt. Dagegen erhob dieser Beschwerde und machte geltend, werde neues Vermögen wie vorliegend nur in einem Teilumfang festgestellt, seien die Kosten entsprechend anteilsmässig auf die Parteien zu verteilen.
Aus den Erwägungen:
3. Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag mit der Begründung, er sei nicht zu neuem Vermögen gekommen, so legt das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag dem Richter des Betreibungsortes vor. Dieser hört die Parteien an und entscheidet; gegen den Entscheid ist kein Rechtsmittel zulässig (Art. 265a Abs. 1 SchKG). Der Richter bewilligt den Rechtsvorschlag, wenn der Schuldner seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegt und glaubhaft macht, dass er nicht zu neuem Vermögen gekommen ist (Art. 265a Abs. 2 SchKG). Bewilligt der Richter den Rechtsvorschlag nicht, so stellt er den Umfang des neuen Vermögens fest (Art. 265a Abs. 3 SchKG).
4. Das Bewilligungsverfahren nach Art. 265a Abs. 1–3 SchKG läuft nach neuester bundesgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. Urteil 5A_295/2013 vom 17. Oktober 2013) so ab, dass nach der Überweisung ans Gericht der Schuldner aufgefordert wird, einen Kostenvorschuss zu leisten, seine finanzielle Situation darzulegen und zu begründen, weshalb er nicht zu neuem Vermögen gekommen ist. Daraufhin kann der Gläubiger zu den Ausführungen des Schuldners Stellung nehmen, auf zusätzliche Vermögenswerte hinweisen oder die Begründung des Schuldners anerkennen oder die Betreibung zurückziehen. Das hier zu beurteilende Verfahren lief noch so ab, dass der Gläubiger den Kostenvorschuss leisten musste.
5. Die Beweislast im summarischen Bewilligungsverfahren trifft den Schuldner, d.h. es obliegt dem Schuldner, glaubhaft darzutun, dass er nicht zu neuem Vermögen gekommen ist (vgl. Art. 265a Abs. 2 SchKG; vgl. Ueli Huber, in: Staehelin / Bauer / Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, 2. Aufl. 2010, N. 23 zu Art. 265a SchKG). Gelingt ihm dies nicht, wird der Rechtsvorschlag nicht bewilligt; der Schuldner ist folglich mit seiner Einrede fehlenden neuen Vermögens vor dem Gericht unterlegen.
Das Beweisthema im Bewilligungsverfahren bildet demnach ein Negativum: Entweder hat der Schuldner hinreichend glaubhaft gemacht, dass er nicht zu neuem Vermögen gekommen ist (Bewilligung des Rechtsvorschlags) oder nicht (keine Bewilligung des Rechtsvorschlags). Dieses Beweisthema schliesst ein teilweises Glaubhaftmachen aus. Sobald nur ein Franken neues Vermögens festgestellt worden ist, wird der Rechtsvorschlag nicht bewilligt und der Schuldner ist (gänzlich) unterlegen und kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Auch das Gesetz spricht nirgends von der Möglichkeit einer bloss teilweisen Bewilligung des Rechtsvorschlags.
6. Das Gericht ist aber gemäss Art. 265a Abs. 3 ZGB gehalten, im Falle der Nichtbewilligung des Rechtsvorschlages auch den Umfang des neuen Vermögens festzustellen. Es fragt sich daher, ob im Falle der Nichtbewilligung des Rechtsvorschlages je nach Höhe des festgestellten neuen Vermögens ein Obsiegen/Unterliegen quantifiziert wird. Nach Auffassung der Kammer ist dies nicht der Fall. Massgebliches Prozessthema des Bewilligungsverfahrens nach Art. 265a Abs. 1–3 SchKG ist, dass der Rechtsvorschlag mangels oder wegen neuen Vermögens zu bewilligen bzw. nicht zu bewilligen ist. Dieser Entscheid ist endgültig (vgl. Art. 265a Abs. 1 SchKG), das Prozessthema bildet jedoch nicht – oder zumindest nicht in erster Linie – die Höhe des neuen Vermögens. Diese Frage ist einem von den Parteien anzuhebenden ordentlichen Hauptprozess vorbehalten (vgl. Art. 265a Abs. 4 SchKG), falls nicht darauf verzichtet wird. Kommt hinzu, dass das neue Vermögen auch wesentlich höher ausfallen könnte als die in Betreibung gesetzte Forderung. Auch angesichts dessen rechtfertigt es sich nicht, die Frage des Obsiegens/Unterliegens vom Verhältnis zwischen der Höhe des festgestellten neuen Vermögens und der Betreibungsforderung abhängig zu machen.
Weiter dürfte der Gläubiger von sich aus kaum in der Lage sein, den Umfang des neuen Vermögens des Schuldners auch nur ungefähr abzuschätzen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Schuldner zuerst Angaben zu seiner finanziellen Situation vorlegen muss und der Gläubiger in seiner Vernehmlassung beantragen könnte, es sei nur ein tieferer Betrag als die in Betreibung gesetzte Forderung als neues Vermögen festzustellen, hätte er sich diesfalls im Verfahren teilweise unterzogen und würde ebenfalls kostenpflichtig (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO [«Anerkennung»]). Auch hier zeigt sich, dass die üblichen Regeln zum teilweisen Obsiegen/Unterliegen nach Art. 106 Abs. 2 ZPO für dieses Verfahren nicht passen. Der vom Beschwerdeführer in den bereits mehrere Jahre zurückliegenden Beiträgen zitierten Auffassung kann folglich nicht gefolgt werden.
7. Zusammengefasst ergibt sich demnach, dass bei Bewilligungsverfahren nach Art. 265a Abs. 1–3 SchKG die Prozesskosten nicht anteilsmässig zu verteilen sind, wenn der Richter neues Vermögen nur in einem Teilumfang der in Betreibung gesetzten Verlustscheinsforderung feststellt. In diesem speziellen summarischen Verfahren gibt es nur entweder ein gänzliche Obsiegen oder Unterliegen der Parteien. Entweder wird der Rechtsvorschlag bewilligt oder nicht. Nur dies stellt das Prozessthema dar (Begründetheit des Rechtsvorschlags mangelndes neues Vermögen). Die deklaratorische Feststellung des neuen Vermögens bei Bewilligung des Rechtsvorschlags (die im ordentlichen Hauptprozess nach Art. 265a Abs. 4 SchKG neu festzulegen sein wird; vgl. Huber, in: Staehelin / Bauer / Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, a.a.O., N. 42 zu Art. 265a SchKG) ändert daran nichts. Art. 106 Abs. 2 ZPO kann im Bewilligungsverfahren von vornherein keine Anwendung finden.
Entscheid ZK 13 562 des Obergerichts des Kantons Bern vom 30.1.2014
Strafprozess
Unverwertbares ist frühzeitig zu entfernen
Beschuldigte haben ein geschütztes Interesse, dass unverwertbare Beweise früh aus den Akten gewiesen werden. Das Berner Obergericht hat deshalb die Entfernung von zwei Einvernahmeprotokollen aus den Akten angeordnet. Die Befragungen waren ohne Verteidiger erfolgt, obwohl es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung handelte.
Sachverhalt:
Bei einer Strafuntersuchung wegen vorsätzlicher Tötung wurde der Beschuldigte von der Polizei festgenommen und anschliessend als Auskunftsperson befragt. Bereits zu diesem Zeitpunkt bestand jedoch ein konkreter Tatverdacht gegen ihn, weshalb er als Beschuldigter hätte einvernommen und über seine Rechte belehrt werden müssen. Da er nicht auf sein Recht auf Verteidigung (Art. 158 Abs. 1 lit. c StPO) aufmerksam gemacht worden war, war die Einvernahme nicht verwertbar. Die zweite Einvernahme anlässlich der Hafteröffnung war ebenfalls unverwertbar, da der Beschuldigte auch an dieser trotz erkennbar notwendiger Verteidigung nicht anwaltlich vertreten war.
Aus den Erwägungen:
2.2 Die Generalstaatsanwaltschaft macht geltend, nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung hätten Zwischenentscheide, welche die Beweisführung betreffen, in der Regel keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Art zur Folge. Im blossen Umstand, dass der Sachrichter von angeblich unverwertbaren Beweismitteln Kenntnis erhalten könne, liege noch kein Rechtsnachteil. So sehe auch das Gesetz vor der rechtskräftigen Beurteilung eines Strafverfahrens keine definitive Entfernung oder Unkenntlichmachung von Beweismitteln vor, deren Verwertbarkeit streitig sei. Vielmehr sei die Frage, ob strafprozessuale Beweisverwertungsmethoden vorliegen würden, grundsätzlich vom Strafrichter zu beurteilen.
2.3 Die von der Generalstaatsanwaltschaft zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung ist – wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt – nicht einschlägig. Sie bezieht sich auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, gemäss welchem die Beschwerde ans Bundesgericht gegen Zwischenentscheide nur zulässig ist, wenn diese einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können. Eine solche Einschränkung der Zulässigkeit der Beschwerde ist in der vorliegend anzuwendenden Schweizerischen Strafprozessordnung nur bei der Ablehnung von Beweisanträgen durch die Staatsanwaltschaft vorgesehen (Art. 394 lit. b StPO). In Fällen, in denen mittels Beschwerde die Entfernung eines Aktenstücks wegen Unverwertbarkeit verlangt wird, gelangt der Ausschlussgrund von Art. 394 lit. b StPO nicht zur Anwendung (BK 13 179 vom 4. September 2013 E. 2; vgl. auch Ruckstuhl, in: Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2011, Art. 131 N 11). Mit anderen Worten ist ein nicht wiedergutzumachender Nachteil nach Art. 93 BGG nicht gleichzusetzen mit einem rechtlich geschützten Interesse im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO.
Die beschuldigte Person hat ein rechtlich geschütztes Interesse daran, dass unverwertbare Beweise im Strafverfahren nicht gegen sie verwendet werden. Dies beinhaltet zum einen, dass unverwertbare Beweise auch bei Zwischenentscheiden im Vorverfahren – etwa bei der Anordnung von Zwangsmassnahmen – nicht berücksichtigt werden dürfen (Wohlers, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 141 N 1; Gless, in: Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2011, Art. 141 N 35).
Zum anderen soll mit der Entfernung von unverwertbaren Beweismitteln aus den Akten nach der Intention des Gesetzgebers sichergestellt werden, dass diese die Entscheidfindung des Gerichts nicht beeinflussen können. Der Gesetzgeber hat sich deshalb in Art. 141 Abs. 5 StPO bewusst dafür entschieden, dass die Aufzeichnungen über unverwertbare Beweise aus den Strafakten zu entfernen und unter separatem Verschluss zu halten sind (vgl. Botschaft StPO, S. 1184, wonach beim Belassen in den Akten verbunden mit der Pflicht zur Nichtbeachtung die Gefahr bestünde, dass die unverwertbaren Beweise die Entscheidfindung dennoch beeinflussen könnten). Daraus folgt, dass die beschuldigte Person ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, dass unverwertbare Beweise bereits frühzeitig aus den Akten entfernt werden. Die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Verweigerung der Entfernung von Beweismitteln aus den Akten wird denn auch in der Lehre zu Recht bejaht (vgl. Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, 2011, N 100; Wohlers, a.a.O., Art. 141 N 10; Gless, a.a.O., Art. 141 N 118).
2.4 Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft bereits im jetzigen Verfahrenszeitpunkt ein rechtlich geschütztes Interesse, die fraglichen Einvernahmeprotokolle aus den Akten weisen zu lassen. Er ist folglich zur Beschwerdeführung legitimiert. Auf die form- und fristgerechte Beschwerde ist einzutreten.
3.1 Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, die Einvernahmeprotokolle vom 1. und 2. [Monat, Jahr] seien nicht verwertbar, da er an diesen Einvernahmen nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, obwohl eine Verteidigung bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar notwendig gewesen wäre.
3.2 In sachverhaltsmässiger Hinsicht lässt sich den Akten Folgendes entnehmen: Am 1. [Monat, Jahr] eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen eine unbekannte Täterschaft wegen vorsätzlicher Tötung zum Nachteil von B. Gleichentags wurde im Rahmen dieser Untersuchung der Beschwerdeführer von der Polizei festgenommen und als Auskunftsperson befragt. Am 2. [Monat, Jahr] wurde das Verfahren personell auf den Beschwerdeführer ausgedehnt, worauf er anlässlich der Hafteröffnung von der Staatsanwaltschaft als beschuldigte Person einvernommen wurde. Während beider Einvernahmen war der Beschwerdeführer nicht anwaltlich vertreten.
4.1 Die Staatsanwaltschaft hat in der angefochtenen Verfügung erwogen, der Umstand, dass der Beschwerdeführer am 1. [Monat, Jahr] als Auskunftsperson befragt worden sei, zeige, dass er zu diesem Verfahrenszeitpunkt nicht als Beschuldigter festgestanden habe und auch nicht als solcher behandelt worden sei. Bei der Befragung im Rahmen der Hafteröffnung seien die Formalien der StPO, wonach die Bestellung der notwendigen Verteidigung erst nach der ersten staatsanwaltschaftlichen Einvernahme erfolgen müsse, eingehalten worden. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer weder in der Einvernahme als Auskunftsperson noch an der Hafteröffnung belastende Aussagen gemacht, sodass es keinen Grund gebe, diese Einvernahmeprotokolle aus den Akten zu weisen.
4.2 Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, auch wenn er vorerst formell als Auskunftsperson einvernommen worden sei, sei bereits vor dessen Einvernahme erkennbar gewesen, dass es sich um einen Fall notwendiger Verteidigung handle. Schliesslich gehe bereits aus der Verfügung betreffend die vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers hervor, dass dessen Festnahme erfolgt sei, weil die ersten Ermittlungen einen Tatverdacht gegen ihn ergeben hätten. Die Strafuntersuchung sei zu diesem Zeitpunkt bereits formell eröffnet worden, wenn auch anfänglich noch gegen unbekannte Täterschaft. Ferner handle es sich bei dieser ersten Befragung um eine durch die Staatsanwaltschaft an die Polizei delegierte Einvernahme im Sinne von Art. 312 Abs. 2 StPO, mithin um eine staatsanwaltschaftliche Einvernahme. Spätestens nach dieser hätte die notwendige Verteidigung sichergestellt werden müssen. Schliesslich sei das Argument der Staatsanwaltschaft, wonach sich der Beschwerdeführer an den fraglichen Einvernahmen nicht selber belastet habe, unbeachtlich, da es sich erst im Fortgang des Verfahrens zeigen werde, ob die Aussagen des Beschwerdeführers belastend seien und überdies die Würdigung des Aussageverhaltens nicht in der Hand der Untersuchungsbehörden, sondern des urteilenden Gerichts liege.
4.3 Der Beschwerdeführer wurde bei der ersten Befragung formell als Auskunftsperson einvernommen. Für die Frage der Verwertbarkeit kann jedoch nicht allein auf die formelle Eigenschaft, in welcher der Beschwerdeführer befragt wurde, abgestellt werden. Zu prüfen ist vielmehr, ob zum Zeitpunkt der Einvernahme ein konkreter Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer bestand und er deshalb als beschuldigte Person hätte einvernommen bzw. die Strafuntersuchung auf ihn hätte ausgedehnt werden müssen.
Gemäss Art. 178 lit. d StPO wird als Auskunftsperson einvernommen, wer ohne selber beschuldigt zu sein als Täter der abzuklärenden Straftat oder einer anderen damit zusammenhängenden Straftat nicht ausgeschlossen werden kann. Sobald ein hinreichender Anfangsverdacht besteht, welcher die Eröffnung einer Untersuchung rechtfertigt, ist die betreffende Person als Beschuldigter zu behandeln. Sie darf alsdann nicht (mehr) als Auskunftsperson einvernommen werden (Donatsch, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, Art. 178 N 29). Der Beschwerdeführer wurde von der Kantonspolizei Bern am 1. [Monat, Jahr] um 16.20 Uhr gestützt auf Art. 217 StPO festgenommen und anschliessend einvernommen. Im Festnahmebefehl wurde unter anderem festgehalten, dass ein dringender Tatverdacht der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens bestehe und dass erste Ermittlungen einen Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer ergeben hätten.
Gestützt auf diese Ausführungen im Festnahmebefehl muss davon ausgegangen werden, dass aufgrund der polizeilichen Ermittlungen bereits vor der Einvernahme des Beschwerdeführers ein konkreter Tatverdacht gegen ihn bestand. Somit hätte der Beschwerdeführer bereits bei der ersten Befragung als Beschuldigter einvernommen werden müssen. Dies ergibt sich auch aus der gesetzlich geregelten Vorgehensweise bei einer polizeilichen Festnahme: Gemäss Art. 219 Abs. 1 und 2 StPO klärt die Polizei die festgenommene Person unverzüglich über ihre Rechte im Sinne von Art. 158 StPO auf und befragt sie anschliessend in Anwendung von Art. 159 StPO zu dem gegen sie bestehenden Tatverdacht.
Aus dem Wortlaut des Gesetzes und dem ausdrücklichen Verweis auf die Bestimmungen zur Einvernahme der beschuldigten Person ist zu schliessen, dass die von der Polizei in Anwendung von Art. 217 StPO festgenommene Person als Beschuldigter einzuvernehmen ist und ihr die entsprechenden Rechte gemäss Art. 158 f. StPO zu gewähren sind.
Gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. c StPO weist die Polizei oder die Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person zu Beginn der ersten Einvernahme darauf hin, dass sie berechtigt ist, eine Verteidigung zu bestellen oder gegebenenfalls eine amtliche Verteidigung zu bean-tragen. Wie sich dem Einvernahmeprotokoll entnehmen lässt, wurde der Beschwerdeführer bei der ersten Befragung nicht auf dieses Recht aufmerksam gemacht. Die Einvernahme vom 1. [Monat, Jahr] ist deshalb gemäss Art. 158 Abs. 2 StPO nicht verwertbar.
4.4 Die Unverwertbarkeit der Einvernahme ergibt sich in Übereinstimmung mit dem Beschwerdeführer zudem aus Art. 131 StPO. Gemäss Art. 131 Abs. 2 StPO ist die notwendige Verteidigung nach der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft, jedenfalls aber vor Eröffnung der Untersuchung sicherzustellen. Die Eröffnung einer Untersuchung hat somit zur Folge, dass die notwendige Verteidigung unverzüglich sicherzustellen ist und damit nicht bis zur Durchführung der ersten Einvernahme zugewartet werden kann (Lieber; in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, Art. 131 N 7).
Vorliegend wurde die Strafuntersuchung vor der ersten Einvernahme formell zwar erst gegen unbekannte Täterschaft eröffnet, jedoch bestand wie dargelegt bereits zum Zeitpunkt der ersten Befragung ein konkreter Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer. Die Strafuntersuchung hätte deshalb vor der Einvernahme auf den Beschwerdeführer ausgedehnt werden müssen, sodass die notwendige Verteidigung gemäss Art. 131 Abs. 2 StPO bereits zu diesem Zeitpunkt sicherzustellen gewesen wäre. Dass eine Verteidigung notwendig war, war aufgrund der Strafandrohung für das fragliche Delikt ohne Weiteres erkennbar. Gemäss Art. 131 Abs. 3 StPO ist die Einvernahme somit ungültig, zumal der Beschwerdeführer nicht auf eine Wiederholung derselben verzichtet hat.
4.5 Aus den hievor gemachten Ausführungen folgt gleichzeitig, dass die Einvernahme anlässlich der Hafteröffnung vom 2. [Monat, Jahr] ebenfalls unverwertbar ist, da zu diesem Zeitpunkt das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer formell eröffnet war und somit die notwendige Verteidigung vor der Einvernahme hätte sichergestellt werden müssen. Im Übrigen bringt der Beschwerdeführer zutreffend vor, dass es sich bei der Einvernahme anlässlich der Hafteröffnung nicht um die erste staatsanwaltschaftliche Einvernahme handelte, zumal die erste, von der Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 312 StPO an die Polizei delegierte Befragung bereits als staatsanwaltschaftliche Einvernahme gilt.
Auch unter diesem Gesichtspunkt hätte die notwendige Verteidigung spätestens vor der zweiten Einvernahme sichergestellt werden müssen. Soweit die Staatsanwaltschaft vorbringt, der Beschwerdeführer habe sich in den beiden Einvernahmen nicht selbst belastet, tangiert dies einzig die Beweiswürdigung bzw. -eignung und nicht die Verwertbarkeit (vgl. Wohlers, a.a.O., Art. 141 N 23). Das Vorbringen ist insofern nicht stichhaltig.
5. Diesen Ausführungen folgend sind die beiden Einvernahmen des Beschwerdeführers vom 1. und 2. [Monat, Jahr] unverwertbar (Art. 158 Abs. 2 bzw. Art. 131 Abs. 3 i.V.m. Art. 141 Abs. 2 StPO). Die Beschwerde ist gutzuheissen und die Verfügung der Regionalen Staatsanwaltschaft Z […] ist aufzuheben. Die Regionale Staatsanwaltschaft Z ist anzuweisen, die Protokolle der Einvernahmen des Beschuldigten vom 1. und 2. [Monat, Jahr] aus den Akten zu weisen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss zu halten und danach zu vernichten (Art. 141 Abs. 5 StPO).
Urteil BK 2013 362 des Obergerichts des Kantons Bern vom 6.2.2014
Aushändigung des Strafbefehls an den Vater genügt nicht
Wird ein Strafbefehl einem Familienmitglied im gleichen Haushalt ausgehändigt, ist die Zustellung rechtsgültig erfolgt. Erfolgt die Übergabe indessen ohne ausdrückliche Bevollmächtigung des Adressaten, kann eine im gleichen Haushalt lebende Person nicht als gewollt beigezogene Hilfsperson qualifiziert werden.
Sachverhalt:
Der Beschuldigte verlangte die Wiederherstellung der Einsprachefrist, weil der Strafbefehl nicht von ihm, sondern von seinem im gleichen Haushalt lebenden Vater entgegengenommen worden sei und dieser den Strafbefehl unbemerkt auf eine Auslandreise mitgenommen habe. Dadurch habe der Beschuldigte erst nach Ablauf der Einsprachefrist Kenntnis vom Strafbefehl erhalten.
Aus den Erwägungen:
3.1 Die Staatsanwaltschaft hat in der angefochtenen Verfügung erwogen, dass der Strafbefehl am 15. November 2013 auf der Poststelle B. von einem Familienmitglied des Beschwerdeführers entgegengenommen worden sei. Da dieser Person eine eingeschriebene, an den Beschwerdeführer adressierte Postsendung ausgehändigt worden sei, müsse die Person bevollmächtigt gewesen sein, eine an den Beschwerdeführer adressierte Sendung abzuholen. Eine Ersatzzustellung an eine empfangsberechtigte Person habe zur Folge, dass der Strafbefehl als wirksam zugestellt gelte. Die vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Person habe die Sendung – nach Angaben des Beschwerdeführers – ungeöffnet mit ins Ausland genommen. Selbst wenn dies zutreffe, hätte sich die Hilfsperson an die Abholung erinnern müssen und es wäre ihr zumutbar gewesen, den Beschwerdeführer über die Sendung zu informieren. Es handle sich dabei um ein verschuldetes Versäumnis der Hilfsperson, welches dem Beschwerdeführer wie sein eigenes anzulasten sei, habe er doch die Hilfsperson mit der Abholung von wichtigen Sendungen betraut. Der Beschwerdeführer hätte somit sicherstellen müssen, dass er von dieser Hilfsperson über wichtige Sendungen informiert werde und ihm solche unverzüglich weitergeleitet würden.
3.2 Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, er habe zu keinem Zeitpunkt jemanden beauftragt oder bevollmächtigt, in seinem Namen Post entgegenzunehmen. Wenn der Postzusteller einem Familienmitglied gegen Unterschrift eine nicht an ihn adressierte eingeschriebene Postsendung übergebe, lasse sich daraus nicht das Einverständnis des eigentlichen Adressaten ableiten. Es handle sich dabei auch nicht um eine zulässige Ersatzzustellung. Die Post hätte hier überhaupt nicht ausgehändigt werden dürfen.
Es dürfe als allgemein bekannt angesehen werden, dass eingeschriebene Post in der Regel dem Türöffnenden zur Gegenzeichnung hingereicht werde. Dies müsse auch der Staatsanwaltschaft bei der Auswahl der Versandart bewusst gewesen sein. Insofern nehme sie Fehler in der Zustellung billigend in Kauf. Die Information an ihn über den Strafbefehl sei nur deshalb unterblieben, weil das Einschreiben versehentlich und unbemerkt in das Reisegepäck geraten und erst am 26. November 2013, also nach Ablauf der Einsprachefrist, entdeckt worden sei.
4.1 Gemäss Art. 354 Abs. 1 lit. a StPO kann die beschuldigte Person innert 10 Tagen Einsprache erheben. Massgeblich für den Beginn der Einsprachefrist ist die Zustellung des Strafbefehls (vgl. Art. 90 Abs. 1 StPO). Eine Zustellung gilt als erfolgt, wenn die Sendung von der Adressatin oder dem Adressaten oder von einer im gleichen Haushalt lebenden, mindestens sechzehn Jahre alten Person entgegengenommen wurde (Art. 85 Abs. 3 StPO). Eine zulässige Ersatzzustellung an eine empfangsberechtigte Person hat zur Folge, dass der Strafbefehl dem Adressaten als wirksam zugestellt gilt, auch wenn dieser selbst davon keine Kenntnis erlangt.
4.2 Unbestrittenermassen wurde der Strafbefehl am 15. November 2013 vom Vater des Beschwerdeführers, der an der gleichen Adresse wie der Beschwerdeführer wohnhaft ist, entgegengenommen. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nahm der Vater den Strafbefehl nicht am Schalter der Poststelle B. in Empfang. Dies ergibt sich aus der elektronischen Sendungsverfolgung der Post (Track & Trace), in welcher der Empfang mit «Zugestellt durch» vermerkt ist, was bedeutet, dass die Zustellung am Domizil des Beschwerdeführers erfolgte (bei einer Entgegennahme am Postschalter wäre stattdessen der Vermerk «Zugestellt Schalter» aufgeführt, vgl. die Begriffserklärung der Post: www.post.ch/post-versenden-track -and-trace-begriffserklaerung).
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Zustellung sei nicht rechtsgültig erfolgt bzw. die Sendung hätte seinem Vater gar nicht ausgehändigt werden dürfen, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Aushändigung einer eingeschriebenen Postsendung an eine im gleichen Haushalt lebende, mindestens 16 Jahre alte Person ist – vorbehältlich anderer Anweisung durch die Strafbehörde – zulässig und bewirkt eine rechtsgültige Zustellung (Art. 85 Abs. 3 StPO; vgl. auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post [Allgemeine Geschäftsbedingungen «Postdienstleistungen» Ziff. 2.3.5: «Neben dem Empfänger sind sämtliche im selben Wohn- oder Geschäftsdomizil anzutreffenden Personen zum Bezug von Sendungen berechtigt»]). Somit gilt der Strafbefehl als am 15. November 2013 zugestellt, sodass die Einsprachefrist am 25. November 2013 endete. Die am 28. November 2013 der Post übergebene Einsprache erfolgte folglich verspätet.
4.3 Wird die Einsprachefrist versäumt, z.B. weil die im Sinn von Art. 85 Abs. 3 StPO zur Entgegennahme der Post berechtigte Person den Strafbefehl dem Adressaten nicht oder verspätet zur Kenntnis gebracht hat, steht der betroffenen Person die Einreichung eines Wiederherstellungsgesuchs offen (Art. 94 StPO). Eine Wiederherstellung wird indessen nur gewährt, wenn der Adressat glaubhaft machen kann, dass ihn – bzw. die Person, für deren Verhalten er einzustehen hat – am Versäumnis kein Verschulden trifft (Riedo, in: Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2011, Art. 94 N 33). Ein Verschulden von Hilfspersonen wie z.B. Boten ist dem Adressaten wie eigenes Verschulden anzurechnen (Urteil des Bundesgerichts 6B_849/2011 vom 6. Juli 2012 E. 1.2; Riedo, a.a.O., Art. 94 N 58).
4.4 Gemäss den Angaben des Beschwerdeführers ist die eingeschriebene Postsendung versehentlich und unbemerkt in das Reisegepäck seines Vaters geraten und wurde erst nach Ablauf der Einsprachefrist ungeöffnet entdeckt. Diese Nachlässigkeit des Vaters stellt ein Verschulden dar, welches eine Wiederherstellung der Einsprachefrist ausschliessen würde. Zu prüfen ist deshalb, ob das Verschulden des Vaters dem Beschwerdeführer angerechnet werden kann.
4.5 Die Staatsanwaltschaft führt diesbezüglich aus, der Vater müsse vom Beschwerdeführer bevollmächtigt gewesen sein, da ihm eine an den Beschwerdeführer adressierte, eingeschriebene Postsendung ausgehändigt worden sei. Das verschuldete Versäumnis des Vaters sei dem Beschwerdeführer anzulasten, habe er doch die Hilfsperson mit der Abholung von wichtigen Sendungen betraut.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie unter Ziff. 4.2 hiervor dargelegt, nahm der Vater des Beschwerdeführers die Sendung nicht an der Poststelle, sondern an seinem Domizil in Empfang. Für eine Zustellung am Domizil des Empfängers an eine im gleichen Haushalt lebende Person ist keine Vollmacht des Adressaten notwendig. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Vater zur Entgegennahme von Postsendungen (ausdrücklich) bevollmächtigt hätte, bestehen nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass – wie bei eingeschriebenen Postsendungen üblich und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post vorgesehen – der Strafbefehl dem Vater ohne Vorliegen einer Vollmacht ausgehändigt wurde.
Die Zustellung an den Vater erfolgte somit ohne Zutun des Beschwerdeführers. Die Strafbehörde als Absenderin bestimmt die Art der Zustellung. Ihr kommt damit der Entscheid darüber zu, ob eine im gleichen Haushalt wie der Empfänger lebende Person die Sendung in Empfang nehmen darf oder ob die Zustellung an den Empfänger persönlich erfolgen muss. Mit anderen Worten hat der Beschwerdeführer den Umstand, dass der Strafbefehl von seinem Vater in Empfang genommen wurde bzw. der Strafbefehl ihm ausgehändigt werden durfte, nicht zu verantworten. Insofern handelt es sich beim Vater nicht um eine vom Beschwerdeführer gewollt beigezogene Hilfsperson, weshalb der Grundsatz, dass sich eine Partei das Verschulden ihrer Hilfsperson wie eigenes anrechnen lassen muss, vorliegend nicht greift. Folglich kann dem Beschwerdeführer das Verschulden seines Vaters nicht angelastet werden.
4.6 Im Weiteren ist auch kein persönliches Verschulden des Beschwerdeführers erkennbar. Da es sich beim Vater nicht um eine vom Beschwerdeführer beigezogene Hilfsperson handelt, kann dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen werden, er hätte seinen Vater anweisen müssen, dass er über wichtige Sendungen informiert werde und ihm solche unverzüglich weitergeleitet werden. Dazu war der Beschwerdeführer nicht verpflichtet. Abgesehen davon erscheint ohnehin fraglich, inwiefern eine solche Instruktion verhindert hätte, dass der Strafbefehl unbemerkt in das Reisegepäck des Vaters gelangt.
Der Beschwerdeführer hat gemäss seinen eigenen Angaben erst am 26. November 2013, mithin nach Ablauf der Einsprachefrist, Kenntnis vom Strafbefehl erhalten. Darauf ist abzustellen, zumal Gegenteiliges aus den vorhandenen Akten nicht nachgewiesen werden kann. Im Ergebnis war es dem Beschwerdeführer damit unverschuldeterweise nicht möglich, rechtzeitig Einsprache zu erheben. Die Staatsanwaltschaft hat sein Wiederherstellungsgesuch folglich zu Unrecht abgewiesen.
4.7 Diesen Ausführungen folgend ist die Beschwerde gutzuheissen. Die Verfügung der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 13. Dezember 2013 wird aufgehoben und die Einsprachefrist gegen den Strafbefehl BM 13 43263 vom 11. November 2013 wiederhergestellt. Entsprechend ist festzustellen, dass die Einsprache rechtzeitig erfolgt ist.
Beschluss BK 2014 2 des Obergerichts des Kantons Bern vom 17.3.2014
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