1. Arbeitsrecht
1.1 Lohnfragen
Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung zur Qualifikation des Bonus in BGE 141 III 407 präzisiert. In diesen Streitfällen stellt sich regelmässig die Frage, ob ein vereinbarter Bonus als Lohn oder als Gratifikation einzustufen ist. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Gratifikation im Gegensatz zum Lohn von Bedingungen abhängig gemacht werden kann. Vorliegend geht es um die Anwendung des Akzessorietätsprinzips. Nach einer früheren Rechtsprechung kam nur eine im Verhältnis zum Lohn relativ untergeordnete Leistung als Gratifikation in Frage. Werden regelmässig Boni ausbezahlt, welche den Fixlohn übersteigen, konnte nach dieser Rechtsprechung nicht mehr von akzessorischen Nebenleistungen gesprochen werden.
Bereits in BGE 139 III 155 hatte das Bundesgericht das Akzessorietätsprinzip eingeschränkt, indem es feststellte, dass bei sehr hohen Einkommen die Höhe des Bonus im Verhältnis zum Lohn kein ausschlaggebendes Kriterium für die Qualifikation als Lohn oder Gratifikation sein könne. Nun hat das Bundesgericht die Grenze bestimmt, ab welcher von einem sehr hohen Einkommen gesprochen werden müsse und somit das Akzessorietätsprinzip nicht mehr gilt. Im beurteilten Fall sah ein neu eingeführtes Vergütungsreglement vor, dass ein bereits ausbezahlter Bonus unter bestimmten Umständen pro rata temporis zurückgefordert werden kann. In diesem Sinne forderte eine Bank 636 000 Franken von ihrem Arbeitnehmer zurück. Das Bundesgericht entschied, dass das Akzessorietätsprinzip ab einem Einkommen, welches das Fünffache des Medianeinkommens im Privatsektor über alle Branchen betrage (354 144 Franken im Jahr 2009), nicht mehr zur Anwendung komme. Weil die Gesamtvergütung, die der Arbeitnehmer erhalten hatte, diesen Wert überstieg, fand keine Umdeutung der Sondervergütung in Lohn statt, was zur Folge hatte, dass das Bundesgericht die Klage im Gegensatz zu den kantonalen Instanzen abwies. Interessant war in diesem Entscheid auch, dass das Bundesgericht den Bonus dem Jahr zuordnete, in welchem er dem Arbeitnehmer zugeflossen war, und zwar unabhängig davon, ob der Bonus als Belohnung für vergangene Leistungen oder als in die Zukunft gerichtete Mitarbeiterbindung gedacht ist.
Gemäss einem Urteil des Arbeitsgerichts Zürich darf ein Arbeitgeber den Bonus einer Arbeitnehmerin für die Zeit der ersten acht Wochen nach der Geburt, in denen das Beschäftigungsverbot gilt, nicht kürzen, weil dies eine Geschlechtsdiskriminierung darstellen würde. Hingegen ist eine solche Bonuskürzung für die 9. bis 16. Woche des Mutterschaftsurlaubs mit dem Gleichstellungsgesetz vereinbar.1
Ein Aufsatz von Christoph Senti zur Lohnfortzahlung bei variablen Löhnen findet sich in der AJP 5/2015.2
Bedenkenswert sind die Ausführungen von Wolfgang Portmann zum Thema «stillschweigende Zustimmung des Arbeitnehmers zur Lohnreduktion durch den Arbeitgeber» in der ARV 4/2015.3 Portmann bezeichnet die bundesgerichtliche Rechtsprechung als inkonsistent. Sie setze einen Fehlanreiz für Arbeitgeber, Lohnsenkungen faktisch einseitig zu vollziehen, anstatt eine wirkliche Vertragsänderung anzustreben oder den Weg einer Änderungskündigung zu beschreiten.
1.2 Lohnfortzahlung und Haftung des Arbeitgebers
Gemäss BGE 141 V 372 steht die richterliche Auflösung einer GmbH in ihren Rechtsfolgen einer Konkurseröffnung gleich und erfüllt daher den Insolvenztatbestand von Art. 51 Abs. 1 AVIG. Die betreffende GmbH hatte die Löhne nicht mehr bezahlt. Eine ordentliche Betreibung auf Konkurs konnte mangels rechtskonformer Bestellung der Organe nicht durchgeführt werden, weshalb eine Arbeitnehmerin gestützt auf Art. 731b OR das Handelsgericht anrief, welches die Gesellschaft auflöste und deren Liquidation nach den Vorschriften des Konkurses anordnete.
BGE 141 III 112 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Gesellschaft hatte die Versicherungsprämien der Krankentaggeldversicherung nicht bezahlt, weshalb sich die Versicherung weigerte, einem erkrankten Arbeitnehmer Taggelder zu bezahlen.4 Dieser Arbeitnehmer gelangte ans Gericht, welches ihm Schadenersatz für die ausgefallenen Taggelder zusprach. Die Gesellschaft fiel jedoch in Konkurs, der Arbeitnehmer erhielt bloss einen Verlustschein. Zwei Verwaltungsräte wurden unter anderem wegen Missbrauchs von Lohnabzügen strafrechtlich verurteilt. Das Zivilgericht – und mit ihm auch das Bundesgericht – verpflichteten die Verwaltungsräte, den Schaden des Arbeitnehmers aufgrund der nicht bezahlten Krankentaggelder persönlich zu decken. Die Voraussetzungen der Haftung nach Art. 754 OR seien erfüllt, weil die Verwaltungsräte ihre Sorgfaltspflichten verletzt hätten. Der Wille des Gesetzgebers sei es, den Versicherten gegen Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers, welche die Versicherungsleistungen gefährden könnten, zu schützen. Der Vertrag über die Kollektiv-Krankentaggeldversicherung könne mit einem echten Vertrag zugunsten Dritter verglichen werden. Unerheblich sei eine allfällige Abrede, wonach die Taggelder an den Arbeitgeber zu zahlen seien, denn eine solche betreffe nur die Modalitäten der Zahlung.
Das Bundesgericht befand, der Arbeitnehmer habe einen direkten Schaden aufgrund einer unerlaubten Handlung der Verwaltungsräte erlitten. Auch wenn die Gesellschaft selbst ebenfalls geschädigt sei, schade dies einer auf Art. 41 OR gestützten Klage nicht, weil die Gesellschaft zwischenzeitlich in Konkurs gefallen sei und keine Konkurrenz zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft und der Gesellschaftsgläubiger mehr bestehe.
1.3 Kündigungsrecht
Das Arbeitsgericht Zürich entschied im Fall eines Arztes, der zunächst unfallbedingt arbeitsunfähig war und sich dann aus psychischen Gründen arbeitsunfähig schreiben liess, dass selbst wenn von einem psychischen Leiden auszugehen wäre, dieses nur als arbeitsplatzbezogen qualifiziert werden könne.5 Von einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit spreche man, wenn der Arbeitnehmer nur in Bezug auf eine konkrete Stelle an der Arbeit verhindert sei, im Übrigen aber ganz normal einsatzfähig und auch in seiner privaten Lebensgestaltung kaum eingeschränkt sei. Mit Berufung auf Streiff / von Kaenel /Rudolph verneinte das Arbeitsgericht den Sperrfristenschutz von Art. 336c OR. Dieser bestehe nur, wenn aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen die Chancen des Arbeitnehmers gering seien, während der Kündigungsfrist eine neue Stelle zu finden. Die Umstände des Falles waren allerdings etwas speziell: Der Arzt war trotz des Arbeitsdispenses fähig, andernorts eine Operationsassistenz zu leisten, und erklärte sich selbst unmittelbar nach Ablauf der maximalen Sperrfrist, das heisst nach Wegfall der Arbeitspflicht für die Arbeitgeberin, wieder als arbeitsfähig.
Eine Arbeitgeberin forderte ihren nicht zur Arbeit erschienen Arbeitnehmer schriftlich auf, innert 24 Stunden ein Arztzeugnis einzureichen. Komme er dieser Aufforderung nicht nach, sei dieses Schreiben als fristlose Kündigung zu betrachten. Als der Arbeitnehmer das Schreiben erhielt, suchte er noch gleichentags einen Arzt auf, der ihm ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis ausstellte. Dieses liess er der Arbeitgeberin zukommen. Das Arbeitsgericht Zürich verneinte eine unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten erhebliche Pflichtverletzung.6 Es erwog aber zusätzlich, dass die erfolgte Kündigung auch aus rechtlichen und sachlogischen Gründen unzulässig sei. Kündigungen seien gerade deshalb bedingungsfeindlich, weil sich der Empfänger einer rechtsändernden Gestaltungserklärung darüber im Klaren sein müsse, ob die Rechtsänderung nun Platz greife oder nicht. Die Kündigung habe dem Erfordernis der Eindeutigkeit und Klarheit zu genügen. Eine Entlassung könne nicht von ungewissen zukünftigen Ereignissen abhängig gemacht werden.
Eine Ausnahme bestehe dann, wenn eine Bedingung von der Gegenseite allein erfüllt werden könne. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, weil die Verfügbarkeit des von der Arbeitgeberin geforderten Arztzeugnisses innert 24 Stunden nicht in der alleinigen Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers gelegen habe. Das Instrument der fristlosen Entlassung sei ausschliesslich für Fälle gedacht, in denen der Arbeitgeber sich gerade aufgrund vorliegender wichtiger Gründe zur Kündigung entschliesse. Werde die Entscheidung über das Vorliegen solcher Gründe von zukünftigen ungewissen Ereignissen oder vom weiteren Verhalten des Arbeitnehmers abhängig gemacht, sei dies widersprüchlich und verstosse gegen das Erfordernis der Eindeutigkeit und Klarheit. Zulässig sei demgegenüber die Androhung einer fristlosen Kündigung für den Fall, dass der Arbeitnehmer ohne Einreichung des Arztzeugnisses weiterhin von der Arbeit fernbleibt.
Das Bundesgericht beurteilte – im Gegensatz zur Genfer Vorinstanz – eine Kündigung in einem Fall als missbräuchlich, in dem eine Arbeitgeberin im Rahmen eines aus wirtschaftlichen Gründen erfolgten Personalabbaus in einem Unternehmensbereich von zwei gleich gut qualifizierten Arbeitnehmern demjenigen kündigte, der krankheitsbedingt arbeitsunfähig war (wobei diese Arbeitsunfähigkeit der Arbeitgeberin vorgeworfen wurde).7 Es sei kein anderer Grund als die Arbeitsunfähigkeit ersichtlich, weshalb die Kündigung ausgerechnet den Kläger traf und nicht seinen Kollegen. Dies ist doch bemerkenswert, weil der schlechte Geschäftsgang und damit der Kündigungsgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten erwiesen war, das Bundesgericht jedoch die Freiheit der Arbeitgeberin bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers beträchtlich einschränkte.
Nach zunächst guten Qualifikationen und einer Beförderung fiel die Mitarbeiterbeurteilung eines Arbeitnehmers plötzlich viel schlechter aus. Es wurden Massnahmen festgelegt und ein Zeitrahmen für deren Umsetzung bestimmt. Noch vor Ablauf dieser Bewährungsfrist sprach die Arbeitgeberin eine ordentliche Kündigung aus, was vom Arbeitsgericht Zürich als missbräuchlich eingestuft wurde.8 Es befand, dem Arbeitnehmer sei mit der Zielsetzung in der Mitarbeiterbeurteilung eine Chance zur Verbesserung und zur Erreichung der Ziele innert der gesetzten Frist eingeräumt worden. Aus der Stellungnahme des Klägers zur Mitarbeiterbeurteilung könne nicht der Schluss gezogen werden, das Abwarten der Frist sei nicht mehr sinnvoll, denn es sei das Recht jedes Mitarbeiters, mit einer Mitarbeiterbeurteilung nicht einverstanden zu sein, zumal die Stellungnahme sachlich erscheine. Das Verhalten der Arbeitgeberin widerspreche krass Treu und Glauben.
Ein Arbeitnehmer wurde fristlos entlassen, nachdem er einem Restaurationsbetrieb Geschirr zerschlagen und die Ehefrau des Geschäftsführers gestossen hatte, sodass diese zu Boden gefallen und sich oberflächliche Schrammen zugezogen hatte. Das vom Arbeitnehmer angerufene Gericht stellte fest, dass der Geschäftsführer zuvor gegenüber dem Arbeitnehmer regelmässig und auch vor Kunden ein unnötig aggressives, abwertendes und sogar beleidigendes Verhalten an den Tag gelegt habe. Damit habe er der Persönlichkeit des Arbeitnehmers schweren Schaden zugefügt. Der Arbeitnehmer sei beim Erhalt eines Schreibens, das ihm den Bezug von Ferien zu einem gewünschten Zeitpunkt verbot, von einer Angst- und Panikattacke heimgesucht worden.
Das Bundesgericht befand, ein Akt der Aggression könne je nach den konkreten Umständen eine fristlose Kündigung rechtfertigen.9 Es rief eine Reihe von Präjudizien in Erinnerung und kam zum Schluss, dass die fristlose Kündigung im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt gewesen war. Es erwog, dass auch ein nicht vertrags- oder rechtskonformes Verhalten des Arbeitgebers in die Betrachtung einbezogen werden müsse, wenn es in einem Kausalzusammenhang zum Grund für die fristlose Kündigung stehe. Es sei ein Unterschied, ob die Verfehlung in einem Zustand der Verärgerung und mit einem entsprechenden Kontrollverlust begangen wurde oder ob sie mit dem Vorsatz ausgeführt wurde, dem Arbeitgeber zu schaden. Zu beachten sei auch das Risiko eines Rückfalls des Angestellten. Der Kontrollverlust des Arbeitnehmers sei zwar von der Verweigerung des Arbeitgebers, die Ferien zu gewähren, veranlasst gewesen, habe seine ursprüngliche Ursache jedoch im schlechten Gesundheitszustand des Arbeitnehmers gehabt. Dieser wiederum sei ausschliesslich durch das Mobbing verursacht worden, das der Arbeitnehmer während fast eines Jahres erduldet hatte. Dafür sprach ihm die Vorinstanz sogar eine Genugtuung zu. Der Arbeitgeber könne sich zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung keinesfalls auf die Folgen seiner eigenen Vertragsverletzung berufen.
Anders als die Vorinstanz hat das Bundesgericht eine gegenüber einem Kadermann einer Genfer Bank ausgesprochene fristlose Kündigung geschützt. Der Bankangestellte wurde später wegen Geldwäscherei zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Bank hatte die fristlose Entlassung 35 Tage nach seiner Verhaftung ausgesprochen. Das Bundesgericht stellte in seinem Entscheid fest, dass die Bank im Falle einer Entlassung unmittelbar nach der Verhaftung ein grosses Risiko eingegangen wäre. Denn wäre der Verdacht nicht erhärtet worden, wäre die fristlose Kündigung rechtswidrig gewesen. Auch sei die rufschädigende Wirkung einer solchen Kündigung für den Arbeitnehmer zu bedenken. Im Gegensatz zum Genfer Gericht ging das Bundesgericht davon aus, dass die Bank die Verlängerung der Untersuchungshaft als Indiz für ein unrechtmässiges Verhalten des Angestellten werten durfte. Unter diesen Umständen könne der Bank das Zuwarten nicht vorgeworfen werden.
1.4 Konkurrenzverbot
Einem Arbeitnehmer wurde vorgeworfen, während noch laufendem Arbeitsvertrag durch ein konkurrenzierendes Verhalten gegen die Treuepflicht verstossen zu haben. Das Arbeitsgericht Zürich stellte fest, dass strikt unterschieden werden müsse zwischen konkurrenzierenden Handlungen – oder deren Versuch – vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wo eine Verletzung der Treuepflicht in Frage stehe, und konkurrenzierenden Handlungen danach, wo es um das nachvertragliche Konkurrenzverbot gehe.10 Der relativ zwingende Charakter von Art. 321e OR schliesse die Vereinbarung von Konventionalstrafen aus, soweit diesen Schadenersatzfunktion und nicht nur Vorteilsausgleichs- oder Straf- beziehungsweise Disziplinarfunktion zukomme. Denn für die Haftung nach Art. 321e OR sei der Beweis eines vom Arbeitgeber erlittenen Schadens erforderlich, was bei der Konventionalstrafe gerade nicht der Fall sei. Die Vereinbarung einer Konventionalstrafe für Handlungen während des Arbeitsverhältnisses sei ungültig, wenn sie – zumindest teilweise – Ersatzcharakter aufweise.
1.5 Prozessuales
In BGE 141 III 137 befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, welches der Streitwert einer Feststellungsklage betreffend die Gültigkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist. Das Bundesgericht stützte die Erwägungen der Vorinstanz, welche davon ausging, dass die Klage die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit bezwecke, womit auch der Lohn von 5830 Franken auf unbestimmte Zeit geschuldet sei. Damit sei jedenfalls der Streitwert von 30 000 Franken für das unentgeltliche Verfahren überschritten, ohne dass abschliessend geprüft werden müsse, ob gemäss Art. 92 ZPO der zwanzigfache Kapitalwert der jährlichen Lohnsumme für die Bestimmung des Streitwerts des Festellungsbegehrens massgebend sei.
Die eindeutige Konsequenz dieses Urteils ist, dass man sich vor derartigen Feststellungsklagen hüten sollte. Das unabsehbare Kostenrisiko kann vermieden werden, wenn zugewartet wird, bis die erste fällige Lohnzahlung ausbleibt.
Gemäss einem Zürcher Obergerichtsurteil sind Klagen von Arbeitnehmern auf Nichtbekanntgabe von Daten an Dritte nicht vermögensrechtlicher Natur.11 Der Entscheid wurde in einem Verfahren einer Angestellten gegen eine Bank gefällt, in welchem ein Verbot der Herausgabe von Daten an die USA angestrebt wurde. Weil somit das ordentliche Verfahren anwendbar war, war das Arbeitsgericht zu Recht nicht auf die im vereinfachten Verfahren eingereichte Klage eingetreten. Das Obergericht erwog, dass Klagen aus Persönlichkeitsansprüchen gemäss Datenschutzgesetz im Gegensatz zu Zeugnisklagen keinen unmittelbaren vermögensrechtlichen Charakter hätten. Der Nachteil bei Stellenbewerbungen trete sofort ein, während die Datenlieferung in die USA keine direkte vermögensrechtliche Auswirkung habe. Es bestünden keine konkreten Anzeichen, dass die Datenlieferung in die USA in eine Anklage gegen die Klägerin münden könnte. Die Folge: Derartige Verfahren sind kostenpflichtig.12
Das Arbeitsgericht Zürich hatte eine Klage abgewiesen, weil es zum Schluss gekommen war, es handle sich nicht um eine auf Arbeitsvertrag, sondern auf Auftrag gestützte Forderung. Das Obergericht des Kantons Zürich hob dieses Abweisungsurteil auf.13 Es erwog, dass die Tatsachenbehauptungen des Klägers klarerweise auf einen Arbeitsvertrag hingewiesen hätten und dass die Gegendarstellung des Beklagten diese Behauptungen nicht als inkohärent oder fadenscheinig erscheinen liessen. Im Sinne des Grundsatzes der Massgeblichkeit doppelrelevanter Tatsachen sei zur Klärung der Zuständigkeit einstweilen von der Sachdarstellung des Klägers auszugehen. Deshalb sei das Arbeitsgericht zuständig und habe die Klage ungeachtet der endgültigen Qualifikation des Vertrages zu beurteilen. Die Klage unter Hinweis auf die kantonale Zuständigkeitsordnung nur unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu behandeln, verletze die Rechtsweggarantie von Art. 29a BV. Dies sei auch wegen der materiellen Rechtskraft eines Abweisungsurteils unzulässig.
1.6 GAV, Entsendegesetz und Gesetzgebung
In BGE 141 III 418 hatte das Bundesgericht die Frage zu entscheiden, ob einem Mitglied einer minoritären Pöstlergewerkschaft zu Recht Solidaritätsbeiträge vom Lohn abgezogen wurden. Die betreffende Gewerkschaft war von der Post nicht als Partner in den GAV-Vertragsverhandlungen akzeptiert worden, wogegen sich die Gewerkschaft rechtlich zur Wehr setzte. Das Bundesgericht konnte die Frage nicht beurteilen, weil die Tariffähigkeit der Gewerkschaft noch nicht abschliessend gerichtlich geklärt war. Es hielt aber fest, dass der Solidaritätsbeitrag nicht erhoben werden dürfe, falls der Gewerkschaft die Tariffähigkeit zugesprochen, sie aber dennoch nicht als GAV-Vertragspartner akzeptiert wird. Dies würde nämlich de facto einen Zwang bedeuten, sich einer andern, vom Arbeitgeber anerkannten Gewerkschaft anzuschliessen.
Das Bundesgericht schützte in BGE 140 III 447 ein Verbot, während einer Dauer von zweieinhalb Jahren Dienstleistungen durch entsandte Mitarbeiter in der Schweiz anzubieten, welches die Tessiner Behörden einem italienischen Unternehmen auferlegt hatten. 14 Das Unternehmen hatte Vorschriften über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz missachtet. Das Bundesgericht verneinte eine Verletzung des Freizügigkeitsabkommens. Die Arbeitssicherheit als ein im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben öffentliches Interesse vermöge eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen, wobei aber die Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gewahrt werden müssten.
Auf den 1. Januar 2016 wurden die revidierten Art. 73a und 73b der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz in Kraft gesetzt. Grundsätzlich ist weiterhin eine lückenlose Erfassung der geleisteten Arbeitszeit notwendig. Neu ist es möglich, bei Arbeitnehmenden, die in ihrer Arbeit über eine grosse Gestaltungs- und Zeitautonomie verfügen und mehr als 120 000 Franken brutto verdienen, von der Erfassung der Arbeitszeit abzusehen. Voraussetzung ist, dass ein Gesamtarbeitsvertrag dies so vorsieht und dass der Arbeitnehmer schriftlich zustimmt.
Bei Angestellten mit namhafter Zeitautonomie kann eine stark vereinfachte Arbeitszeiterfassung eingeführt werden, in der nur die Gesamtdauer der täglichen Arbeitszeit dokumentiert werden muss. Hier ist ein GAV nicht vorausgesetzt, jedoch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung bzw. mit der Mehrheit der Arbeitnehmenden. Bei Betrieben mit weniger als 50 Angestellten genügt auch eine individuelle Vereinbarung. Die Vereinbarung muss ein paritätisches Verfahren vorsehen, mit dem die Einhaltung der Vereinbarung überprüft wird.
2. Mietrecht
2.1 Verfahrensfragen
Im Berichtsjahr hat das Bundesgericht fünf Leitentscheide zu Verfahrensfragen gefällt:
2.1.1 Nur vom Verband vorgeschlagene Schlichter
Das Bezirksgericht Meilen setzte sich über die Wahlvorschläge des Mieterverbandes für die paritätische Vertretung in der Schlichtungsbehörde hinweg und wählte für die Amtsdauer 2014 bis 2020 eine bisherige, vom Verband nicht mehr vorgeschlagene Schlichterin. Das Obergericht schützte dieses Vorgehen.
Gemäss Bundesgericht ist das nicht vereinbar mit der in der ZPO vorgeschriebenen paritätischen Zusammensetzung der Schlichtungsbehörde (Art. 200 Abs. 1 ZPO).15 Die blosse Mitgliedschaft im zuständigen Interessenverband gewährleistet die gewünschte Parität noch nicht, die Schlichter müssten auch das Vertrauen des Verbands geniessen. Wählbar sind sie daher nur, wenn sie vom Verband vorgeschlagen werden.
2.1.2 Persönliches Erscheinen zur Schlichtung
Erscheint die klagende Partei nicht zur Schlichtungsverhandlung, gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen (Art. 206 Abs. 1 ZPO). Die Möglichkeit zur Anfechtung von Mietzinserhöhungen oder Kündigungen ist damit verwirkt, ebenso eine Klage auf Erstreckung. Fragen rund um die Vertretung einer juristischen Person sind daher von einer gewissen Tragweite.
Nach einem neuen Entscheid des Bundesgerichts kann sich die juristische Person vor Schlichtungsbehörde durch ein formelles Organ oder durch eine mit Handlungs- und Prozessvollmacht ausgestattete Person vertreten lassen.16 Die Vertretung durch ein faktisches Organ ist aber nicht möglich. Oft geben nur komplexe Abklärungen die Gewissheit, ob die erschienene Person die Voraussetzungen eines faktischen Organs erfüllt. Das ist im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens nicht zumutbar. Die Pächterin eines Reitzentrums, eine AG, scheiterte an diesen Grundregeln. Sie liess sich an der Schlichtungsverhandlung von der Mutter des einzigen Verwaltungsrats vertreten und konnte nachweisen, dass die Mutter als Geschäftsführerin für die AG Entscheide traf, die sonst den formellen Organen vorbehalten sind. Ein faktisches Organ kann aber die AG nicht gültig vertreten. Weiter legte sie eine Handlungsvollmacht im Sinne von Art. 462 OR vor. Dennoch lag keine rechtsgültige Vertretung vor, denn dazu fehlte eine ergänzende Vollmacht für die Prozessführung.
2.1.3 Ordnungsbusse
Anders erging es den Vermietern und Beklagten, welche in Basel-Stadt der Schlichtungsverhandlung fernblieben. Die Schlichtungsbehörde ahndete dieses Verhalten gestützt auf Art. 128 ZPO mit je einer Busse von 200 Franken. Grundsätzlich ist diese disziplinarische Massnahme auch nach Auffassung des Bundesgerichts möglich.17 Doch sie setzt voraus, dass das Nichterscheinen eine Störung des Geschäftsganges bewirkt (Art. 128 Abs. 1 ZPO) oder einer bös- bzw. mutwilligen Prozessführung (Art. 128 Abs. 3 ZPO) entspringt. Zudem müssen disziplinarische Massnahmen vor ihrer Anordnung – soweit möglich und zweckmässig – angedroht werden, um die Verhältnismässigkeit, Treu und Glauben sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren.
2.1.4 Wohnungsmiete: Keine privaten Schiedsgutachter
Manche Mietverträge sehen für Streitigkeiten den Hauseigentümerverband oder einen anderen Fachverband als Schiedsgericht oder auch nur als Schiedsgutachter vor. Solche Klauseln sind in Wohnungsmietverträgen ungültig, denn hier kann aufgrund von Art. 261 Abs. 4 ZPO nur die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht walten. Deshalb ist es nach Bundesgericht auch nicht zulässig, die Beantwortung bestimmter Streitfragen einem privaten Schiedsgutachter zu überlassen.18 Im konkreten Fall beschied das Bundesgericht dem Obergericht Zürich, dass es sich zu Unrecht an das Schätzungsgutachten des Hauseigentümerverbandes gebunden fühlte, und wies den Fall zur Neubeurteilung zurück.
2.1.5 Ausweisung im Kündigungsschutzverfahren
Die Ausweisung im summarischen Verfahren (Art. 257 ZPO) ist auch während eines hängigen Kündigungsschutzverfahrens zulässig. Weil aber dem rechtsuchenden Mieter ein Verfahren mit sozialer Untersuchungsmaxime zusteht, ist Eintreten auf das Ausweisungsbegehren nur möglich, wenn keine Zweifel an der Vollständigkeit des Sachverhalts bestehen.19 Das dürfte nur bei trölerischen Begehren um Kündigungsschutz der Fall sein.
2.2 Kündigungsschutz
2.2.1 Missbräuchliche Kündigungen – Einfallstore
In den letzten Jahren schützte das Bundesgericht verschiedene neue Fallkategorien von Kündigungen, so die «Sanierungskündigung» und die Kündigung wegen «ewiger Untermiete».20 Damit wurden aber auch neue Einfallstore für missbräuchliche Kündigungen geöffnet. Im Berichtsjahr war das Bundesgericht damit beschäftigt, diese Einfallstore zu verriegeln.
2.2.1.1 Voraussetzungen
bei Sanierungskündigungen sind streng
Eine Kündigung wegen Sanierung wird geschützt, wenn ein Verbleib des Mieters im Mietobjekt zusätzliche Kosten auslöst oder zur Verzögerung der Bauarbeiten führt. Die Anrufung des Zauberwortes «Sanierung» genügt jedoch nicht, um eine Kündigung in jedem Fall durchzusetzen. Der Vermieter schuldet konkrete Angaben zu den geplanten Arbeiten, denn nur so kann der Mieter abschätzen, ob eine Leerräumung nötig ist, damit die Arbeiten weder verzögert noch verteuert werden. Das bedingt eine bereits fortgeschrittene Planung im Zeitpunkt der Kündigung.21 Diese Grundsätze wurden seitdem in verschiedenen Entscheiden wiederholt.
Etliche Kündigungen scheiterten an diesen Voraussetzungen, so auch der im Berichtsjahr entschiedene Fall eines Vermieters, dem zur Begründung seiner Sanierungskündigung nur entlockt werden konnte, dass die Wohnung seit 1979 durchgehend vermietet sei und sich daraus ein grosser Sanierungsbedarf ergebe.22
Der Verdacht liegt nahe, dass die Kündigung wohl eher der Ertragsoptimierung dient. Zwar schützt das Bundesgericht auch diese Art der Kündigung. Vorausgesetzt wird allerdings, dass der Vermieter den strikten Beweis einer unzureichenden Rendite (gegebenenfalls eines Nachholbedarfs auf das ortübliche Niveau) erbringen kann. Die Sanierungskündigung erspart diesen Beweis, kann aber folgerichtig nur angerufen werden, wenn sich die Notwendigkeit der Leerkündigung aus den anstehenden Arbeiten ergibt.
Mit gutem Grund betont das Bundesgericht daher in einem neuen Leitentscheid, dass die Voraussetzungen zur Sanierungskündigung nicht gelockert werden können.23 Es prüfte die Kündigung einer Vermieterin, welche eine Liegenschaft in der Thuner Innenstadt erworben hatte und die Nutzungsmöglichkeiten der Liegenschaft mit einem Architekturwettbewerb ausloten wollte. Nach Einleitung dieses Wettbewerbs kündigte sie dem Mieter des Ladenlokals auf Ablauf der festen Vertragsdauer. Sie zeigte die Kündigung drei Jahre im Voraus an, obwohl nach Vertrag eine zweijährige Kündigungsfrist genügte. Nach Auffassung der kantonalen Instanz sprach schon der Architekturwettbewerb für ein grösseres Umbauprojekt. Dem konnte das Bundesgericht nicht folgen. Ein Wettbewerb lässt offen, welche Arbeiten am Schluss ausgeführt werden, und kann daher nicht mit einem konkreten und ausgereiften Projekt gleichgesetzt werden. Kein Verständnis hatte das Bundesgericht zudem für das Argument, dass bezüglich der Projektreife zu differenzieren sei. Von einem Projekt, das erst in drei Jahren zur Ausführung komme, könne nicht der gleiche Konkretisierungsgrad erwartet werden wie von einem Projekt mit Baubeginn in wenigen Monaten. In jedem Fall – so das Bundesgericht – müssen die Arbeiten so konkret feststehen, dass abgeschätzt werden kann, ob sie eine Kündigung rechtfertigen. Die Kündigung wurde daher aufgehoben.
2.2.1.2 Teilweise Untervermietung auf Dauer zulässig
Früher erlaubte das Bundesgericht eine auf Dauer angelegte Untervermietung. Dann allerdings wurde es durch eine in Genf verbreitete Praxis aufgeschreckt. Das Instrument der Untermiete wurde hier grossflächig eingesetzt, um die stetige Verteuerung der Wohnungen bei Mieterwechsel zu unterbinden, und auch, um bezahlbaren Wohnraum im Bekanntenkreis weiterzugeben.
Spätestens seit 2012 gilt, dass die auf Dauer angelegte Untervermietung einer Verletzung des Gebrauchszwecks gleichkommt. Mit dieser Art von Untermiete werde dem Vermieter das Recht entzogen, den Nachfolgemieter selbst zu bestimmen. Dagegen darf sich der Vermieter mit einer Kündigung wehren. Diese Kündigung kann gar fristlos erfolgen, falls der Mieter die Bedingungen der Untermiete trotz Nachfrage nicht offenlegt oder eine berechtigte Verweigerung der Zustimmung zur Untermiete missachtet. Weil sich seitdem in manchen Köpfen Schlagworte zu dieser Rechtsprechung eingenistet haben, die bei sorgfältiger Lektüre der Entscheide nicht haltbar sind, fasst das Bundesgericht seine Rechtsprechung nochmals zusammen.
Eine teilweise Untervermietung ist auch auf Dauer zulässig, solange der Mieter den restlichen Teil des Mietobjekts weiterhin nutzt.24 Zu entscheiden war der Fall einer Genfer Mieterin, die nach Kündigung ihrer Stelle eine neue Arbeit in Zürich antrat und hier in einer kleinen Mietwohnung lebte. Sie vermietete eines der viereinhalb Zimmer ihrer Genfer Wohnung an einen Untermieter, kehrte aber weiterhin für zwei Wochenenden im Monat in diese Wohnung zurück. Im Januar 2009 ersuchte sie die Vermieterin schriftlich um Zustimmung zur Untermiete und legte den Untermietvertrag bei, der auf elf Monate abgeschlossen war, jedoch eine Verlängerungsmöglichkeit vorsah. Dazu erklärte sie in einem Begleitbrief ihre Situation und betonte, dass sie weiterhin eine Stelle in Genf suche und in diese Stadt zurückkehren wolle.
Der Vermieter reagierte nicht auf dieses Gesuch, warf der Mieterin aber im Juli 2011 vor, dass sie noch immer ein Zimmer ohne schriftliche Zustimmung vermiete, und setzte ihr eine Frist, um das Untermietverhältnis zu beenden. Weil die Mieterin sich dagegen wehrte, traf die Kündigung ein. Das gab dem Bundesgericht zudem Gelegenheit zur Präzisierung, dass das Gesetz keine besondere Form für die Zustimmung vorschreibt. Sie kann – solange der Vertrag nichts anderes vorsieht – auch mündlich oder konkludent erfolgen. Dabei gilt das Schweigen des Vermieters auf ein Gesuch als konkludente Zustimmung. Für die Westschweiz ist der Entscheid von besonderer Bedeutung, weil ihr Rahmenmietvertrag für die Zustimmung die Schriftform vorschreibt. Damit kann dort Stillschweigen keine formgültige Zustimmung sein. Doch weil das Bundesgericht nach Prüfung der konkreten Umstände von einer bereits erteilten Zustimmung ausging, wenn auch in konkludenter Form, erachtete es die Berufung des Vermieters auf den Formmangel für rechtsmissbräuchlich und bestätigte die Aufhebung der Kündigung durch das kantonale Gericht.
2.2.2 Kündigungsschutz nach Heimfall einer Baute im Baurecht
Bei Veräusserung der Mietsache oder bei der Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts, das dem gleichkommt, geht der Mietvertrag von Gesetzes wegen auf den Erwerber über (Art. 261 OR, Art. 261a OR). Ob diese Bestimmung analog zur Anwendung kommt, wenn die Vermietung aufgrund eines eingeräumten selbständigen und dauerhaften Baurechts erfolgte und dieses Baurecht erlischt, war eine Frage, die sich dem Bundesgericht erstmals stellte.25 Der Eigentümer des Grundstücks teilte der Mieterin eines Ladenlokals am 8. April 2013 den Heimfall der im Baurecht errichteten Liegenschaft per 30. April 2013 mit. Damit falle der Mietvertrag ohne weiteres dahin. Zudem zeigte die Vermieterin kurz vor Erlöschen des Baurechts die Kündigung des Mietverhältnisses auf den nächstmöglichen Termin an. Die Mieterin focht die Kündigung an, klagte die Eigentümerin ein und verkündete der bisherigen Vermieterin den Streit.
Ob ein Kündigungsschutz möglich ist bzw. ob mit dem Heimfall der Baute auch das Mietverhältnis auf die Eigentümerin des Grundstücks übergeht, beantwortete das Bundesgericht differenziert. Eine analoge Anwendung – so zitiert das Bundesgericht – ist die teleologisch motivierte Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Rechtsnorm jenseits der äusseren Wortlautgrenze. Es ging daher vom Zweckgedanken der Schutznormen von Art. 261 OR und 261a OR aus.
Eine Veräusserung des Mietobjekts oder die Einräumung eines beschränkt dinglichen Rechts mit ähnlicher Wirkung ist für den Mieter in aller Regel nicht vorhersehbar. Es sind Rechtsgeschäfte, die sich über seinen Kopf hinweg abwickeln und nach denen er sich nicht richten kann. Ein beschränktes und dauerhaftes Baurecht ist dagegen im Grundbuch eingetragen. Der Mieter kann die Dauer dieses Baurechts in Erfahrung bringen. Das Bundesgericht setzt zwar nicht voraus, dass er sich ohne bestimmten Anlass Einsicht in das Grundbuch verschafft. Doch im vorliegenden Fall liess der Mieter Jahre zuvor seinen Mietvertrag im Grundbuch vormerken. Diese Vormerkung erfolgte auf dem Baurecht. Nach Bundesgericht war der Heimfall für den betroffenen Mieter daher nicht unvorhersehbar. Das gab den Ausschlag, dass ein gesetzlicher Eintritt des Eigentümers in das Mietverhältnis verneint wurde.
2.3 Mietzins
2.3.1 Auslegung von Kosten- und Vergleichsmiete streng
In letzter Zeit legte das Bundesgericht wegweisende Entscheide zu Nettorendite und Ortsüblichkeit vor. Offenbar färbt die Zinslandschaft ab und veranlasst Investoren, sich vermehrt auf die absoluten Mietzinsgestaltungsgründe zu besinnen und zu berufen. Verschiedene Versuche scheiterten, das Bundesgericht zu einer Lockerung der streng gehandhabten Kostenwahrheit der Nettorendite oder zu Beweiserleichterungen für die Ortsüblichkeit zu bewegen.
2.3.1.1 Strikter Beweis der Ortsüblichkeit
Ein Vermieter in Morges wehrte sich mit der Einrede der mangelnden Ortsüblichkeit gegen eine Mietzinsherabsetzung zur Weitergabe der Senkungen des Referenzzinssatzes. Er hatte die Liegenschaft erst im März 2001 erworben. Daher wäre ihm auch die Einrede der unzureichenden Nettorendite offen gestanden. Dennoch versteifte er sich auf das mangelnde ortsübliche Niveau, legte dazu eine private Mietzinsstatistik vor, argumentierte mit dem Gesamteindruck der Vergleichsbeispiele und rügte, dass der Richter trotz sozialer Untersuchungsmaxime an der Beschaffung der Beweismittel nicht mitgewirkt habe.
All das veranlasste das Bundesgericht, in einem neuen Leitentscheid zu betonen, dass die Anforderungen an den Beweis des orts- oder quartierüblichen Mietzinsniveaus keineswegs gelockert werden können.26 Verlangt wird der strikte Beweis mit dem Beweisgrad der Gewissheit. Als Beweismittel stehen zwei Methoden zur Verfügung: Der Beweis anhand einer amtlichen Statistik oder die Vorlage von mindestens fünf Vergleichswohnungen.
In beiden Fällen können nur Mietzinse für Objekte verglichen werden, die im Wesentlichen hinsichtlich Lage, Grösse, Ausstattung und Bauperiode vergleichbar sind (Art. 11 Abs. 1 VMWG). Amtliche Statistiken mit entsprechend detailliert aufgeschlüsseltem Zahlenmaterial existieren allerdings bis heute nirgends. Private Statistiken können zur Definition eines gesetzlich verankerten Gestaltungsgrundes für den Mietzins nicht beigezogen werden. Daher kommt in der Praxis nur der Beweis durch Vorlage von Vergleichswohnungen in Frage. Da dieser Beweis mit nur fünf Beispielen erbracht werden kann, müssen an die Vergleichskriterien strenge Massstäbe angelegt werden. Zudem ist bis zu einem gewissen Grad ein schematisches Vorgehen erforderlich. Der Richter muss die Vergleichswohnungen auf ihre gemeinsamen Merkmale hin prüfen. Er darf unterschiedliche Kriterien nicht gewichten.
Es ist dem Richter zum Beispiel verwehrt, eine kleinere Fläche mit einer ruhigeren Lage zu kompensieren. Es liegt daher keine Vergleichbarkeit vor, wenn zum Beispiel die strittige Wohnung grösser ist und einen tieferen Mietzins aufweist als das Vergleichsobjekt, denn bezüglich Grösse können nur Kleinwohnungen mit gleicher Zimmerzahl verglichen werden oder grössere Wohnungen mit einer Fläche, die nicht mehr als 20 Prozent abweicht.
Die soziale Untersuchungsmaxime verpflichtet den Richter keineswegs, selbst Beweise zu suchen. Er muss im Wesentlichen nur seiner Fragepflicht nachkommen. Kurz: Das Bundesgericht bestätigt damit Anforderungen an die Vergleichbarkeit, die so streng sind, dass der Beweis der Ortsüblichkeit nur in Ausnahmefällen gelingt. Das mag die beweisbelastete Partei ärgern. Doch hat das Gericht gute Argumente auf seiner Seite. Das ortsübliche Niveau ist ein Begriff des materiellen Rechts. Es sollte von allen Gerichten gleich ausgelegt werden. Nur strenge Vergleichskriterien und ein schematischer Vergleich gewährleisten eine abschätzbare und einheitliche Rechtsanwendung. Erst nach erfolgtem schematischem Vergleich kann der Richter sich einen Gesamteindruck verschaffen und die Vor- und Nachteile der strittigen Wohnung in einem weiteren Schritt abwägen. Es entsteht der Eindruck, das Bundesgericht schicke den Ball den Politikern zurück. Diese führen einen gesetzlichen Begriff ein, den sie mit strengen Vergleichskriterien definieren, ohne sich darum zu kümmern, ob diese Regeln in der Praxis umgesetzt werden können und ohne beispielsweise dafür zu sorgen, dass hinreichend detaillierte amtliche Mietzinsstatistiken zur Verfügung stehen. Klar ist jedenfalls: Das Bundesgericht betrachtet es nicht als seine Aufgabe, die so entstandene Lücke in der Rechtsanwendung zu füllen.
2.3.1.2 Grundsätze zur Nettorenditeberechnung
Während längerer Zeit schien die Rechtsprechung zur Nettorendite ein festgemauertes Gebäude zu sein. In den beiden letzten Bänden finden sich nun aber neue Leitentscheide.
2.3.1.2.1 Anwendungsbereich
In einem ersten Entscheid nahm das Bundesgericht all jenen Schlaumeiern den Wind aus den Segeln, welche französisch abgefasste Entscheide wortklauberisch auslegen. Die Nettorendite geht der Ortsüblichkeit vor, solange die Liegenschaft noch nicht «mehrere Jahrzehnte» im Eigentum steht («meubles construits ou acquis il y a quelques décennies»). Das ist bei einer vor 26 oder 27 Jahren vom Eigentümer erbauten Liegenschaft noch nicht erfüllt.27 Hier hat die Nettorendite noch immer den Vorrang und sticht die Ortsüblichkeit aus.
2.3.1.2.2 Ausserordentlicher Unterhalt bei umfassender Sanierung
Im gleichen Entscheid präzisierte das Bundesgericht, dass der ausserordentliche Unterhalt bei einer umfassenden Renovation in der Nettorendite erscheinen darf, und zwar in den Liegenschaftskosten. Allerdings muss der Vermieter beweisen, dass es sich nicht bloss um Unterhalt, sondern um ausserordentlichen Unterhalt handelt, der nur in grösseren Zeitabständen anfällt. Die Kosten müssen weiter auf die Amortisationsdauer verlegt werden und dürfen wegen der Amortisation nur im halben Betrag wie Eigenkapital verzinst werden (0,5 Prozent über dem Satz des Referenzzinses für Hypotheken). Bis dahin war oft die unsinnige und unsachliche Meinung anzutreffen, dass der Zinssatz stets 5 Prozent betrage, weil er in dieser Höhe in einem älteren Urteil vorkam.
Nun deutschte das Bundesgericht diese Grundsätze weiter aus.28 Kauft ein Vermieter eine Liegenschaft und unterzieht er sie noch vor der Vermietung einer umfassenden Renovation, können die Renovationskosten nicht zum Kaufpreis und damit zu den Anlagekosten gezählt werden. Es handelt sich auch in diesem Fall um Renovationskosten, die in den Liegenschaftsaufwand gehören, soweit es sich um ausserordentlichen Unterhalt handelt. Das hat seinen Grund. Anlagekosten bleiben ohne Abstriche bestehen, während die Kosten für ausserordentlichen Unterhalt nach Ablauf der Amortisationsdauer aus der Nettorenditeberechnung verschwinden. Ob damit Klarheit geschaffen wurde?
Schon wieder erscheint in einem Kommentar von Hans Bättig zu diesem Entscheid die Behauptung, dass die Unterscheidung von ordentlichem und ausserordentlichem Unterhalt nicht relevant sei, da Unterhaltskosten stets in der Nettorenditeberechnung erscheinen.29 Allerdings betont das Bundesgericht, dass nur der ausserordentliche Unterhalt auf die Lebensdauer verlegt werden könne, nicht dagegen der in der umfassenden Sanierung enthaltene ordentliche Unterhalt. Damit ist auch klar, dass der ordentliche Unterhaltsanteil einer umfassenden Sanierung nicht in der Nettorenditerechnung erscheint. Mit der vermieterfreundlichen Vermutung, dass 50 bis 70 Prozent der Sanierungskosten wertvermehrend sind (Art. 14 Abs. 1 VMWG) und der eingeräumten Möglichkeit, den ausserordentlichen Unterhalt in der Nettorenditeberechnung zu berücksichtigen, wird dem Vermieter trotzdem eine weitgehende Überwälzung der Sanierungskosten auf den Mietzins zugestanden. Eine Verringerung der Anlagekosten infolge der Altersentwertung des Gebäudes kennt die mietrechtliche Nettorendite nicht. Der stetige ordentliche Unterhalt ist mit andern Worten in den unverminderten Anlagekosten enthalten und sollte daher dem Grundsatz nach weiterhin mietzinsneutral geleistet werden.
2.3.1.2.3 Zeitpunkt der Renditeberechnung
Einig ist man sich dagegen, dass der vom Bundesgericht präzisierte Zeitpunkt der Nettorenditeberechnung zu begrüssen ist. Die Nettorendite sollte auf einer möglichst aktuellen Basis berechnet werden. Wird sie einem Herabsetzungsbegehren als Einrede gegenübergestellt, ist der letzte Tag massgebend, an dem der Mieter sein Begehren um Herabsetzung der Post übergeben muss, damit es den Vermieter noch rechtzeitig erreicht. Abgelöst wird damit eine Praxis, welche auf das tatsächliche Datum des Herabsetzungsbegehrens abstellte. Bei volatilen Zinsen, die sich nach einem frühzeitig gestellten Herabsetzungsbegehren erneut ändern, kann diese Präzisierung spürbare Auswirkungen haben.
2.3.1.2.4 Strenge Kostenwahrheit
Zum strengen Kostenprinzip präzisierte das Bundesgericht, dass die Nettorendite bei einem Liegenschaftenpark mit unterschiedlichen Liegenschaften nicht als Gesamtrechnung angestellt werden könne. Der Vermieter muss die Belege zum Eigenkapital sowie die Unterhalts- und die Betriebskosten den einzelnen Liegenschaften zuordnen können.30
2.4 Datenschutz im Mietrecht
In welchem Umfang ist eine Videoüberwachung der Liegenschaft zulässig? Das Bundesgericht hatte sich mit dem Fall einer Liegenschaft im Baselbiet mit 24 Wohnungen zu befassen, die drei Gebäudeteile mit verschiedenen Hausnummern und Eingängen umfasste.31 Die Vermieter installierten im Innen- und Aussenbereich 17 Videokameras. Die Mehrheit der Mieter war damit einverstanden. Ein Mieter verlangte dagegen die Entfernung aller Kameras und bekam vor kantonaler Instanz und auch vor Bundesgericht teilweise Recht.
Die systematische Videoüberwachung, die eine Identifizierung von Personen erlaubt, untersteht dem Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes. Auf dieser Grundlage wurden die Vermieter verpflichtet, im Haus des klagenden Mieters die Kamera im Eingangsbereich zu entfernen, ebenso die beiden Kameras in den Verbindungsdurchgängen der Liegenschaft zur gemeinsamen Einstellhalle und zu den Waschküchen. Diese Kameras erlauben eine systematische Kontrolle des Mieterverhaltens und sind ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre. In einer Liegenschaft mit nur 24 Wohnungen und ohne Anhaltspunkte für eine Gefährdung ist das nach Bundesgericht unverhältnismässig. Bei den Kameras im Aussenbereich und in der Tiefgarage wurde hingegen der angestrebte Schutz vor Einbrüchen und Vandalismus als Rechtfertigungsgrund im Sinne des Datenschutzgesetzes anerkannt.