Firmen können nicht gepfändet werden, sie müssen auf Konkurs betrieben werden. Privilegiert sind bis heute hingegen der Bund, die Kantone und Sozialversicherungen. Sie dürfen ihre Schuldner auf Pfändung betreiben. Das heisst: Das Betreibungsamt pfändet vorhandene Vermögenswerte der Firma und bezahlt aus dem Erlös die betriebene Forderung. Für den ungedeckten Teil erhält der Gläubiger einen Verlustschein.
Die marode Gesellschaft darf dennoch weiterwirtschaften. Dies im Gegensatz zu einem Konkursverfahren, nach dessen Abschluss das Unternehmen im Handelsregister gelöscht wird. Das Handelsregisteramt kann zwar auch eine Firma mit Pfändungsverlustscheinen löschen, da diese offensichtlich keine verwertbaren Aktiven mehr hat. Dies setzt aber nach Gesetz voraus, dass das Unternehmen zusätzlich «keine Geschäftstätigkeit mehr aufweist».
Macht die Gesellschaft geltend, dass sie noch aktiv ist, sind dem Handelsregisteramt die Hände für eine Löschung gebunden. Fabian Murer, Leiter des Handelsregisteramtes des Kantons Luzern, sagt: «Wir können die Löschungen an einer Hand abzählen.»
Nicht anders sieht es im Kanton Schwyz aus. «Von den rund 80 Löschungsverfahren führten nur rund ein Fünftel zur Löschung des Unternehmens», so der Schwyzer Handelsregisterführer Othmar Aeschi. Und im Kanton Thurgau wurden letztes Jahr gerade einmal acht Firmen nach erfolglosen Pfändungsverfahren gelöscht.
Damit soll nun Schluss sein. Neu müssen Unternehmen auch bei öffentlich-rechtlichen Forderungen auf Konkurs betrieben werden. Die neue Regel gehört zu einem Massnahmenpaket, welches das Parlament im März 2022 mit dem «Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses» verabschiedete. Ende Oktober entschied der Bundesrat, die neuen Massnahmen auf den 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen.
Mehrere Verlustscheine für die gleiche Firma möglich
Bereits 2022 gab es einen neuen Rekord bei Firmenkonkursen (plädoyer 3/2023). Laut dem Bundesamt für Statistik wurde über 9611 Firmen der Konkurs eröffnet. Die neue Regel wird zu einer massiven Erhöhung der Konkurse ab 2025 führen. Das zeigt eine plädoyer-Umfrage Anfang November bei den kantonalen Steuerämtern der Deutschschweiz zur Zahl der Pfändungsverlustscheine wegen Steuerschulden. Die Steuerämter der Kantone Appenzell Innerrhoden, Schwyz, Uri und Thurgau antworteten nicht oder konnten keine Angaben machen.
Im Kanton Zürich endeten 2030 Pfändungsverfahren im Jahre 2022 mit einem Verlustschein. Das heisst, bei den betriebenen Unternehmen waren keine oder nicht genügend Aktiven vorhanden. Im Kanton Bern wurden mit 808 Pfändungsverlustscheinen am zweitmeisten Verlustscheine ausgestellt, im Kanton Obwalden mit 28 am wenigsten. Total waren es 4710 Pfändungsverlustscheine im vergangenen Jahr.
Nun ist es möglich, dass die gleiche Firma mehrere Verlustscheine ausgestellt bekommt. Im Kanton Luzern etwa endeten 378 Steuerbetreibungen gegen 238 Unternehmen mit einem Verlustschein. Das macht rund 1,5 Verlustscheine pro betriebene Firma. Rechnet man diese Zahl auf die 4710 Verlustscheine um, ergibt dies rund 3100 Firmen, bei denen keine Aktiven mehr vorhanden sind und die somit konkursreif wären.
Hinzu kommen die Pfändungsverlustscheine der Eidgenössischen Steuerverwaltung wegen nicht bezahlter Mehrwertsteuer: «Aus den Betreibungen im Jahr 2022 resultierten rund 20'000 bis 25'000 Pfändungsverlustscheine», sagt Markus Rothenbühler von der Inkassoabteilung der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Rechnet man die Zahl wieder mit 1,5 Verlustscheinen pro Unternehmen um, ergibt dies 13'000 bis 16'000 Firmen, die keine Aktiven mehr besitzen und somit ab 2025 in Konkurs gehen würden.
Berücksichtigt man neben diesen Zahlen die Pfändungsverlustscheine von weiteren öffentlich-rechtlichen Gläubigern wie etwa von Sozialversicherungsanstalten oder von der Suva, ist klar: Ab 2025 zeichnet sich eine Konkurswelle ab.