Grundrechte
Speicherung von Vorratsdaten zulässig
Die anlasslose Speicherung von Telefon- und E-Mail-Kontakten der ganzen Bevölkerung stellt nach Auffassung des Bundesgerichts keinen schweren Eingriff in die Grundrechte dar. Definitiv entscheiden wird in dieser Sache der Europäische Menschenrechtsgerichtshof.
Sachverhalt:
Die Digitale Gesellschaft, vertreten durch Nationalrat Balthasar Glättli und fünf weitere Personen, hatte Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung der Fernmeldedienstanbieter erhoben. Das Bundesgericht lehnt die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
4. Die Beschwerdeführer rügen, eine systematische und anlasslose Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten des Fernmeldeverkehrs verletze das Recht auf Achtung des Intim-, Privat- und Familienlebens, den Schutz der Privatsphäre, einschliesslich die Achtung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, den Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten, die Meinungs- und Medienfreiheit, das Recht auf persönliche Freiheit, die Bewegungsfreiheit und die Unschuldsvermutung.
4.1 Art. 8 Ziff. 1 EMRK verankert namentlich den Anspruch jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens sowie ihrer Korrespondenz. Im Wesentlichen derselbe Schutz ergibt sich aus Art. 17 Uno-Pakt II (SR 0.103.2) und Art. 13 Abs. 1 BV (BGE 140 I 353 E. 8.3, S. 369; 140 IV 181E. 2.3, S. 183). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wird der Begriff des Privatlebens weit verstanden und ist keiner abschliessenden Definition zugänglich. Art. 8 Ziff. 1 EMRK umfasst insbesondere die Möglichkeit, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und zu entwickeln, und gewährleistet insoweit die Interaktion einer Person mit anderen (EGMR-Urteile Satakunnan Markkinapärssi Oy und Satamedia Oy gegen Finnland vom 27. Juni 2017 [Nr. 931/13] § 131; Magyar Helsinki Bizotts ág gegen Ungarn vom 8. November 2016 [Nr. 18030/11] § 191; Amann gegen Schweiz vom 16. Februar 2000 [Nr. 27798/95] § 65).
Das Fernmeldegeheimnis, das die Privatsphäre schützt, trägt zur Verwirklichung dieser Garantien bei. Die Kommunikation mit fremden Mitteln wie Post und Telefon soll gegenüber Drittpersonen geheim erfolgen können. Immer wenn die Kommunikation durch eine Fernmeldedienstanbieterin erfolgt, soll sie unter Achtung der Geheimnissphäre vertraulich geführt werden können, ohne dass der Staat Einblick erhält und daraus gewonnene Erkenntnisse gegen die Betroffenen verwendet. Geschützt ist dabei nicht nur der Inhalt der Kommunikation; vielmehr werden auch die Randdaten des Kommunikationsvorgangs erfasst (BGE 140 I 353 E. 8.3, S. 369; 140 IV 181 E. 2.3 f., S. 183 f.).
Der Schutz der Privatsphäre umfasst den Anspruch jeder Person auf Schutz vor Missbräuchen ihrer persönlichen Daten (so ausdrücklich Art. 13 Abs. 2 BV). Im Bereich des Datenschutzes garantiert das verfassungsmässige Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dass grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wie sensibel die fraglichen Informationen tatsächlich sind, jede Person gegenüber fremder, staatlicher oder privater Bearbeitung von sie betreffenden Informationen bestimmen können muss, ob und zu welchem Zweck diese Informationen über sie bearbeitet werden (BGE 142 II 340 E. 4.2, S. 346; 140 I 2 E. 9.1, S. 22 f.; 138 II 346 E. 8.2, S. 359 f.). Der Begriff des Bearbeitens umfasst aus datenschutzrechtlicher Sicht auch das Beschaffen und Aufbewahren von Personendaten (Art. 3 lit. e des Bundesgesetzes über den Datenschutz [DSG; SR 235.1]).
Art. 10 EMRK und Art. 17 BV schützen die Medienfreiheit (BGE 141 I 211 E. 3.1, S. 213 f.). Die Verfassungsbestimmung gewährleistet ausdrücklich die Freiheit von Presse, Radio und Fernsehen sowie andere Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen (Abs. 1). Die Zensur ist verboten (Abs. 2) und das Redaktionsgeheimnis garantiert (Abs. 3). Die Medienfreiheit gehört zu den zentralen Ausprägungen des allgemeinen Grundrechts freier Meinungsäusserung. Normativer Kern der Medienfreiheit ist die Sicherung des ungehinderten Nachrichtenflusses und des freien Meinungsaustauschs. Geschützt ist die Recherchetätigkeit der Journalisten zur Herstellung von Medienerzeugnissen und zu deren Verbreitung in der Öffentlichkeit (BGE 143 I 194 E. 3.1 S. 200). Als subsidiäres Auffanggrundrecht dazu gewährleistet die Meinungsfreiheit das Recht jeder Person, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten (Art. 16 BV; BGE 137 I 209 E. 4.2, S. 211 f.). Der Schutzbereich umfasst die Gesamtheit der Mitteilungen menschlichen Denkens und alle möglichen Kommunikationsformen (BGE 127 I 145 E. 4b S. 151 f.). Die Meinungsfreiheit kann nicht nur durch direkte Eingriffe beeinträchtigt werden, sondern auch mittelbar, wenn der Einzelne aufgrund einer behördlichen Massnahme davon absieht, erneut von seinem Recht Gebrauch zu machen (sog. «chilling effect» oder «effet dissuasif»; BGE 143 I 147 E. 3.3, S. 152 f.).
4.2 Die Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation erfolgt unabhängig von einer allfälligen Strafuntersuchung und kann auch andere Zwecke verfolgen (z.B. die Suche und Rettung vermisster Personen; vgl. dazu E. 6.3 hernach). Daraus alleine lässt sich daher weder ein Verdacht noch eine Schuld im strafprozessualen Sinne ableiten (vgl. BGE 138 I 256 E. 4, S. 258). Inwiefern durch die Vorratsdatenspeicherung die Wahrscheinlichkeit steigen soll, als unschuldige Person eines Delikts verdächtigt zu werden, ist weder belegt, noch leuchtet dies ein. Auch der EGMR anerkennt, dass die Aufbewahrung personenbezogener Daten nicht einem strafrechtlichen Vorwurf gleichgestellt werden kann (EGMR-Urteile S. und Marper gegen Grossbritannien vom 4. Dezember 2008 [Nr. 30562/04 und 30566/04] § 122; M.K. gegen Frankreich vom 18. April 2013 [Nr. 19522/09] § 36). Insofern vermag der Einwand, wonach der Staat alle Bürger als potenzielle Straftäter betrachte, nicht zu überzeugen.
Da die streitbetroffenen Randdaten den Beschwerdeführern als Benutzer von Fernmeldediensten und Teilnehmer an Telekommunikationen grundsätzlich zugeordnet werden können, stellt deren Speicherung und Aufbewahrung indes einen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Gleichermassen liegt nach der Rechtsprechung des EGMR durch die blosse Aufbewahrung von das Privatleben betreffenden Informationen, insbesondere wenn sie systematisch erfolgt (vgl. EGMR-Urteile Uzun gegen Deutschland vom 2. September 2010 [Nr. 35623/05] § 46; Rotaru gegen Rumänien vom 4. Mai 2000 [Nr. 28341/95] § 43 und 46), ein Eingriff in die von Art. 8 EMRK geschützten Rechte vor (EGMR-Urteile S. und Marper gegen Grossbritannien vom 4. Dezember 2008 [Nr. 30562/04 und 30566/04] § 67; Leander gegen Schweden vom 26. März 1987 [Nr. 9248/81] § 48; Gardel gegen Frankreich vom 17. Dezember 2009 [Nr. 16428/05] § 58; Brunet gegen Frankreich vom 18. September 2014 [Nr. 21010/10] § 31), unabhängig davon, ob die Daten zu einem späteren Zeitpunkt verwendet werden oder nicht (EGMR-Urteile Amann gegen Schweiz vom 16. Februar 2000 [Nr. 27798/95] § 69; Aycaguer gegen Frankreich vom 22. Juni 2017 [Nr. 8806/12] § 33). Überdies ist die mit der Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation verbundene Informationsbeschaffung geeignet, in die insbesondere durch Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV geschützte Privatsphäre derjenigen Personen einzugreifen, die auf solchen Wegen kommunizieren. Dem verfassungsmässigen Anspruch der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) kommt hier keine darüber hinausgehende Bedeutung zu. Inwiefern die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit tangiert sein sollen, legen die Beschwerdeführer nicht in rechtsgenüglicher Weise dar.
5.1 Gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK darf in das Recht auf Achtung des Privatlebens nur eingegriffen werden, soweit dies gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Nach der entsprechenden Bestimmung von Art. 36 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein (Abs. 1). Einschränkungen von Grundrechten müssen zudem durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt (Abs. 2) und verhältnismässig sein (Abs. 3).
Ein schwerer Eingriff in ein Grundrecht bedarf einer klaren und ausdrücklichen Regelung in einem formellen Gesetz. Bei einem leichten Eingriff genügt ein Gesetz im materiellen Sinn. Ob ein Eingriff in ein Grundrecht schwer ist, beurteilt sich nach objektiven Kriterien. Nicht entscheidend ist das subjektive Empfinden des Betroffenen (BGE 143 I 194 E. 3.2, S. 201; 141 I 211 E. 3.2, S. 214 f.).
5.2 Der EGMR geht bei der Möglichkeit einer detaillierten Profilbildung über intime Aspekte des Lebens davon aus, es liege ein besonders einschneidender Eingriff in das Privatleben (...) vor (EGMR-Urteil Szabó und Vissy gegen Ungarn vom 12. Januar 2016 [Nr. 37138/14] § 70). Im gleichen Sinne schloss die Vorinstanz im vorliegenden Fall auf einen schweren Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Fernmeldeverkehrs und ihres Anspruchs auf informationelle Selbstbestimmung. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, bei den gespeicherten und aufbewahrten Randdaten der Telekommunikation handle es sich um einen sehr grossen Datensatz, der über das hinausgehe, was die Fernmeldedienstanbieterinnen für die Vertragserfüllung benötigten, und der ohne konkreten Anlass erstellt werde, insbesondere ohne Verdacht auf eine Straftat.
Die erfassten Informationen könnten zu Persönlichkeitsprofilen über die Kommunikation der Beschwerdeführer verdichtet werden und liessen in ihrer Gesamtheit ohne weiteres Rückschlüsse auf ihre persönlichen Lebensverhältnisse und ihr Umfeld zu, auch wenn es dabei «lediglich» um die äusseren Umstände der Kommunikation und nicht um deren Inhalt gehe. Überdies werde durch die Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten die Herrschaft der Beschwerdeführer über ihre personenbezogenen Daten beeinträchtigt. Deren mögliche Verwendung in einem späteren Strafverfahren wirke zusätzlich eingriffsbegründend bzw. -erschwerend, zumal ein «diffuses Gefühl des Überwacht- bzw. Beobachtet-Werdens» entstehen könne (...). Die Beschwerdeführer schliessen sich diesen Ausführungen im Wesentlichen an.
5.3 Zunächst fällt relativierend ins Gewicht, dass es sich bei den gespeicherten und aufbewahrten Informationen lediglich um Randdaten und nicht um den Inhalt der Telekommunikation handelt. Dies wertet das Bundesgericht als deutlich weniger einschneidend als Fälle der inhaltlichen Kommunikationserfassung (BGE 142 IV 34 E. 4.3.2, S. 38 f.; 139 IV 98 E. 4.2, S. 99).
5.4 Zwar trifft es zu, dass auch aus Randdaten in ihrer Gesamtheit gewisse Schlüsse auf das Privatleben der Benutzer von Fernmeldediensten gezogen werden können. So lassen sich daraus etwa Alltagsgewohnheiten, Aufenthaltsorte oder Ortswechsel sowie Informationen über berufliche und persönliche Kontakte, das Beziehungsnetz und das soziale Umfeld ableiten.
Demgegenüber werden die Randdaten auf der der Überwachung vorgelagerten Stufe der Speicherung und Aufbewahrung noch nicht zusammengeführt, weshalb auch keine sensiblen Profile gebildet werden können, die eine Beurteilung von wesentlichen Aspekten des Privatlebens erlauben würden. Ebenso wenig stehen die Randdaten den zuständigen staatlichen Stellen unmittelbar in ihrer Gesamtheit zur Verfügung.
6.3 Demnach bildet Art. 15 Abs. 3 Büpf eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten des Fernmeldeverkehrs.
8. Zu prüfen bleibt, ob die systematische Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation verhältnismässig ist.
8.2.1 Soweit die Beschwerdeführer damit eine Eingrenzung der Vorratsdatenspeicherung in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht fordern, lehnen sie sich an die beiden Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8. April 2014 und 21. Dezember 2016 an. In ersterem Entscheid erklärte der EuGH die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten für ungültig, weil sich diese nicht auf das absolut Notwendige beschränke und somit unverhältnismässig sei. Dies begründete er unter anderem damit, dass sich die Richtlinie generell auf alle Personen, alle elektronischen Kommunikationsmittel sowie auf sämtliche Verkehrsdaten erstrecke, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme vorzusehen. Insbesondere betreffe sie alle Personen, die elektronische Kommunikationsmittel benutzten, ohne dass diese auch nur mittelbar oder entfernt Anlass zur Strafverfolgung geben könnten.
Auch verlange die Richtlinie keinen Zusammenhang zwischen den auf Vorrat gespeicherten Daten und der Bedrohung für die öffentliche Sicherheit. So beschränke sie sich weder auf Daten eines bestimmten Zeitraums, Gebiets oder eines Kreises von Personen, die in irgendeiner Weise in schwere Straftaten verwickelt oder aus anderen Gründen zur Verhütung oder Verfolgung solcher Delikte beitragen könnten. Zudem sehe die Richtlinie eine Mindestdauer von sechs Monaten für die Vorratsdatenspeicherung vor, ohne dass eine Unterscheidung der Datenkategorien je nach deren etwaigen Nutzen für das verfolgte Ziel oder anhand der betroffenen Personen getroffen werde (Urteil des EuGH vom 8. April 2014 C-293/12 und C-594/12 Digital Rights Ireland, Randnr. 57 ff.).
Der EuGH bestätigte diese Rechtsprechung.
8.2.2 Obschon diese Urteile für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache nicht bedeutungslos sind, insbesondere weil sie die Rechtsfortbildung im europäischen Umfeld im Bereich der Vorratsdatenspeicherung entscheidend prägen und sich auch der EGMR in jüngeren Entscheiden darauf bezieht (vgl. EGMR-Urteile Szabó und Vissy gegen Ungarn vom 12. Januar 2016 [Nr. 37138/14] § 70; Zakharov gegen Russland vom 4. Dezember 2015 [Nr. 47143/06] § 147), sind sie für die Schweiz nicht verbindlich (vgl. Astrid Epiney, «Staatliche Überwachung versus Rechtsstaat: Wege aus dem Dilemma?», in: AJP 2016, S. 1507).
8.3.4 Gleichwohl bedingt die Vorratshaltung von Randdaten des Fernmeldeverkehrs eine automatische Speicherung und Aufbewahrung einer grossen Menge von personenbezogenen Daten. Um insbesondere den Garantien von Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 BV zu genügen, verlangt der EGMR in Übereinstimmung mit dem Bundesgericht, dass diese systematische Datenerfassung und -aufbewahrung von angemessenen und wirkungsvollen rechtlichen Schutzvorkehrungen begleitet werden, so dass Missbräuchen und Willkür vorgebeugt werden kann (BGE 138 I 6 E. 4.3, S. 25; 133 I 77 E. 5.4, S. 86 f.; vgl. 136 I 87 E. 8.4, S. 116 f.; EGMR-Urteile Rotaru gegen Rumänien vom 4. Mai 2000 [Nr. 28341/95] § 59; S. und Marper gegen Grossbritannien vom 4. Dezember 2008 [Nr. 30562/04 und 30566/04] § 103.
8.3.5 Die Beschwerdeführer bemängeln in diesem Zusammenhang, die datenschutzrechtlichen Grundsätze würden nicht eingehalten und es bestehe kein hinreichender Schutz vor Missbrauch.
Während das Büpf selbst keine Bestimmungen über den Datenschutz bzw. die Datensicherheit enthält, verweist Art. 9 Abs. 1 Vüpf namentlich auf die Verordnung zum Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG; SR 235.11).
Gemäss Art. 20 VDSG treffen die verantwortlichen Bundesorgane die nach den Art. 8–10 VDSG erforderlichen technischen und organisatorischen Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte der Personen, über die Daten bearbeitet werden (Satz 1). Diese Bestimmung gilt nach den zutreffenden und unbestritten gebliebenen Ausführungen der Vorinstanz auch für die Fernmeldedienstanbieterinnen, zumal sie bei der Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten des Fernmeldeverkehrs mit öffentlichen Aufgaben des Bundes betraut worden sind (Art. 3 lit. h DSG; vgl. E. 12.7.3 des angefochtenen Entscheids).
8.3.6 Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, es reiche für die Gewährleistung der Datensicherheit nicht aus, sich auf generell-abstrakte Bestimmungen zu berufen, vermögen sie nicht durchzudringen. Immerhin führen die vorerwähnten technischen, organisatorischen und administrativen Richtlinien des Dienstes ÜPF wichtige Massnahmen auf, die eine sichere Datenbearbeitung gewährleisten. So hat die Kommunikation von Informationen im Sinne einer Transport- und Bekanntgabekontrolle nur durch vorgängig authentifiziertes Personal und verschlüsselt zu erfolgen (OAR-Richtlinie, Ziff. 11.1 bzw. TR TS-Richtlinie, Ziff. 14.1). Zudem haben auf das System zur Abfrage von Informationen zu Fernmeldedienstabonnenten nur nutzungsberechtigte Personen mit User-Identifikation Zugang, die sich vorgängig beim Dienst ÜPF registrieren lassen müssen und von diesem einer Überprüfung unterzogen werden.
Insofern bieten die datenschutzrechtlichen Bestimmungen einen ausreichenden Schutz vor unbefugten Datenbearbeitungen und Zweckentfremdungen.
8.3.7 Neben den vorgenannten Schutzmassnahmen stehen den Beschwerdeführern zusätzlich verfahrensrechtliche Garantien zum Schutz vor unsachgemässen Datenbearbeitungen zu. Im Vordergrund steht dabei das Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG. Danach kann jede Person vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft darüber verlangen, ob Daten über sie bearbeitet werden (Abs. 1).
Der Inhaber der Datensammlung muss der betroffenen Person alle über sie vorhandenen Daten einschliesslich der verfügbaren Angaben über die Herkunft der Daten (Abs. 2 lit. a) bzw. den Zweck und gegebenenfalls die Rechtsgrundlagen des Bearbeitens sowie die Kategorien der bearbeiteten Personendaten, der an der Sammlung Beteiligten und der Datenempfänger mitteilen (Abs. 2 lit. b). Art. 9 DSG zählt allerdings verschiedene Gründe für eine Einschränkung des Auskunftsrechts auf. Nach dessen Abs. 1 lit. a kann der Inhaber einer Datensammlung die Auskunft verweigern, einschränken oder aufschieben, wenn ein Gesetz im formellen Sinn dies vorsieht.
Die Fernmeldedienstanbieterinnen berufen sich auf diese Ausnahme, um die Bekanntgabe der streitbetroffenen Randdaten an die Beschwerdeführer zu verweigern. Zur Begründung führen sie aus, das nur die Daten der Rechnungsstellung umfassende fernmelderechtliche Auskunftsrecht (Art. 45 FMG i.V.m. Art. 81 f. der Verordnung über Fernmeldedienste [FDV; SR 784.101.1]) gehe als lex specialis Art. 8 DSG vor. Dieser Argumentation kann indes nicht gefolgt werden.
Die Fernmeldedienstanbieterinnen verkennen, dass der durch Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK gewährleistete Anspruch auf Auskunft und Einsicht eine unentbehrliche Voraussetzung für die Verwirklichung des Schutzes der Privatsphäre darstellt (BGE 138 I 6 E. 7.5.2, S. 38 mit Hinweis). In diesem Sinne dient das Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG der Durchsetzung des Persönlichkeitsschutzes, indem es den betroffenen Personen ermöglichen soll, die über sie in einer Datensammlung bearbeiteten Daten zu kontrollieren mit dem Ziel, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Grundsätze und Bestimmungen zu überprüfen und gegebenenfalls durchzusetzen (vgl. Botschaft vom 23. März 1988 zum Bundesgesetz über den Datenschutz, BBl 1988 II 413, 433 Ziff. 213.1; BGE 138 III 425 E. 5.3 S. 431 f.).
8.4 Bei einer gesamthaften Betrachtung trifft es zwar zu, dass bei der Vorratshaltung von Randdaten der Telekommunikation sehr grosse Mengen an Daten erfasst werden und die Speicherung und Aufbewahrung alle Benutzer von Fernmeldediensten gleichermassen trifft, ohne dass diese Personen konkret Anlass zur Strafverfolgung geboten hätten. Auch ist nicht auszuschliessen, dass bereits das Wissen um die Datenerfassung und -aufbewahrung geeignet ist, das Kommunikationsverhalten zu beeinflussen. Die Beschwerdeführer berufen sich insoweit zu Recht auf ihre konventions- und verfassungsrechtlich geschützten Grundrechtspositionen. Diesen Schutzanliegen stehen jedoch gewichtige, im Gemeinwohl liegende Interessen am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der öffentlichen Gesundheit entgegen, welche die Vorratshaltung der Telekommunikationsranddaten zu wahren bezweckten. Ausserdem ist die Eingriffsintensität insoweit zu relativieren, als es sich bei den gespeicherten und aufbewahrten Informationen lediglich um mit dem Fernmeldeverkehr verbundene, äussere Daten handelt, die nicht den Inhalt der Kommunikation betreffen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer werden die Randdaten überdies auf der Stufe der Speicherung und Aufbewahrung bei den einzelnen Fernmeldedienstanbieterinnen weder gesichtet noch miteinander verknüpft, weshalb auch keine sensiblen Profile erstellt werden können. Die Strafverfolgungsbehörden haben keinen unmittelbaren und uneingeschränkten Zugriff darauf. Vielmehr müssen die qualifizierten, in der StPO festgelegten Voraussetzungen erfüllt werden, damit eine rückwirkende Überwachung des Fernmeldeverkehrs vorgenommen werden kann.
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten, insbesondere von Art. 8 EMRK und Art. 13 BV, erweist sich somit als unbegründet. Die von den Beschwerdeführern angeführten Urteile ausländischer Verfassungsgerichte sowie die weiteren von ihnen beigebrachten Dokumente und Stellungnahmen vermögen an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Da der Eingriff insoweit gerechtfertigt ist, bedarf es entgegen ihrer Auffassung überdies keiner Einwilligung in die Speicherung und Aufbewahrung der Randdaten ihres Fernmeldeverkehrs.
9. Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Urteil 1C_598/2016 des Bundesgerichts vom 2.3.2018, I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Strafprozessrecht
Kostenauflage für Privatkläger nicht rechtens
Die Kosten der Verteidigung einer freigesprochenen Beschuldigten dürfen nicht dem Privatkläger auferlegt werden, wenn es um ein Offizialdelikt geht und das erstinstanzliche Urteil auch von der Staatsanwaltschaft weitergezogen wurde.
Sachverhalt:
Die Historikerin Iris Ritzmann wird erstinstanzlich vom Vorwurf der mehrfachen Amtsgeheimnisverletzung freigesprochen. Der Privatkläger Christoph Mörgeli erklärte Berufung, zieht diese jedoch wieder zurück. Bis vor Bundesgericht wehrt er sich gegen eine teilweise Kostenauferlegung des Obergerichts für die Verteidigungskosten der Beschuldigten.
Aus den Erwägungen:
2. Mit Beschluss vom 14. März 2017 wurde das Verfahren als durch Rückzug der Berufungen erledigt abgeschrieben, wobei die Kosten des Berufungsverfahrens zur Hälfte dem Privatkläger Christoph Mörgeli (nachfolgend: Privatkläger) auferlegt und zur Hälfte auf die Gerichtskasse genommen wurden. Der Beschuldigten wurde eine Prozessentschädigung von 5000 Franken aus der Gerichtskasse zugesprochen. Der Privatkläger wurde verpflichtet, der Beschuldigten eine Prozessentschädigung von (ebenfalls) 5000 Franken zu bezahlen.
3. Gegen diesen Beschluss hat der Privatkläger Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht erheben lassen. Mit Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 20. Dezember 2017 wurde die Beschwerde des Privatklägers teilweise gutgeheissen, der Beschluss der hiesigen Kammer vom 14. März 2017 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung zurückgewiesen.
4. Die Dispositiv-Ziffern 1–3 (Fristabnahme, Abschreibung des Verfahrens, Kostenfestsetzung) des aufgehobenen Beschlusses wurden vom Privatkläger vor Bundesgericht nicht angefochten und waren demgemäss nicht Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens bzw. Entscheides. Die hälftige Auferlegung der Kosten des Berufungsverfahrens an den Privatkläger (Dispositiv-Ziffer 4) beanstandete das Bundesgericht sodann nicht (vgl. Urk. 146 S. 3 E. 4.1). Vom gutheissenden höchstrichterlichen Entscheid betroffen sind somit lediglich die Dispositiv-Ziffern 5 und 6 (Prozessentschädigung).
5. Da das Bundesgericht mit Entscheid vom 20. Dezember 2017 verbindlich festgehalten hat, dass die Kosten der Verteidigung nicht dem Privatkläger auferlegt werden dürfen, kann auf die Einholung von Stellungnahmen der Parteien verzichtet werden und das Verfahren erweist sich als spruchreif.
II. Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom 20. Dezember 2017 verbindlich festgestellt, dass die Kosten der Verteidigung nicht dem Privatkläger auferlegt werden dürfen, da es sich beim Tatbestand der Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB) um ein Offizialdelikt handle und die Aufwendungen des Verteidigers bis zum Rückzug der Berufung sich einzig auf die Frage der Verwertbarkeit der Beweismittel bezogen hätten. Zudem sei das erstinstanzliche Urteil nicht ausschliesslich vom Privatkläger, sondern auch von der Staatsanwaltschaft angefochten worden.
Weiterungen zu diesen Erwägungen des Bundesgerichtes erübrigen sich. Demgemäss ist der Beschuldigten die gesamte ihr zugesprochene Prozessentschädigung von 10 000 Franken aus der Gerichtskasse auszurichten.
Dies führt vorliegend dazu, dass der Staat die ganze Prozessentschädigung der Beschuldigten übernehmen muss, während der Privatkläger keine diesbezüglichen Kosten zu tragen hat. Wäre die Beschuldigte amtlich verteidigt gewesen, wären die Kosten ihrer (amtlichen) Verteidigung als Teil der Verfahrenskosten gemäss Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO hälftig vom Privatkläger zu tragen gewesen. Es muss dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber diese – im Resultat nicht nachvollziehbare – Diskrepanz wollte.
Beschluss SB180012 des Zürcher Obergerichts vom 24.1.2018
Anlassloser Dashcam-Film unverwertbar
Die ohne ersichtlichen Anlass getätigten Dashcam-Aufzeichnungen eines Fahrlehrers verletzen Datenschutzvorschriften und sind als Beweismittel unverwertbar.
Sachverhalt:
Ein Fahrlehrer filmte mit einer in seinem Auto installierten Dashcam, die permanent aufzeichnet, einen nicht korrekt fahrenden Lenker auf der Autobahn. Die erste Instanz sprach den Fehlbaren schuldig, das Kantonsgericht beurteilt den Fall anders.
Aus den Erwägungen:
3. Vorliegend erhielt die Polizei die Dascam-Aufzeichnungen als einzigen erheblichen Beweis gegen den Beschuldigten von einem Privaten. Die Frage, ob respektive wann Beweisverbote auch greifen, wenn nicht staatliche Hoheitsträger, sondern Privatpersonen Beweismittel sammeln, wird in der StPO nicht explizit beantwortet. Das Bundesgericht hält es für überzeugend, von Privaten rechtswidrig erlangte Beweismittel nur dann als verwertbar zu betrachten, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden hätten erlangt werden können und kumulativ dazu eine Interessenabwägung für die Verwertung spricht (BGer 1B_22/2012 vom 11. Mai 2012 E. 2.4.4). Dabei verweist das höchste Gericht auf die Doktrin, welche für die private Beweissammlung die für Strafverfolgungsbehörden aufgestellten Beweiserhebungsregeln zwar nicht vollumfänglich, aber die allgemeinen Rechtsregeln dermassen gelten lassen will, dass kein Anreiz zu Selbstjustiz besteht (vgl. Gless, BSK, 22014, Art. 141 StPO N 42 f.).
Die hypothetische Voraussetzung, dass die Strafverfolgungsbehörden das Beweismittel hätten auf rechtmässigem Weg erlangen können müssen (so Wohlers in Donatsch / Hansjakob / Lieber, Kommentar, 22014, Art. 141 N 8 mit Verweisen), wird in der Lehre jedoch auch kritisiert, weil sie in Bezug auf das staatliche Strafmonopol (dazu Art. 2 Abs. 1 StPO) falsche Anreize zur detektivischen Eigeninitiative setze (Riedo / Fiolka / Niggli, Strafprozessrecht, 2011, N 1079 f.; vgl. auch Riklin, OFK, 22014, Art. 141 StPO N 4). Diese Autoren halten durch Private erlangte Beweise als verwertbar, wenn sie in Übereinstimmung mit sämtlichen rechtlichen, den Privaten verpflichtenden Vorgaben beschafft wurden. Unter solche Vorgaben sollen aber nicht Widerhandlungen gegen zivilrechtliche Regelungen wie Persönlichkeitsverletzungen fallen (Riedo / Fiolka / Niggli, a.a.O., N 1074 und 1078). Davon ist jedoch wegen fehlender einschlägiger Begründung in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft nicht auszugehen. Das Bundesgericht verneinte zwar ein staatliches Beweiserhebungsmonopol (BGer 6B_323/2013 vom 3. Juni 2013 E. 3.3), wendet aber weiterhin sein Prüfungsprogramm nicht nur auf strafrechtswidrige bzw. deliktische, sondern ebenfalls auf allgemein rechtswidrig von Privaten erlangte, also etwa auch auf Persönlichkeitsrechte verletzende Beweise an (BGer 6B_1310/2015 vom 17. Januar 2017 E. 5 f.; im Ergebnis auch schon CAN 2012 Nr. 36).
a) Unzutreffend erachtet der Berufungsführer das Verhalten des Fahrlehrers als strafbar. Art. 179quater StGB erfasst privates Verhalten in der Öffentlichkeit nicht (dazu vgl. Donatsch, OFK, 192013, Art. 179quater StGB N 4; BGer 6B_536/2009 vom 12. November 2009 E. 3.2). In diesem Sinne sind mithin vorliegend die Aufzeichnungen nicht deliktisch.
b) Das Datenschutzgesetz bezweckt den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden (Art. 1 DSG). Dashcam-Aufzeichnungen von Daten (wie z.B. das Autokennzeichen) anhand deren Personen bestimmbar sind, betreffen Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a DSG und fallen daher in den auch durch private Datenbearbeiter einzuhaltenden Schutzbereich von Art. 13 Abs. 2 BV (Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, vgl. BGE 140 I 2 E. 9.1; Schweizer, St. Galler Kommentar, 32014, Art. 13 BV N 84; Diggelmann, BSK, 2015, Art. 13 BV N 33; Fiolka, BSK, 22014, Art. 95 StPO N 6 und 8; vgl. auch angef. Urteil E. 1.3) und damit unter das Datenschutzrecht (vgl. Mohler, Grundzüge des Polizeirechts in der Schweiz, 2012, N 457 f. und N 1171 f.).
Personendaten dürfen nur rechtmässig bearbeitet werden (Art. 4 Abs. 1 DSG). Ihre Bearbeitung hat nach Treu und Glauben zu erfolgen und muss verhältnismässig (Art. 4 Abs. 2 DSG) sowie ihre Beschaffung und der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person erkennbar (Art. 4 Abs. 4 DSG) sein. Wer Personendaten bearbeitet, darf dabei die Persönlichkeit der betroffenen Personen nicht widerrechtlich verletzen (Art. 12 Abs. 1 DSG). Jede Persönlichkeitsverletzung ist dabei zunächst widerrechtlich (Wermelinger, a.a.O. Art. 12 DSG N 3; Rampini, BSK, 20143, Vorbem. zu Art. 12 DSG N 4; Aebi-Müller, a.a.O., ZGB 28 N 29) und bleibt es, wenn sie nicht durch die Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB bzw. Art. 13 Abs. 1 DSG). Werden bei der Bearbeitung von Personendaten, also bei jedem Umgang mit ihnen (Art. 3 lit. e DSG; vgl. auch Mohler, a.a.O., N 1164), die Grundsätze von Art. 4 DSG nicht beachtet (Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG), ist die Rechtfertigung der Persönlichkeitsverletzung nach allerdings nicht unbestrittener Auffassung zwar nicht generell ausgeschlossen, im konkreten Fall aber nur mit grosser Zurückhaltung zu bejahen (vgl. Wermelinger, a.a.O., Art. 12 DSG N 4 f.; BGE 138 II 346 E. 7.2; Rampini, a.a.O., Art. 12 DSG N 9b).
Der Beschuldigte muss es grundsätzlich nicht hinnehmen, in der Öffentlichkeit in Wort, Bild oder Ton aufgezeichnet zu werden (vgl. Breitenmoser, St. Galler Kommentar, 32014, Art. 13 BV N 14). Wird ein aufgezeichnetes Kennzeichen durch Vergrösserung zur Identifikation des Fahrzeughalters ablesbar gemacht, wird die informationelle Integrität des den Wagen lenkenden Halters beeinträchtigt und damit seine Persönlichkeit verletzt (dazu vgl. etwa Aebi-Müller, CHK3, ZGB 28 N 3; Wermelinger, DSG SHK, 2015, Art. 12 DSG N 2; auch BGE 138 II 146 E. 10.2 und 10.6.2).
Vorliegend liegt keine Einwilligung des Beschuldigten in die ständigen Dashcam-Aufzeichnungen vor, und diese sind auch nicht durch ein Gesetz gerechtfertigt. Es kann nicht die Rede davon sein, dass der Beschuldigte seine Daten allgemein im Sinne von Art. 12 Abs. 3 DSG zugänglich machen wollte, weil allein der Umstand, dass er auf einer öffentlichen Strasse fuhr, nicht bedeutet, dass er seine Personendaten Aufzeichnungen zugänglich machte (Wermelinger, a.a.O., N 10). Mithin ist zu prüfen, ob die Persönlichkeitsverletzung durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse gerechtfertigt ist.
aa) Gestützt auf die abstrakte Möglichkeit verkehrspolizeilicher bzw. präventiv-polizeilicher Aufgaben ging der Vorderrichter davon aus, dass die Polizei vorliegend berechtigt gewesen wäre, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer zu kontrollieren und aufzuzeichnen, ohne dass sie hierfür einen konkreten Tatverdacht benötigt hätte (angef. Urteil E. 1.6.1). Die Erfüllung polizeilicher Aufgaben besteht heute wesentlich und permanent aus der Bearbeitung von zumeist personenbezogenen Daten im Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung (Mohler, a.a.O., N 456). Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln ist der Polizei in ihrer nicht einfach rund um die Uhr flächendeckend zulässigen Kontrolltätigkeit (vgl. entsprechend Art. 5 und 9 Abs. 1 SKV) indes konkret nur beschränkt möglich.
Die verkehrspolizeilichen Kontrollen sind schwerpunktmässig nach sicherheitsrelevantem Fehlverhalten und Gefahrenstellen auszurichten (Art. 5 Abs. 1 SKV). Nach § 9a PolG (SRSZ 520.110) kann die Polizei bei den örtlich und zeitlich begrenzten Beobachtungen Überwachungsgeräte auch nur einsetzen, wenn konkrete Anzeichen bestehen, dass es zu strafbaren Handlungen kommen könnte. Abgesehen davon dürfen präventiv-polizeiliche Kontrollmöglichkeiten im Bereich der Verkehrssicherheit nicht zur Umgehung strafprozessualer Schranken der Beweissammlung führen (Gless, BSK, 22014, Art. 141 StPO N 38). Strafprozessual stellt es eine unzulässige «fishing expedition» (vgl. dazu etwa CAN 2012 Nr. 36 E. 2.4) und einen Verstoss gegen den Grundsatz transparenter Personendatenbeschaffung (Art. 95 StPO; vgl. auch Rhyner, VSKC-Handbuch, S. 141) dar, sollten Polizeipatrouillen unterwegs verdeckt, ohne konkreten Verdacht das Verkehrsgeschehen flächendeckend und anlasslos ständig filmen. Daran ändert nichts, dass allgemein bekannt ist, dass auf Strassen gegen die Verkehrsregeln verstossen wird.
Vorliegend konnte die Polizei den Beschuldigten nur eruieren, weil der Fahrlehrer den Verkehr anlasslos bzw. ohne konkreten, ihn betreffenden Anlass privat mit einer ständig eingeschalteten Dashcam aufzeichnete. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Aufnahmen war die Polizei mangels Präsenz vor Ort nicht in der Lage, das verdächtige Fahrverhalten des Beschuldigten selber festzustellen (vgl. BGer 1B_22/2012 vom 11. Mai 2012 E. 2.4.4, im Unterschied zum Fall BGer 1B_2015 vom 8. Februar 2016, bei dem im Zeitpunkt der Tonaufnahme schon eine behördliche Überwachung möglich war, dazu BGer 6B_983/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.3.1). Als der Fahrlehrer seine Dashcam einschaltete, fehlte es an einer Straftat und es bestand kein Anlass zu einer Kontrolle, in deren Rahmen die Polizei hätte Verdacht schöpfen, einem allfälligen Verdächtigen mit eingeschaltetem Videogerät nachfahren und diesen eruieren können. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass die Beweise durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden hätten erlangt werden können.
bb) Für das Interesse des Beschuldigten an der Nichtverwertung der Aufzeichnungen ist an sich nicht sein Bedürfnis, der Strafe zu entgehen, sondern sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung respektive auf Datenschutz massgeblich. Dieses Recht kann nicht ausgeübt werden, wenn private oder polizeiliche Datenbearbeiter verdeckt vorgehen und nicht offenlegen, wann sie Daten beschaffen und bearbeiten. Werden die Daten dann in einem Strafverfahren verwendet, droht ein Beschuldigter nicht nur zum blossen Informations- oder Beweisobjekt degradiert, sondern auch unfair behandelt zu werden. Die Aufzeichnungen, mithin die Beschaffung seiner Personendaten, waren dem Beschuldigten vorliegend nicht erkennbar (im Unterschied zu Aufzeichnungen durch offensichtlich oder mit Hinweistafeln positionierten Kameras im öffentlichen Raum). Zwar nahm er durch seine Fahrweise wohl billigend in Kauf, andere Verkehrsteilnehmer auf sich aufmerksam zu machen. Trotzdem verliert er nicht den Schutz vor verdeckter Datenbeschaffung und -bearbeitung, da er nicht damit rechnen muss, durch anlasslose, permanente private Aufzeichnungen identifizierbar erfasst zu werden, die nicht nur seine Privatsphäre, sondern potenziell auch diejenige einer unbestimmten Anzahl weiterer Verkehrsteilnehmer tangieren (vgl. noch unten lit. cc in fine).
Die dem Beschuldigten nicht erkennbaren Aufzeichnungen seiner Verkehrsmanöver waren mithin im Sinne von Art. 4 Abs. 4 DSG intransparent. Die mit der Aufnahme verbundene Persönlichkeitsverletzung des Beschuldigten betrachtete der Vorderrichter an sich zwar mit guten Gründen nicht als schwerwiegend (vgl. angef. Urteil E. 1.6.3), dennoch ist die Datenaufzeichnung und -bearbeitung datenschutzrechtlich aufgrund ihrer Intransparenz nur mit grosser Zurückhaltung zu rechtfertigen.
Andererseits waren die Aufzeichnungen für den durch das Verhalten des Beschuldigten weder geschädigten noch beeinträchtigten Fahrlehrer zwecklos und somit unverhältnismässig im Sinne von Art. 4 DSG (vgl. etwa Rampini, a.a.O., Art. 12 DSG N 9 Alinea 3 und 5), weil keine privaten Interessen für die Aufzeichnungen ersichtlich sind. Weder benutzte er die Aufzeichnungen zur Instruktion eines Fahrschülers, noch drohten ihm aufgrund der dem Beschuldigten vorgeworfenen Verkehrsregelverletzungen oder einer anderen Gefahrenlage irgendwelche straf- oder zivilrechtlichen Vorwürfe zu entstehen, welche der Aufzeichnung respektive deren nachträglicher Bearbeitung in Bezug auf seine Person hätten einen nachvollziehbaren Zweck verleihen können.
cc) Allein aufgrund der Anzeige des Fahrlehrers hätte ohne die rechtswidrig beschafften bzw. bearbeiteten Aufzeichnungen kein Strafverfahren gegen einen identifizierbaren Täter eröffnet werden können. Da der Fahrlehrer zur Datenbeschaffung keine privaten Interessen hatte und die Verkehrsregelverletzungen, obwohl sie mutmasslich grob waren, keine schwerwiegenden Straftaten sind, ist die Verwertung der für die Polizei nicht erhältlichen Aufzeichnungen nicht gerechtfertigt. Ansonsten würde in Kauf genommen, dass Private den verfassungsmässigen Schutz vor Datenmissbrauch aushebeln (Art. 13 Abs. 2 und Art. 35 Abs. 3 BV). Zudem würden im Vorfeld des staatlichen Strafmonopols für Personen falsche Anreize zur privaten Beweiserhebung geschaffen, ohne dass sie in einem entsprechenden Verfahren an diesen Beweisen je selber ein Interesse haben könnten.
Die rechtsstaatlichen Anforderungen an eine justizförmige Strafverfolgung (siehe ebenfalls Art. 2 StPO) und die Interessen des in seiner Privatheit bzw. Freiheit rechtlich geschützten Beschuldigten an einem fairen Verfahren überwiegen bei nicht schweren Straftaten diejenigen der Strafverfolgung an der Wahrheitsfindung (dazu vgl. auch Gless, a.a.O., Art. 139 StPO N 15 f. und 28) und der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Sie können bei der in casu gebotenen grossen Zurückhaltung (vgl. oben S. 6 f. und lit. bb) nur dadurch gewahrt werden, dass die Dashcam-Aufzeichnungen als unverwertbar erklärt werden. Die nicht durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden ausgewählten Sequenzen aus privaten Dascam-Aufzeichnungen dürfen daher hier im Strafverfahren nicht verwendet werden. Dagegen kommt auch nicht das Argument an, dass wer sich korrekt verhält, von Dashcam-Aufzeichnungen wie den vorliegenden nichts zu befürchten hätte. Zum einen ist Korrektheit nicht unantastbar: Was vor verhältnismässig kurzer Zeit allgemein noch verpönt, ja gar strafbar war, ist heute «en vogue»; was vorliegend als unkorrekt betrachtet wird (Rechtsüberholen an sich), ist andernorts erlaubt. Zum andern schützt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung prinzipiell auch unübliche Lebensformen inklusive ihrer Moralvorstellungen.
4. Vorliegend handelt es sich nicht um eine verbotene Beweiserhebung mit täuschenden Mitteln im Sinne von Art. 140 in Verbindung mit Art. 141 Abs. 1 StPO (vgl. dazu Gless, a.a.O., Art. 140 StPO N 65). Nach Art. 141 Abs. 2 StPO dürfen Beweise, die Strafbehörden unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften (dazu unten lit. a) erhoben haben, nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten erforderlich (lit. b). Wären nur Ordnungsvorschriften verletzt, könnten die Aufzeichnungsvergrösserungen verwertet werden (Art. 141 Abs. 3 StPO), sofern sie, was vorliegend wie schon gesagt nicht der Fall ist, in den Akten lägen. Ermöglicht ein Beweis, der nach Art. 141 Abs. 2 StPO nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre (Art. 141 Abs. 4 StPO).
a) Die Polizei stellt im Ermittlungsverfahren auf der Grundlage von Anzeigen oder eigenen Feststellungen den für eine Straftat relevanten Sachverhalt fest, namentlich stellt sie Beweise sicher, wertet diese aus und ermittelt tatverdächtige Personen (Art. 306 Abs. 1 und 2 StPO). Sie richtet sich nach Art. 306 Abs. 3 StPO bei ihrer Tätigkeit vorbehältlich besonderer StPO-Bestimmungen nach den Vorschriften über die Untersuchung, die Beweismittel (dazu unten lit. aa) und die Zwangsmassnahmen (lit. bb).
aa) Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind (Art. 139 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 StPO). Die vorliegend ohne Einwilligung des Beschuldigten privat erstellten Dashcam-Aufzeichnungen sind aus Datenschutzgründen rechtlich unzulässig (vgl. oben E. 3). Die polizeiliche Auswertung verletzte damit zum Schutz des Beschuldigten erlassene Gültigkeitsvorschriften. Es liegt keine Verletzung von nur der administrativen Abwicklung des Strafverfahrens dienenden Ordnungsvorschriften, sondern von Regeln vor, die ausschliesslich oder vorrangig den Schutz des Beschuldigten anstreben.
Die Regeln haben zur Wahrung seiner Interessen eine derart erhebliche Bedeutung, dass sie ihr Ziel nur erreichen, wenn sie nicht beachtende Verfahrenshandlungen ungültig sind (zum Ganzen STK 2016 27 E. 3.d mit Hinw.). Daran ändert nichts, dass die Polizei bei der Bearbeitung der Aufnahmen andere Zielsetzungen als der Fahrlehrer bei der ständigen und anlasslosen Aufzeichnung hatte. Die nachträgliche Ersetzung des ursprünglich unverhältnismässigen Aufnahmezwecks (vgl. oben E. 3.b/bb) durch Zwecke der Strafverfolgung ist unzulässig (vgl. dazu Maurer-Lambrou / Steiner, a.a.O., Art. 4 DSG N 38a und 39; Mohler, a.a.O., N 1179). Die zwecklos erhobenen Daten müssten vielmehr wie nicht mehr benötigte Daten gelöscht werden (dazu vgl. Maurer-Lambrou / Schönbächler, BSK, 32014, Art. 5 DSG N 13d).
bb) Zwangsmassnahmen sind Verfahrenshandlungen, die in Grundrechte der Betroffenen eingreifen (Art. 196 StPO). Sie müssen gesetzlich vorgesehen sein, sich auf einen hinreichenden Tatverdacht stützen sowie verhältnismässig und durch die Bedeutung der verfolgten Straftat gerechtfertigt sein (Art. 197 Abs. 1 StPO; vgl. auch Art. 36 BV). Schon die Bedeutung der vorliegenden Verkehrsregelverletzungen (vgl. dazu gerade nachfolgend lit. b) liesse keine Zwangsmassnahmen, also in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschuldigten eingreifende Polizeihandlungen zu. Allein die Aussagen des Fahrlehrers über seine Beobachtungen vermochten ferner zwar konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat, aber keinen hinreichenden Tatverdacht gegen eine bestimmte Person zu begründen, sich an dieser Straftat beteiligt zu haben (dazu vgl. Hug / Scheidegger in Donatsch / Hansjakob / Lieber, Kommentar, 2014, Art. 197 N 6).
Die mithin gegen beliebige Personen gerichtete Bearbeitung der Aufzeichnungen des Fahrlehrers durch die Polizei kann nicht hinterher durch die Identifizierung einer möglichen Täterschaft durch den Abgleich des vergrösserten Kennzeichens mit dem Halterregister gerechtfertigt werden (vgl. auch Ruckstuhl / Dittmann / Arnold, Strafprozessrecht, 2011, N 583; Weber, BSK, 22014, Art. 197 StPO N 8). Die polizeiliche Bearbeitung geheimer privater Aufnahmen ist mit dem Zweck einer restriktiven Zwangsmassnahmenordnung in einer freiheitlichen Gesellschaft (vgl. dazu auch Weber, ebd. N 15) unvereinbar, wenn sie wie vorliegend widerrechtlich erhobene Personendaten betrifft. Selbst wenn die Löschungspflicht (vgl. dazu oben lit. aa in fine) die Polizei zur Annahme veranlasst haben könnte, es sei eine Gefahr in Verzug, welche sie zur Sicherstellung und Durchsuchung der privaten Aufzeichnungen ermächtigt hätte (Art. 241 Abs. 3 und Art. 263 Abs. 3 StPO), waren die Voraussetzungen für solche Zwangsmassnahmen nicht gegeben.
b) Der rechtlich unzulässig erlangte Beweis könnte mithin nur verwertet werden, wenn er zur Aufklärung einer schweren Straftat unerlässlich wäre (Art. 141 Abs. 2 StPO), was hier nicht der Fall ist. Die Dashcam-Aufzeichnungen dienen nicht zur Aufklärung einer schweren Straftat, welche in Abweichung vom Grundsatz der Erkennbarkeit der Datenbeschaffung (Art. 95 StPO) ein verdecktes Vorgehen rechtfertigten (vgl. BGer 6B_553/2015 vom 18. Januar 2016 E. 2.2). Die verfolgten groben Verkehrsregelverletzungen sind nicht in den Katalogen von Art. 269 Abs. 2 StPO und Art. 286 Abs. 2 StPO aufgeführt und dafür ist weder ausschliesslich eine Freiheitsstrafe angedroht noch eine solche beantragt (vgl. dazu Gless, BSK, 22014, Art. 141 StPO N 72; Wohlers in Donatsch / Hansjakob / Lieber, Kommentar, 22014, Art. 141 StPO N 21a; Ruckstuhl / Dittmann / Arnold, StPO, 2011, N 556; STK 2016 27 vom 13. Dezember 2016 E. 3.e Diebstahl mit beantragter Geldstrafe ist keine schwere Straftat). Sie sind auch keine derart gravierenden Delikte, die eine öffentliche Fahndung im Sinne von Art. 211 StPO rechtfertigten (vgl. Rüegger, BSK, 22014, Art. 211 StPO N 9).
5. Zusammenfassend sind die Dashcam-Aufzeichnungen nicht verwertbar. Ohne sie wären die Aussagen des Beschuldigten nicht erhältlich gewesen. Diese sind deshalb auch unverwertbar (Art. 141 Abs. 4 StPO). Aufgrund der Aussagen des Fahrlehrers kann der Beschuldigte nicht überführt werden. Mithin ist er von den Anklagevorwürfen freizusprechen. Ausgangsgemäss gehen die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zulasten des Staats (Art. 423 StPO), zumal dem im Berufungsverfahren obsiegenden Beschuldigten (Art. 428 Abs. 1 StPO) ohne die unverwertbaren Beweise nicht vorgeworfen werden kann, die Einleitung des Verfahrens bewirkt zu haben (vgl. dazu Art. 426 Abs. 2 StPO). Entsprechend ist er vor beiden Instanzen zu entschädigen (Art. 429 und 436 Abs. 1 StPO).
Urteil STK 2017 1 des Kantonsgerichts Schwyz vom 20.6.2017
Zustimmung der Eltern zu Rechtsmitteln der Kinder
Strafprozessuale Handlungen Minderjähriger bedürfen der Zustimmung beider Elternteile, solange die Minderjährigen unter gemeinsamer Sorge ihrer Eltern stehen. Bei einer Interessenkollision entfallen die Befugnisse der Eltern.
Sachverhalt:
Ein Ehemann erhebt gegen seine getrennt von ihm lebende Ehefrau Strafanzeige. Er wirft ihr wiederholte Tätlichkeiten gegen die gemeinsamen minderjährigen Kinder vor. Gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft erhebt er Beschwerde.
Aus den Erwägungen:
2.3 Nachfolgend wird aufgezeigt, dass der Beschwerdeführer nicht als gesetzlicher Vertreter im Namen seiner Kinder hätte Beschwerde erheben können.
2.3.1 Die Kinder des Beschwerdeführers, die zweifellos als (durch die geltend gemachte Straftat) geschädigte Personen anzusehen sind, sind zum heutigen Zeitpunkt sechs und vier Jahre alt. Sie sind daher handlungsunfähig (Art. 17 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [ZGB; SR 210]). Eine handlungsunfähige Person wird im Strafverfahren durch ihre gesetzliche Vertretung vertreten (Art. 106 Abs. 2 StPO).
Die gesetzliche Vertretungsbefugnis steht bei minderjährigen Kindern den Eltern als Inhaber der elterlichen Sorge zu (vgl. Art. 304 Abs. 1 ZGB). Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, gemäss Art. 296 ZGB unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter (Abs. 2), welche die elterliche Sorge nach der Maxime des Kindeswohls ausüben (Abs. 1). Gemeinsame elterliche Sorge bedeutet nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers, dass die Eltern alles, was das Kind betrifft, im Prinzip gemeinsam regeln (Botschaft zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [Elterliche Sorge] vom 16.11.2011, in: BBl 2011 9106; Affolter / Vogel, Berner Komm., Art. 296 ZGB N 51). Dies gilt insbesondere für wichtige rechtliche Vorkehren wie bspw. die Anhebung oder die Führung eines Prozesses (Schwenzer /Cottier, Basler Komm., 5. Aufl. 2014, Art. 304/305 ZGB N 11).
Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit (Art. 306 Abs. 3 ZGB). Haben die Eltern in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber (Art. 306 Abs. 2 ZGB).
2.3.2 Die Anhebung einer Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung ist eine Rechtsvorkehr, die mit erheblichen (finanziellen und nicht zuletzt emotionalen) Auswirkungen verbunden ist und gerade unter Berücksichtigung der Maxime des Kindeswohls grundsätzlich einer wohlüberlegten Zustimmung beider Elternteile und damit auch der Beschuldigten bedürfe. Dass die Beschuldigte der Anhebung einer Beschwerde ihrer Kinder gegen ihre eigene Person zustimmen würde, kann jedoch angesichts der vorliegenden Prozesskonstellation und aufgrund der Aussagen, die sie bei ihrer Einvernahme tätigte, ausgeschlossen werden.
Überdies liegt hinsichtlich des zugrunde liegenden Strafverfahrens (auch) auf Seiten des Beschwerdeführers eine offenkundige Interessenkollision vor. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er damit bzw. mit der angehobenen Beschwerde in erster Linie Eigeninteressen verfolgt. Der Beschwerdeführer und die Beschuldigte befinden sich in einem intensiv geführten Eheschutzverfahren, in welchem unter anderem auch Kinderbelange im Streit stehen. Das Verhältnis zwischen den Elternteilen scheint massiv getrübt zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es denkbar, dass der Beschwerdeführer die Strafanzeige gegen die Beschuldigte aufgrund persönlicher Beweggründe erhoben hat.
Der Beschwerdeführer hätte somit weder seine Kinder als Privatkläger des Strafverfahrens konstituieren noch in ihrem Namen Prozesshandlungen wie eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung anheben können. Auf die Beschwerde könnte somit auch durch eine von Amtes wegen vorzunehmende Korrektur der fehlerhaft bezeichneten Parteistellung nicht eingetreten werden.
Urteil 2N 17 118 des Kantonsgerichts Luzern vom 22.12.2017