Versicherungsrecht
Auch psychische Leiden können zu Invalidität führen
Eine Invaliditätsversicherung deckt nicht nur körperliche, sondern auch geistige oder psychische Schädigungen ab, sofern der Vertrag diese nicht hinreichend klar ausschliesst.
Sachverhalt:
Ein Zürcher Autofahrer war in eine Auffahrkollision verwickelt. Er hatte eine Insassenversicherung bei der Helvetia, die ein Invaliditätskapital von 40 000 Franken versichert. Voraussetzung laut Police: «Als Folge eines Unfalls muss innert fünf Jahren eine voraussichtlich lebenslängliche Invalidität eintreten.» Umstritten war, ob auch psychische Beeinträchtigungen versichert sind. Denn der Lenker litt nach dem Unfall an einer Depression. Das Bezirksgericht Uster ZH bejahte die Frage: Die Versicherung beziehe sich zwar nur auf körperliche Schäden, doch auch psychische Leiden könnten zu Invalidität führen.
Aus den Erwägungen:
2.1 Der Kläger macht zusammengefasst geltend, seine Forderung gegenüber der Beklagten bestehe aufgrund eines Motorfahrzeug-Versicherungsvertrags, den er mit der damaligen Schweizerischen National Versicherungsgesellschaft abgeschlossen habe. Die Beklagte habe später im Rahmen einer Fusion sämtliche Aktiven und Passiven der Schweizerischen National Versicherungsgesellschaft übernommen. Gemäss dem Versicherungsvertrag sei bei einem Unfall ein Invaliditätskapital von 40 000 Franken mit Progression versichert. Versicherte Personen seien der Lenker mit Einschluss aller Mitfahrer. Es handle sich somit um eine Insassen-Unfallversicherung nach VVG. Weiter seien gemäss Versicherungsvertrag die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (in der Folge: AVB) auf diesen Versicherungsvertrag anwendbar.
Der Kläger sei nun als Lenker und Halter des im Versicherungsvertrag versicherten Fahrzeuges am 26. Juni 2006 unverschuldet in eine Auffahrkollision verwickelt gewesen. Hierbei handle es sich nach Art. 80 AVB um einen Unfall, der mit der Benützung des versicherten Fahrzeuges in einem ursächlichen Zusammenhang stehe. Die Folgen dieses Unfalles seien somit nach Art. 81 lit. A AVB versichert.
Im von der IV-Stelle des Kantons Zürich in Auftrag gegebenen, polydisziplinären Gutachten habe der Gutachter beim Kläger die Diagnosen einer depressiven Episode, mit einer gegenwärtigen leicht- bis mittelgradigen Ausprägung, mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit, und einer Schmerzverarbeitungsstörung gestellt.
Nach Art. 87 AVB müsse die Beklagte ein Invaliditätskapital auszahlen, wenn als Folge eines Unfalles innert fünf Jahren, vom Unfalltag gerechnet, eine voraussichtlich lebenslange Invalidität eintrete. Während sich das Invaliditätskapital nach dem Grad der Invalidität, der vereinbarten Versicherungssumme und der gewählten Leistungsvariante bestimme, erfolge die Bemessung nach den gleichen Kriterien, die in der Unfallversicherung nach UVG für die Integritätsentschädigung Anwendung finden. Aus der Suva-Tabelle 19 ergebe sich explizit, dass nach UVG auch psychische Leiden gedeckt seien. Aus der Vertragsauslegung ergebe sich, dass sich der Kläger – wie jeder Bürger, der eine solche Versicherung abschliesse – gegen das Risiko der Invalidität in Form eines Invaliditätskapitals habe versichern wollen. Es sei zwar in den aufgeführten Fällen zur Bemessung des Invaliditätsgrads nach Art. 87 lit. B Ziff. 1 AVB von keinem «Verlust» oder einer «Gebrauchsunfähigkeit» in psychischer Hinsicht die Rede, jedoch sehe Art. 87 lit. B Ziff. 6 AVB vor, dass bei den nicht aufgeführten Fällen die Bestimmung des Invaliditätsgrads aufgrund ärztlicher Feststellung in Anlehnung an die in Ziff. 1 genannten Prozentsätze erfolge.
Hätte die Beklagte gewollt, dass lediglich der Verlust oder die Gebrauchsunfähigkeit von Körperteilen – unter Ausschluss von psychischen Leiden – einen Anspruch auf ein Invaliditätskapital begründen solle, so hätte sie dies in ihren AVB klar festhalten müssen. Der Kläger habe somit Anspruch auf Versicherungsleistungen, wenn ärztlich festgestellt werde, dass eine Invalidität vorliege.
2.2 Die Beklagte hält insgesamt fest, dass dem Kläger ihr gegenüber kein Anspruch zustehe. Dies begründet sie in erster Linie damit, dass beim Invaliditätskapital im Sinne von Art. 87 AVB nur körperliche, nicht aber geistige oder psychische Schädigungen versichert seien. Der Begriff der Invalidität gemäss ihren AVB decke sich nicht mit dem Integritätsschaden gemäss Unfallversicherungsrecht im Sinne von Art. 24 Abs. 1 UVG.
Ein Anspruch auf ein Invaliditätskapital der Beklagten bestehe nur bei Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit eines Körperteils nach Art. 87 lit. B AVB. Dies ergebe sich bereit aus dem Wortlaut. Es sei in Art. 87 lit. B AVB auch stets die Rede von Körper, nie aber von der Psyche, was darauf schliessen lasse, dass für psychische Beeinträchtigungen nur dann ein Anspruch bestehe, wenn sie auf eine beim Unfall erlittene Hirnverletzung – und somit den Verlust oder die Gebrauchsunfähigkeit eines Körperteils – zurückzuführen seien. Eine solche werde vom Kläger jedoch nicht geltend gemacht. Ebenso seien in den für die Bemessung des Invaliditätsgrades aufgeführten Fällen nach Art. 87 lit. B Ziff. 1 AVB keine Beeinträchtigungen der Psyche genannt, womit diese auch nicht nach Ziff. 6 zur Bestimmung des Invaliditätsgrades herangezogen werden könnten.
4.2.1 Da die Parteien die AVB durch Konsens zum Vertragsinhalt gemacht haben, stellt sich die Frage, ob auch psychische Leiden vorliegend unter den Begriff der Invalidität zu subsumieren sind. Dies erfordert eine Auslegung (Auslegungskontrolle). Die Auslegung von AGB erfolgt prinzipiell nach denselben Regeln wie individuell verfasste Abreden, womit nach Art. 18 OR auf den Willen der Parteien abzustellen ist. Es sind jedoch gewisse Besonderheiten, wie die Unklarheitsregel und das Restriktionsprinzip zu beachten. Bei Versicherungsverträgen wird die Unklarheitsregelung durch Art. 33 VVG konkretisiert: «Soweit dieses Gesetz nicht anders bestimmt, haftet der Versicherer für alle Ereignisse, welche die Merkmale der Gefahr, gegen deren Folgen Versicherung genommen wurde, an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in bestimmter, unzweideutiger Fassung von der Versicherung ausschliesst.»
4.2.2 Die Rekonstruktion des subjektiven Parteiwillens bei Vertragsabschluss bezüglich der einzelnen Teile des Vertrages ist bei Massenverträgen, wie den vorliegenden AVB, nicht möglich. Das Gericht hat folglich in objektivierter Betrachtungsweise darauf abzustellen, was vernünftig und redlich handelnde Parteien nach Treu und Glauben gewollt oder ausgedrückt hätten bzw. wie eine Partei eine Willensäusserung oder Verhaltensweise unter Beachtung sämtlicher Umstände nach Treu und Glauben verstehen konnte und musste. Der Begriff der Invalidität wird weder im vorliegenden Versicherungsvertrag noch in den AVB definiert. Art. 87 AVB, welcher die Überschrift «Invalidität» trägt, regelt in lit. A den Anspruch auf ein Invaliditätskapital wie folgt: «Tritt als Folge eines Unfalles innert fünf Jahren, vom Unfalltag an gerechnet, eine voraussichtlich lebenslängliche Invalidität ein, so zahlt die Gesellschaft das Invaliditätskapital aus, welches sich bestimmt nach dem Grad der Invalidität, der vereinbarten Versicherungssumme und der gewählten Leistungsvariante. Dabei ist unerheblich, ob und in welchem Ausmass ein Erwerbsausfall entsteht. Die Bemessung erfolgt nach den gleichen Kriterien, die in der Unfallversicherung gemäss UVG für die Integritätsentschädigung Anwendung finden.»
4.2.4 Auch im nach Art. 19 lit. B AVB subsidiär anwendbaren VVG findet sich keine Legaldefinition des Begriffs «Invalidität». Art. 88 VVG verlangt eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, obwohl in der Marginalie der Begriff «Invaliditätsentschädigung» verwendet wird. Voraussetzung eines Entschädigungsanspruches nach Art. 88 VVG wäre demnach eine voraussichtlich dauerhafte Beeinträchtigung der Gesundheit, das heisst eine Invalidität der versicherten Person, welche zudem eine voraussichtlich bleibende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten mit sich bringt. Demgegenüber wird in Art. 87 lit. A AVB nur der Begriff der Invalidität verwendet und zusätzlich ausgeführt, dass das Vorliegen eines Erwerbsausfalls für den Leistungsanspruch gerade nicht notwendig sei. Die Versicherungsleistung lässt sich somit nicht unter Art. 88 Abs. 1 VVG subsumieren.
4.2.5 Die Konstruktion des Parteiwillens erfolgt nach Massgabe des Vertrauensprinzips, da im Rahmen der objektiven Auslegung nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung gewollt hätten. Nach der Unklarheitsregel muss sich der Verfasser einer unklaren Vertragsbestimmung im Zweifelsfall die für ihn ungünstigere Auslegungsvanante entgegenhalten lassen. Es ist der Beklagten insofern zuzustimmen, dass «psychische Beeinträchtigungen» im Art. 87 AVB wörtlich nicht erwähnt werden und insbesondere unter dem Titel «Invaliditätsgrad» (Art. 87 lit. B AVB) in der Gliedertabelle und den darauffolgenden Ziffern nicht aufgeführt sind. Ebenso ist ihr beizupflichten, dass in den Ziffern 2 bis 5 von Art. 87 AVB stets Bezug auf Körperteile bzw. körperliche Schädigungen genommen wird. Nach dem Wortlaut von Art. 87 lit. A AVB ist eine «voraussichtlich lebenslange Invalidität» Anspruchsvoraussetzung für ein Invaliditätskapital. Dass vorliegend lediglich körperliche Beschwerden darunterfallen sollen, wird in der Anspruchsvoraussetzung nicht erwähnt. Ebenso werden die psychischen Beschwerden im Sinne von Art. 33 VVG in Art. 87 VVG nicht explizit vom Versicherungsanspruch ausgeschlossen.
Im Übrigen bestimmt sich der Invaliditätsgrad nach Art. 87 lit. B Ziff. 6 AVB für die in der Gliedertabelle nicht aufgeführten Fälle, aufgrund der ärztlichen Feststellungen in Anlehnung an die in der Gliedertabelle genannten Prozentsätze. Damit wird die Bestimmung des Invaliditätsgrades bei Invaliditäten, die nicht in der Gliedertabelle aufgeführt sind, explizit geregelt. Folglich werden solche, in der Gliedertabelle nicht aufgeführten Invaliditäten nicht vom Versicherungsanspruch ausgeschlossen. Der Begriff der Invalidität umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch jede dauernde Beeinträchtigung, welche physischer, psychischen oder geistigen Natur sein kann. Es ist für den Versicherten somit aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen nicht erkennbar, dass der Versicherer lediglich die körperlichen, nicht jedoch die psychischen Schädigungen versichern wollte. In Anwendung der Unklarheitsregel sowie von Art. 33 VVG sind unter den Begriff der Invalidität nach Art. 8 lit. A AVB somit auch psychische Beeinträchtigungen zu subsumieren.
Es wird festgestellt, dass psychische Beeinträchtigungen eine versicherte Invalidität im Sinne von Art. 87 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen begründen können.
Bezirksgericht Uster ZH, Beschluss CG180015 vom 4.9.2019
Zivilprozess
Nachbarn können sich am Prozess beteiligen
Streiten Mieter und Vermieter wegen Lärmbelästigungen des Nachbars, kann dieser im Prozess als Nebenpartei intervenieren, sofern der Kläger ihm vorwirft, die Mängel mitverursacht zu haben.
Sachverhalt:
Die Mieter fordern vom Vermieter die Beseitigung von Mängeln und eine Mietzinsminderung in Zusammenhang mit behauptetem unverträglichem Verhalten der Nachbarn.
Aus den Erwägungen:
1. Mit Schreiben vom 8. Mai 2019 ersuchten die Gesuchsteller darum, als Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten zugelassen zu werden.
2. Weder die Kläger noch die Beklagte widersetzen sich dem Einbezug der Gesuchsteller als Nebenintervenienten. Die Beklagte führt insbesondere aus, dass im Falle eines Obsiegens der Kläger im vorliegenden Verfahren die von ihnen behaupteten Vertragsverletzungen der Nebenintervenienten bewiesen wären, womit selbstredend eine Regressforderung der Beklagten gegenüber den Nebenintervenienten einherginge.
3. Gemäss Art. 74 ZPO kann jede Person, die ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, dass eine rechtshängige Streitigkeit zugunsten der einen Partei entschieden werde, im Prozess jederzeit als Nebenpartei intervenieren. Zur Glaubhaftmachung eines eigenen, rechtlichen Interesses am Prozessausgang ist insbesondere vorausgesetzt, dass eine unrichtige Entscheidung die eigene materielle Rechtslage der intervenierenden Partei (mittelbar oder unmittelbar) beeinträchtigen oder zumindest gefährden oder verschlechtern würde. Dies ist v.a. dann der Fall, wenn Rechte oder Verbindlichkeiten der intervenierenden Partei vom Bestand oder Nichtbestand der Rechte oder Rechtsverhältnisse des Hauptprozesses abhängen. An sich reicht jedoch bereits eine «Reflexwirkung» eines negativen Urteils aus, d.h. der Umstand, dass das Ergebnis des Prozesses die Erfolgsaussichten für den Nebenintervenienten in einem späteren Prozess gegen eine der Parteien des Erstprozesses faktisch beeinflussen würde.
4. Die Kläger fordern von der Beklagten die Beseitigung eines Mangels in Form von sich regelmässigen wiederholenden Lärmbelästigungen, angeblich verursacht durch ihre Nachbarn (die Gesuchsteller), sowie bis zur Beseitigung eine Mietzinsreduktion von 25 Prozent, rückwirkend seit dem 20. Juni 2017. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch nur indirekt ein Konflikt zwischen Mietern und Vermieterin. Im Kern geht es, wie beide (Haupt-)Parteien übereinstimmend schildern, um einen Nachbarschaftsstreit zwischen Gesuchstellern und Klägern infolge angeblicher Ruhestörungen von Ersteren, wobei die Beklagte kraft ihrer Rolle als Vermieterin und Vertragspartnerin der störenden Partei verpflichtet werden soll, diesen Mangel bzw. das angeblich ungebührliche Verhalten der Gesuchsteller zu unterbinden sowie den Klägern den Mietzins um einen Viertel zu ermässigen. Um mit diesen Begehren durchzudringen, müssen die angeblich von den Gesuchstellern ausgehenden Ruhestörungen von den Klägern gestützt auf Art. 8 ZGB nachgewiesen werden. Im Falle einer Gutheissung der Klage wäre die Beklagte gerichtlich zur Behebung der Ruhestörung sowie zum Hinnehmen von Verlusten in ihren Mietzinseinnahmen verpflichtet.
Eine effiziente Mängelbehebung wäre wohl nur durch eine ordentliche oder ausserordentliche Kündigung gegenüber den Gesuchstellern möglich – was die Beklagte den Gesuchstellern im Übrigen bereits angedroht hat. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn die klägerische Darstellung zutrifft, dass sich schriftliche Ermahnungen der Beklagten gegenüber den Gesuchstellern als wirkungslos erwiesen haben. Aus prozessualer Sicht entfaltet ein Urteil betreffend Mängelbehebung im vorliegenden Verfahren zwar keine direkte Bindungswirkung in einem allfälligen Kündigungsanfechtungsverfahren, welches die Gesuchsteller gegen die Beklagte anstrengen könnten.
Die im Rahmen eines Beweisverfahrens zur Frage des Bestandes und Ausmasses der Ruhestörung, z.B. durch die Befragung anderer im Haus wohnhaften Mietparteien, gerichtlich festgestellten Tatsachen würden jedoch ein schwer zu widerlegendem Indiz für die Gültigkeit einer gestützt darauf ausgesprochenen Kündigung gegenüber den Gesuchstellern darstellen. Damit haben sie ein erhebliches Interesse an einem für sie günstigen Ausgang des Beweisverfahrens, denn es geht für die Gesuchsteller um nichts anderes als um die Gefahr eines (juristisch) nicht mehr leicht abzuwendenden, unfreiwilligen Endes ihrer Vertragsbeziehung. Dieser Umstand wird noch zusätzlich dadurch erschwert, dass im Falle einer auf Fehlverhalten der Nebenintervenienten gestützten (gültigen) ausserordentlichen Kündigung gemäss Art. 257f OR die Erstreckung des Mietverhältnisses nach Art. 272a Abs. 1 lit. B OR ausgeschlossen wäre, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn der Vermieter statt zu einer ausserordentlichen zu einer ordentlichen Kündigung greift.
Damit droht den Gesuchstellern auch der Verlust des Rechts auf Erstreckung nach Art. 272a Abs. 2 OR. Zudem kann sich die Beklagte als Vermieterin an sich ungebührlich verhaltenden Mietern gestützt auf Art. 257f Abs. 2 i. V. m. Art 97 OR schadlos halten. Ein solches Vorgehen zieht die Beklagte im Falle ihres Unterliegens anscheinend auch in Erwägung. Somit stehen vorliegend auch (Regress-)Forderungen im Raum, deren Geltendmachung durch einen Beweis eines allfälligen störenden Verhaltens der Gesuchsteller in der hier anhängigen Sache erleichtert würde (vgl. dazu den bereits zit. BGE 142 III 40, in dem das Bundesgericht eine Nebenintervention eines Unterakkordanten bereits im Stadium der vorsorglichen Beweisführung zuliess).
Auch im Rahmen der Prozessökonomie erscheint eine Nebenintervention angezeigt. So verfügen die Gesuchsteller als Direktbeteiligte im Nachbarstreit im Gegensatz zur Beklagten womöglich über zusätzliche Beweismittel und eigenes Wissen aus erster Hand, deren Nichteinbringung die Gefahr von widersprüchlichen Urteilen mit sich bringen würde. Im Rahmen der vom Gericht anzustrebenden Förderung des Rechtsfriedens und zur Verhinderung weiterer Prozesse erscheint zudem eine gerichtliche Vergleichslösung zwischen sämtlichen im Streit involvierten Parteien.
Die Gesuchsteller sind somit im vorliegenden Verfahren als Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten zuzulassen.
Bezirksgericht Zürich, Verfügung MG190004-L vom 10.9.2019
Betreibungsrecht
Betreibungsamt muss Unterhalt für Sohn einrechnen
Der Anspruch auf eine angemessene Erstausbildung geht durch absolvierte Zwischenjahre sowie eine Vorlehre nicht ohne Weiteres verloren, wenn diese nötig waren, damit das volljährige Kind eine reguläre Berufslehre absolvieren und seine Ausgangslage auf dem Arbeitsmarkt verbessern konnte.
Sachverhalt:
Das Betreibungsamt Oberland in Interlaken BE pfändete den Lohn eines Mannes. Bei der Festsetzung seines Existenzminimums berücksichtigte es die Unterhaltszahlungen für seinen erwachsenen Sohn nicht. Der Sohn habe vor Beginn seiner Lehre Zwischenjahre besucht und eine Vorlehre absolviert, deshalb handle es sich nicht mehr um eine unterstützungspflichtige Erstausbildung.
Aus den Erwägungen:
1.1 Wenngleich die elterliche Unterstützungspflicht in der Regel nur bis zur Mündigkeit der Kinder dauert (Art. 277 Abs. 1 ZGB), sollen die Eltern nach Art. 277 Abs. 2 ZGB auch für den Unterhalt des Kindes nach Eintritt der Mündigkeit aufkommen, sofern ihm noch keine angemessene Erstausbildung (Abschluss der Schul- oder Lehrausbildung, Maturität oder Schuldiplom) zuteil geworden ist. Die Unterhaltspflicht gestützt auf Art. 277 ZGB ergeben finanzielle Pflichten, welche den Ansprüchen der Gläubiger vorgehen.
Für den Unterhalt während des Studiums oder anderer höherer Ausbildungen der Kinder soll der Schuldner dagegen nicht zulasten seiner Gläubiger aufkommen, da einerseits der entsprechende Anspruch von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern abhängt (Art. 277 Abs. 2 ZGB) und andererseits das Existenzminimum auf das unumgänglich Notwendige zu beschränken ist. Es wäre, wie das Bundesgericht ausführt, stossend, wenn es den Eltern auf Kosten der Gläubiger gestatten würde, (über die angemessene Erstausbildung hinaus) für den Unterhalt eines mündigen Kindes zu sorgen.
1.2 Der Sohn D. absolviert bei der Firma J. in H. eine Lehre als Detailhandelsfachmann EFZ. Es ist unbestritten, dass D. verschiedene Zwischenjahre absolvierte. Es ist davon auszugehen, dass diese nötig waren, um die Ausgangslage für D. auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und ihn mittels entsprechender Angebote bei der Suche nach einer Lehrstelle unterstützen zu können. Demnach waren diese «Umwege» nötig, damit D. die Voraussetzungen für die Absolvierung einer regulären Berufslehre erreichen konnte und die Möglichkeit erhielt, eine solche zu absolvieren. Durch die absolvierten Zwischenjahre und die Vorlehre hat D. seinen Anspruch auf eine angemessene Erstausbildung nicht verloren.
Entgegen der Auffassung des Betreibungsamtes handelt es sich bei der Lehrstelle von D. deshalb um eine Erstausbildung. Aufgrund der geltenden Unterhaltspflicht gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB haben die Eltern deshalb für die Zeit der Lehre für den Unterhalt ihres Sohnes aufzukommen.
2.1 Steht ein volljähriges, beim Schuldner wohnendes Kind noch in Ausbildung, so ist im Rahmen des Art. 277 Abs. 2 ZGB der Kinderzuschlag zum Grundbetrag gemäss Ziff. I.4 der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums einzurechnen. Die Kinderzuschläge werden nur berücksichtigt, wenn das Kind zur Familie des Schuldners gehört und mit ihm in Hausgemeinschaft lebt.
3. Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass die Beschwerde gutzuheissen ist und die Unterhaltskosten für den volljährigen Sohn D. in Erstausbildung bei der Existenzminimumsberechnung des Beschwerdeführers einzubeziehen sind. Die bestrittene Einkommenspfändung vom 4. April 2019 wird somit aufgehoben und das Betreibungsamt angewiesen, im Sinne der Erwägungen eine neue Existenzminimumsberechnung zu verfügen.
Obergericht Bern, Entscheid ABS 19 97 vom 4.6.2019
Verwaltungsrecht
Namensänderung wegen Reisen ins Ausland bewilligt
Die Erleichterung von Reisen ins Heimatland ist ein achtenswerter Grund, der die Änderung des Nachnamens rechtfertigt.
Sachverhalt:
Eine Tochter trägt den Nachnamen des Vaters als Familiennamen. Bei Reisen in Südamerika macht der dort unübliche Name des Vaters Schwierigkeiten, wenn die Mutter allein mit der Tochter unterwegs ist. Die Tochter beantragte deshalb im Wohnkanton Zug, den Nachnamen von Vater und Mutter tragen zu können. Das Amt verweigerte die Namensänderung. Die Tochter zog den Fall mit Erfolg vor das Verwaltungsgericht Zug.
Aus den Erwägungen:
3. a) Nach Art. 30 Abs. 1 ZGB, in dieser Fassung in Kraft seit 1. Januar 2013, kann die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen. Im Grundsatz gilt die Unabänderlichkeit des Namens. Ob im einzelnen Fall «achtenswerte Gründe» für eine Namensänderung vorliegen, ist eine Ermessensfrage, die von der zuständigen Behörde nach Recht und Billigkeit zu beantworten ist (Art. 4 ZGB).
In der Lehre gehen die Meinungen, wie die «achtenswerten Gründe» zu konkretisieren sind, auseinander. Das Bundesgericht verweist in seinem Entscheid BGE 140 III 577 Erw. 3.3.2 und 3.3.4 auf die in der Literatur vertretenen Ansichten. Einigkeit besteht darin, dass mit der Revision bzw. mit dem Wegfallen der «wichtigen Gründe» als Voraussetzung für eine Namensänderung die Hürden gesenkt wurden und die bisherige strenge Praxis gelockert werden muss. Die Revision von Art. 30 Abs. 1 ZGB erfolgte namentlich im Hinblick auf allfällige stossende Ergebnisse im Bereich des (neuen) Familiennamensrechts.
Soweit ersichtlich, fällte das Bundesgericht erst zwei Entscheide betreffend Namensänderung nach neuem Recht. Im Entscheid BGE 140 III 577 schützte es die Namensänderung des Kindes, das bei seiner sorgeberechtigten Mutter lebt und deren Namen tragen will. Beim zweiten Entscheid (Urteil des Bundesgerichts 5A_461/2018 vom 26. Oktober 2018) handelte es sich um einen schweizerisch-französischen Doppelbürger, der im Jahr 2014 im Kanton Wallis eine Änderung seines Nachnamens von A. in A. B. oder A.-B. beantragte. Das Namensänderungsgesuch wurde damit begründet, dass er seit vierzig Jahren bei Freunden, Bekannten, in beruflichen Beziehungen sowie bei Behörden und Weiteren unter dem Namen A. B. bekannt sei. Das Bundesgericht gestattete ihm die Änderung.
b) Mit der Beschwerdeführerin ist indes festzustellen, dass bei der Namensführung «B.» weiterhin der konkrete Bezug zum Nachnamen der Mutter und zur südamerikanischen Herkunft fehlen würde. Gemäss Ausführungen der Beschwerdeführerin würde dies im südamerikanischen Raum zu enormen, nicht wünschenswerten, negativen Konsequenzen führen, dies insbesondere dann, wenn die Mutter der Beschwerdeführerin alleine mit ihr unterwegs sei. In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Nachname in Kolumbien aus dem ersten Nachnamen des Vaters und dem ersten Nachnamen der Mutter zusammensetzt, erscheint es für das Gericht durchaus nachvollziehbar, dass es für die Mutter der Beschwerdeführerin momentan sehr schwierig ist, alleine mit ihrer Tochter in Südamerika zu reisen.
Es ist offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin immer wieder nach Kolumbien reisen und sich in Südamerika aufhalten wird. Dabei würde die aktuelle Namensführung immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Eine Namensänderung in «B. C.» hingegen würde der Beschwerdeführerin und ihrer Familie den Aufenthalt in Kolumbien und den Umgang mit den kolumbianischen Behörden wesentlich erleichtern, mithin die jeweils zu befürchtenden Unannehmlichkeiten beseitigen. In Anbetracht dessen ist das Bedürfnis der Beschwerdeführerin, den gleichen Nachnamen wie ihre Schwester tragen zu dürfen, der auch in südamerikanischen Ländern anerkannt ist und zu keinen Problemen führt, nachvollziehbar. Diese wichtigen privaten Interessen überwiegen hier das öffentliche Interesse an der Unveränderlichkeit des einmal erworbenen Namens. Der Beschwerdeführerin ist somit die gewünschte Änderung ihres Familiennamens von «B.» in «B. C.» zu bewilligen.
Verwaltungsgericht Zug, Urteil V 2018 105 vom 4.7.2019
Auch Unternehmen sind zur Neutralität verpflichtet
Nicht nur das Gemeinwesen, sondern auch öffentliche oder gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die von ihm beherrscht sind, unterstehen der Pflicht zur sachlichen -Information vor einer Volksabstimmung.
Sachverhalt:
Am 31. März 2019 fand in der Gemeinde Z die Urnenabstimmung über die Zukunft der Badeanstalt statt. Trägerin der Badeanstalt ist die Aktiengesellschaft (Badi Z AG), deren Alleinaktionärin die Einwohnergemeinde Z ist. Im Rahmen einer Doppelabstimmung konnten die Stimmberechtigten über einen Kredit zur Sanierung und Sicherung der Zukunft der Badeanstalt und über einen Kredit zur Stilllegung und zum Rückbau der Badeanstalt befinden. Mit 1401 Ja- zu 768 Nein-Stimmen genehmigten die Stimmberechtigten den Kredit zur Sanierung der Badeanstalt. Jener für den Rückbau wurde mit 417 Ja- zu 1584 Nein-Stimmen abgelehnt. Bereits am 7. März 2019 hatten die Stimmberechtigten A, B und C nach dem Versand der Abstimmungsbotschaft beim Regierungsrat eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragten, die Abstimmung sei abzusagen und zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund einer wahren, ausgewogenen, objektiven und neutralen Abstimmungsbotschaft durchzuführen.
Aus den Erwägungen:
6.2.1 Behördliche Informationen zu eigenen Vorlagen müssen geeignet sein, zur offenen Meinungsbildung beizutragen, und dürfen nicht in dominanter und unverhältnismässiger Art im Sinne einer eigentlichen Propaganda die freie Willensbildung der Stimmberechtigten erschweren oder geradezu verunmöglichen (Urteile des Bundesgerichts 1C_247/2018, 1C_248/2018, E. 5. 2).
Nach der Rechtsprechung ist die Behörde bei der Abfassung der Abstimmungserläuterungen zwar nicht zur Neutralität verpflichtet und darf eine Abstimmungsempfehlung abgeben, wohl aber zur Sachlichkeit. Dem Erfordernis der Objektivität genügen Abstimmungserläuterungen, wenn die Aussagen wohlabgewogen sind und beachtliche Gründe dafür sprechen, wenn sie ein umfassendes Bild der Vorlage mit ihren Vor- und Nachteilen abgeben und den Stimmberechtigten eine Beurteilung ermöglichen oder wenn sie trotz einer gewissen Überspitzung nicht unwahr oder unsachlich, sondern lediglich ungenau oder unvollständig sind. Die Behörde muss sich nicht mit jeder Einzelheit einer Vorlage befassen und nicht alle denkbaren Einwendungen, die gegen die Vorlage erhoben werden können, erwähnen.
6.6 Die Beschwerdeführerinnen rügen, die Badi Z AG habe in der Abstimmungsbotschaft eine ganze Seite für ihre Propaganda erhalten. Zudem habe sie vor dem Erscheinen der eigentlichen Abstimmungsbotschaft massiv Werbung für ihre Finanzierung durch die Gemeinde gemacht. Die Gruppierung «pro Badi Z» habe am Fasnachtsumzug etwa 2000 Werbeplastikenten der Badeanstalt verteilt.
6.6.3 Die Badi Z AG ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktien zu 100 Prozent von der Einwohnergemeinde Z gehalten werden. Der Gemeindepräsident ist Verwaltungsratspräsident der Gesellschaft. Bei der vorliegenden Abstimmung ging es um die Zukunft der Badeanstalt. Zweck der Badi Z AG ist der Betrieb einer gemeinnützigen Schwimm- und Freizeitanlage in der Gemeinde Z. Die Badi Z AG ist somit von der Vorlage besonders betroffen, da diese die Umsetzung ihres statutarischen Zweckes betrifft. Es ging bei der Vorlage darum, die Badi Z AG mit öffentlichen Mitteln finanziell zu unterstützen, um den Fortbestand der Badeanstalt zu sichern. Sie war somit berechtigt, in den Abstimmungskampf einzugreifen.
Jedoch hat die Badi Z AG mit der 12-seitigen A5-Broschüre und der Verteilung von Enten an der Fasnacht einen unverhältnismässigen Einsatz finanzieller Mittel getätigt. Zwar ist die Herausgeberin der Broschüre klar erkennbar. Die Broschüre verletzt jedoch den Grundsatz der Sachlichkeit, da in ihr nur Statements von Befürwortern abgedruckt wurden. Zudem ist es nicht Aufgabe der Behörde, privaten Einzelpersonen eine Plattform in den Abstimmungserläuterungen zu bieten. Die selektive Wiedergabe von Abstimmungsempfehlungen von weiteren Personen und Gremien in den amtlichen Abstimmungserläuterungen ist mit einer unzulässigen Beeinflussung der Stimmberechtigten verbunden und mit Blick auf Artikel 34 Absatz 2 BV nicht zulässig (Urteile des Bundesgerichts 1C_247/2018 sowie 1C_248/2018 vom 12. März 2019, E. 5.2. und 8.2.).
7. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Abstimmungserläuterungen zur Abstimmung über die Zukunft der Badeanstalt grundsätzlich wahr, verständlich und objektiv sind. Zur Neutralität ist die Vorinstanz darin nicht verpflichtet.
Soweit jedoch selektiv Abstimmungsempfehlungen von Dritten wiedergegeben werden, ist dies mit einer unzulässigen Beeinflussung der Stimmberechtigten verbunden und mit Art. 34 Abs. 2 BV nicht vereinbar. Da die Badi Z AG den gleichen Grundsätzen verpflichtet ist wie die Vorinstanz, bringt deren Stellungnahme in der Abstimmungsbotschaft keinen Mehrwert und ist daher überflüssig. Es gehört auch nicht zum Informationsauftrag der Behörde, Abstimmungsempfehlungen interessierter Akteure weiterzuverbreiten. Was die Werbeaktionen der Badi Z AG betrifft, so stellen diese in Anbetracht der zu beschliessenden Kreditgewährung einen unverhältnismässigen Einsatz finanzieller Mittel dar. Zudem verletzen die einseitigen Statements von Befürwortern in der Broschüre der Badi Z AG den Grundsatz der Sachlichkeit.
8.2 Unter den gegebenen Umständen konnten die Stellungnahme in den Abstimmungserläuterungen wie auch die Werbeaktionen der Badi Z AG die freie Willensbildung der Stimmberechtigten nur in einem beschränkten Ausmass beeinträchtigen. In Anbetracht der gesamten Umstände und insbesondere angesichts der deutlichen Zustimmung mit 64,6 Prozent zu Variante A (und einer Ablehnung mit 79,2 Prozent von Variante B) erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne die festgestellten Mängel anders ausgefallen wäre, als derart gering, dass sie nicht ernsthaft in Betracht fällt. Der Antrag der Beschwerdeführerinnen, die Abstimmung sei aufzuheben, ist deshalb abzuweisen.
Entscheid RRE Nr. 423, 2019 VI Nr. 2 des Luzerner Regierungsrats vom 7.5.2019
Baurecht
Hobbymässige Hühnerzucht in einer Wohnzone zulässig
Das Zürcher Baurekursgericht schützt die Haltung einer Schar Hühner in einem Wohngebiet. Offen bleibt, wie laut und wie oft der Hahn kräht. Auf jeden Fall darf er das am frühen Morgen nur im schallgeschützten Stall.
Sachverhalt:
Ein Eigentümer eines Hauses in der Wohnzone einer Zürcher Gemeinde baute einen Hühnerstall für zehn Hühner und einen Hahn. Gemäss der Baubewilligung darf der Hahn werktags von 8 Uhr bis 22 Uhr ins Freie und am Sonntag ab 9 Uhr. Zudem muss der Stall schallisoliert sein. Mehrere Nachbarn erhoben Rekurs. Sie beschwerten sich beim Baurekursgericht des Kantons Zürich, der Hahn krähe am Morgen vor 9 Uhr alle fünf bis zehn Minuten. Dieser Lärm sei übermässig.
Aus den Erwägungen:
1. Das Baugrundstück liegt gemäss geltender Bau- und Zonenordnung der Gemeinde X in der Wohnzone W1.4 mit Empfindlichkeitsstufe ES II in einer von Einfamilienhäusern mit grosszügigem Umschwung geprägten Umgebung.
Zusammengefasst stören sich die Rekurrierenden am Lärm, der insbesondere durch den Hahn verursacht werde. Das Krähen des Hahns sei objektiv erheblich störend im Sinne von Art. 15 des Umweltschutzgesetzes (USG) und eine erhebliche Belästigung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 der kommunalen Polizeiverordnung (PolVO). Das Hühnergehege befinde sich in Nähe ihrer Sitzplätze und störe erheblich.
4. In der Wohnzone sind Bauten, die Wohnraum enthalten, ohne Weiteres zonenkonform. Dies gilt zudem für Bauten, die zum Wohnen zusätzlich nötig sind, wie Garagen oder Gartenhäuser. Ebenso fällt die Hobbynutzung unter den Begriff der Wohnnutzung im Sinne von § 52 Abs. 1 PBG. Wann eine Tierhaltung noch als hobbymässig bezeichnet werden kann, hängt von der Zweckbestimmung der Tiere ab. Nur diejenige Tierhaltung ist zonenkonform, die rein privaten Zwecken, also der eigenen Freizeitbetätigung dient.
Vorliegend ist die hobbymässige Hühnerhaltung unbestritten. Zu beachten ist jedoch, dass neben der Zonenkonformität stets auch die baupolizeilichen und insbesondere aufgrund der zu erwartenden Immissionen bei Tierhaltungen auch die Voraussetzungen des Umweltschutzes erfüllt sein müssen, damit eine Bewilligung gesprochen werden kann. Dies ist im Folgenden zu prüfen.
5.1 Vorliegend geben die Lärmimmissionen Anlass zu Streitigkeiten. Gemäss Art. 7 Abs. 1 der Lärmschutzverordnung (LSV) ist der aus dem Betrieb neuer ortsfester Anlagen resultierende Lärm so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist (lit. a); zudem dürfen die von der Anlage allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte nicht überschreiten (lit. b). Fehlen Belastungsgrenzwerte, so beurteilt die Vollzugsbehörde die Lärmimmissionen nach Art. 15 USG und unter Berücksichtigung der Art. 19 und 23 USG (Art. 40 Abs. 3 LSV). Im Rahmen einer solchen Einzelfallbeurteilung sind der Charakter des Lärms, Zeitpunkt und Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmbelastung zu berücksichtigen. Dabei ist nicht auf das subjektive Lärmempfinden einzelner Personen abzustellen, sondern es ist eine objektivierte Betrachtung unter Berücksichtigung von Personen mit erhöhter Empfindlichkeit vorzunehmen (vgl. Art. 13 Abs. 2 USG).
5.2 Das Gackern von Hühnern ist als von geringer Intensität zu bezeichnen, weshalb das Halten von wenigen Hühnern ohne Hahn von vornherein als unproblematisch erscheint. Das Krähen eines Hahnes indessen wird vom menschlichen Ohr als relativ intensiv empfunden. Insbesondere die frühmorgendlichen Rufe wecken die Nachbarn zu unerwünschter Stunde. Hähne sollten deshalb ihre Lautäusserungen in Wohngebieten nicht uneingeschränkt verbreiten können. Bei geeigneten baulichen Massnahmen und unter Berücksichtigung des konkreten Umfeldes bedeutet dies jedoch nicht, dass das Halten von Hähnen in der Wohnzone gänzlich zu untersagen ist. Als wichtigste Massnahme ist die Beschränkung der Zeit, in der sich die Tiere im Freien aufhalten – insbesondere der frühen Morgenstunden – zu betrachten.
Verbringen Hühner und Hähne die Nacht in einem Gebäude, ist dies mit einer Haustierhaltung vergleichbar, etwa jener eines Hundes, der sich tagsüber regelmässig im Garten aufhält und dabei zeitweise bellt. Da die Hühner jedoch nicht ins Wohnhaus geholt werden, sind auch gewisse Anforderungen an das Hühnerhaus zu stellen, damit der Schall in den Ruhezeiten entscheidend gedämmt wird.
5.4 Wie die Vorinstanz richtigerweise festhält, sind die gemachten Lärmmessungen der Rekurrierenden nur bedingt tauglich: Fraglich ist zum einen die Genauigkeit von mit Mobiltelefonen durchgeführten Lärmmessungen. Zum anderen handelt es sich auch hier nur um nicht aussagekräftige Stichproben. In die Beurteilung mit einzubeziehen ist alsdann auch die konkrete Umgebung des Baugrundstücks. Wie bereits aufgezeigt, wird dieses gegen Süden wie auch gegen Norden nur gerade durch je eine Bautiefe vom Nichtbaugebiet getrennt.
Der Augenschein zeigte eine äusserst ländliche Umgebung mit Wald und landwirtschaftlicher Nutzung in nächster Nachbarschaft. In einem solchen Umfeld erweist sich das Krähen eines tagsüber freilaufenden und nachts in einem isolierten Hühnerhaus untergebrachten Hahns in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtsprechung als mit dem Zonencharakter durchaus verträglich; es wird vom durchschnittlich empfindlichen Menschen noch als jenes Mass an Belärmung erlebt, welches allgemein zu ertragen ist. Entsprechend ist festzuhalten, dass sich die streitbetroffene Hühnerhaltung mit Hahn mit den von der Vorinstanz statuierten Auflagen als bewilligungsfähig erweist. Weitere Massnahmen erscheinen weder zweck- noch verhältnismässig.
6. Zusammengefasst ist der Rekurs abzuweisen.
Baurekursgericht des Kantons Zürich, Urteil R3.2018.00180 vom 12.6.2019