1. Korruption
Korrupt sein bedeutet, bestechlich, käuflich oder auf andere Weise moralisch verdorben und deshalb nicht vertrauenswürdig zu sein. Korrupt bedeutet auch, aufgrund von Abhängigkeiten, Vetternwirtschaft, Bestechung, Erpressung oder Ähnlichem so beschaffen zu sein, dass bestimmte gesellschaftliche Normen oder moralische Grundsätze nicht mehr wirksam sind.1
Die Korruption umschreibt also Verhältnisse, in denen korrupte Machenschaften das gesellschaftliche Leben bestimmen. Sie bewirken damit einen moralischen Verfall.2 Korruption beschreibt mit anderen Worten ausgedrückt den Missbrauch einer Vertrauensstellung in einer beliebigen Funktion in der Justiz, Wirtschaft, Verwaltung, Politik oder auch in privaten Organisationen, wie zum Beispiel Stiftungen. Ziel der Korruption ist es, für sich selbst oder für eine Drittperson einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtmässiger Anspruch besteht.
Der durch Korruption verursachte Schaden beschränkt sich nicht auf allenfalls direkt eintretende materielle Folgen. Viel schlimmer ist die Beschädigung des Vertrauens in ein gut funktionierendes und von moralischen Grundsätzen getragenes Polit- und Rechtssystem. Die Korruption untergräbt die Grundfesten einer Gesellschaft. Je stärker sie sich breitmacht, desto stärker zerfällt das Vertrauen in den Staat mit seinen politischen und rechtlichen Grundsätzen und moralischen Werten. Die Ausbreitung von Korruption bedeutet letztlich den Zerfall einer Gesellschaft an sich selbst.
1.1 Korruptionsbekämpfung
1.1.1 Strafrechtliche Normen
Die Bekämpfung der Korruption erfolgt in einem Rechtsstaat mittels strafrechtlicher Normen. Im Schweizerischen Strafgesetzbuch finden sich verschiedene Straftatbestände. Strafbar ist das Bestechen (Art. 322ter StGB), Sich-bestechen-Lassen (Art. 322quater StGB), die Vorteilsgewährung (Art. 322quinquies StGB), die Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB) und die Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies StGB).
Private, die öffentliche Aufgaben erfüllen, sind Amtsträgern gleichgestellt (Art. 322octies Abs. 3 StGB). Für geringfügige, sozial übliche Vorteile kennt das Strafrecht zudem Ausnahmen von der Bestrafung (Art. 322octies Abs. 2 StGB).
Weiter findet sich im Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Art. 4a eine Bestimmung, die das Bestechen und Sich-bestechen-Lassen in der freien Marktwirtschaft als unlauteren Wettbewerb umfasst. Nach Art. 23 Abs. 1 UWG macht sich strafbar, wer nach Art. 4a UWG vorsätzlich unlauteren Wettbewerb betreibt.
1.1.2 Grundlegendes Problem der Bekämpfung
Da bei der Korruption aber meistens die Gesellschaft zum «Opfer» einer Straftat wird und am Delikt ansonsten in der Regel nur die Täter beteiligt sind, fehlt naturgemäss ein Interesse eines direkt Beteiligten, das Delikt aufzudecken. Vielmehr haben die an der Korruption direkt Beteiligten (zum Beispiel der Bestecher und der Bestochene) ein starkes Interesse daran, ihr Handeln zu verheimlichen beziehungsweise gar zu vertuschen. Deshalb bleiben die meisten Korruptionshandlungen ungestraft.
Damit wird klar, dass Korruption nur dann effektiv bekämpft werden kann, wenn präventiv dafür gesorgt wird, dass sie gar nicht erst entstehen kann. Ein schlagendes Stichwort dafür ist «Transparenz». Überall dort, wo gegebene Strukturen in Verwaltung, Organisationen etc. korruptives Verhalten zulassen könnten, schafft ein transparentes System der Öffentlichkeit die Möglichkeit, das Verhalten der beteiligten Personen zu überprüfen und damit der Korruption vorzubeugen.3
1.1.3 Internationale Korruptionsbekämpfung
Die Schweiz hat am 24. September 2009 das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption ratifiziert. Sie ist einer von über 170 Vertragsstaaten. Das Abkommen enthält Implementierungspflichten in den Bereichen Korruptionsverhütung, Kriminalisierung und Strafverfolgung, internationale Zusammenarbeit, Vermögensrückführung sowie technische Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern.4
Die Schweiz hat sich durch Unterzeichnung dieses Übereinkommens verpflichtet, einzelne Bestimmungen, zum Beispiel verschiedene Formen der Bestechung von Amtsträgern ins innerstaatliche Recht zu implementieren. Dieses Übereinkommen ist insofern völkerrechtlich bindend. Die Souveränität der einzelnen Vertragsstaaten wird in Art. 4 des Übereinkommens indes ausdrücklich geschützt, was bedeutet, dass kein Staat berechtigt ist, im Hoheitsgebiet eines anderen Staates Gerichtsbarkeit auszuüben oder Aufgaben wahrzunehmen, die den innerstaatlichen Behörden vorbehalten sind.
Zudem ist die Schweiz im Jahr 2000 der OECD-Konvention über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger beigetreten. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe zu stellen. Weiter ist die Schweiz 2006 der Strafrechtskonvention des Europarats über Korruption beigetreten. Auch dieses Übereinkommen verpflichtet die Vertragsparteien dazu, zahlreiche korrupte Praktiken in das innerstaatliche Recht zu implementieren. Im Rahmen dieser Übereinkommen hat der Europarat ein besonderes Gremium, die Groupe d’Etats contre la Corruption (Greco), eingesetzt. Darin ist auch die Schweiz vertreten. Die Greco führt wechselseitige Länderexamen durch und überprüft so die Fortschritte bei der Umsetzung der Abkommen und der Korruptionsbekämpfung.
Im letzten Bericht der Greco über die Schweiz vom 19. Juni 2015 (veröffentlicht am 17. August 2015) nimmt die Greco mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Schweizer Regierung beschlossen hat, zurzeit im Bereich der Transparenz der Finanzierung der politischen Parteien und der Wahlkampagnen nicht gesetzgeberisch tätig zu werden. Damit steigt der internationale Druck auf die Schweiz, auch im Bereich der Finanzierung politischer Parteien und Wahlkampagnen geeignete Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung zu ergreifen. Ein eigentlicher Umsetzungszwang besteht jedoch nicht. Die Schweiz kann von der Greco nicht dazu gezwungen werden, innerstaatliche Regeln einzuführen. Indes ist zu erwarten, dass die Greco den politisch-diplomatischen Druck erhöhen wird.
Nachdem Schweden im Jahr 2014 eine Gesetzgebung in diesem Bereich verabschiedet hat, ist die Schweiz folglich noch der einzige von 49 Mitgliedsstaaten der Greco, der gegenwärtig über keine Gesetzgebung zur Transparenz der Parteienfinanzierung verfügt. In Schweden müssen neu Spenden sowie die Identität der Spender über 20 000 Kronen (rund 2300 Franken) offengelegt werden. Werden die Vorschriften nicht eingehalten, so können den Parteien öffentliche Mittel gekürzt werden.5
Die Gesetzgebung zur Transparenz der Parteienfinanzierung im Kanton Neuenburg zeige, so die Greco, dass zwischen den Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz und den Forderungen nach einer transparenten Finanzierung der politischen Parteien und Wahlkampagnen ein Weg gefunden werden könne.6 Im Kanton Neuenburg sind Spenden ab 5000 Franken mit Namen der Spender an die Staatskanzlei zu melden. Zudem haben die im Grossen Rat vertretenen Parteien ihre Bilanz und Erfolgsrechnung im Amtsblatt des Kantons zu veröffentlichen.7
1.1.4 Schweiz unter Druck
In der Schweiz findet sich derzeit keine politische Mehrheit, um im Bereich der Finanzierung der Parteien Transparenz zu schaffen. Einem zuletzt eingereichten parlamentarischen Vorstoss der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats zur Offenlegung von Zuwendungen an politische Akteure durch Unternehmen und Institute der öffentlichen Hand leisteten weder die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats noch der Nationalrat Folge (parlamentarische Initiative 14.400).
Derzeit ist eine Motion des grünen Nationalrats Balthasar Glättli pendent, die Transparenz über die Parteienfinanzierung fordert. Sie verlangt, dass Zuwendungen natürlicher oder juristischer Personen an Parteien ab einem bestimmten Schwellenwert öffentlich gemacht werden müssen (Motion 15.3715, eingereicht am 19. Juni 2015, der Bundesrat beantragt Ablehnung).
Da sich die politischen Parteien in der Schweiz vorwiegend über Spenden finanzieren, ist wohl die Befürchtung zentral, dass eine Offenlegungspflicht zu einem Spendenrückgang führen würde. Die Schweiz steht jedoch international zunehmend unter Druck. Zwar kann ein Gremium wie die Greco die Schweiz zu nichts zwingen. Doch der Ruf der Schweiz leidet unter den negativen Berichten über die mangelnde Bereitschaft, die geforderten Korruptionsbekämpfungsmassnahmen umzusetzen.
2. Parteienfinanzierung
2.1 Kantonale Regelungen
In der Schweiz gibt es auf nationaler Ebene keine gesetzlichen Regeln. Parteien können von beliebigen Organisationen, Privatpersonen oder Unternehmen Spenden entgegennehmen. Weder Geldgeber noch Beträge müssen offengelegt werden. Auf kantonaler Ebene regeln nur drei Kantone die Parteienfinanzierung. Im Kanton Tessin sind Spenden über 10 000 Franken sowie bei kantonalen Urnengängen alle Ausgaben über 5000 Franken offenzulegen. Der Kanton Genf verpflichtet die Parteien, ihre Konten jedes Jahr offenzulegen und ihre Spender zu nennen. Der gespendete Betrag muss nicht angegeben werden. Die schärfsten Regeln kennt der Kanton Neuenburg (siehe Ziffer 1.1.3).
Anders als in anderen Ländern erhalten die Parteien in der Schweiz – mit Ausnahme der Fraktionsbeiträge – keine direkten Gelder vom Staat. Damit steigt die Abhängigkeit von Spenden von Unternehmen, Organisationen und Privaten.8
2.2 Intransparente Situation
Nachdem sich der Bundesrat Ende 2014 gegen eine gesetzliche Regelung ausgesprochen hatte, bleibt die Situation intransparent. Auf nationaler Ebene ist indes eine Transparenzinitiative in den Startlöchern. Am 26. April 2016 wurde der Initiativtext im Bundesblatt publiziert. Die Frist für die Unterschriftensammlung läuft bis 26. Oktober 2017. Die Initiative verlangt im Wesentlichen die Publikation der Parteirechnungen, ein Verbot anonymer Spenden und eine Offenlegung aller Spenden von über 10 000 Franken pro Spender und Jahr an Parteien und Komitees.9 Zwar finden sich im Initiativkomitee nicht nur Exponenten der SP Schweiz, diese ist aber mit einem Beitrag von 180 000 Franken für die Sammelphase die treibende (finanzielle) Kraft hinter der Initiative.10 Im Sinn der eigenen Initiative wurden die finanziellen Aufwendungen transparent dargelegt.
3. Korruption in der Parteienfinanzierung
3.1 Risiken
Das Modell der Parteienfinanzierung, wie es die Schweiz kennt, birgt insbesondere im Bereich der Korruption erhebliche Risiken und schwächt die Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung auf breiter Ebene. Beispielsweise ein Wahlkampf – insbesondere auf nationaler Ebene – erfordert heute den Einsatz erheblicher finanzieller Mittel. Ein Kandidat, der sich von einem Privaten oder einem Unternehmen den Wahlkampf bezahlen lässt, den er aufgrund eigener Mittel nicht finanzieren könnte, büsst zwangsläufig ein Stück seiner Unabhängigkeit ein. Dies muss nicht bedeuten, dass er gleich korrupt ist. Doch könnte es sein, dass er, einmal in seinem Amt, seinen privaten Geldgeber – ohne den er allenfalls gar nicht gewählt worden wäre – bei einer Vergabe eines Auftrags bevorzugt. Damit steht die Parteienfinanzierung in der Schweiz zwangsläufig in einem Konflikt mit der Unabhängigkeit einzelner Mandatsträger.
3.2 Stellenwert von Transparenz
Eingeschränkte Unabhängigkeit bedeutet aber auch eine höhere Anfälligkeit, sich im Bereich der Korruption fehlbar zu verhalten. Aufgrund der intransparenten Parteienfinanzierung bleibt es dem Staat nun praktisch verwehrt, allfällige, auf die Parteienfinanzierung zurückzuführende Machenschaften aufzudecken. Abhilfe schaffen kann auch hier wiederum nur eine konsequente transparente Offenlegung grösserer Beiträge, sodass präventiv von vornherein klar wird, welche Abhängigkeiten und Verbindungen zwischen einem politischen Mandatsträger und seinen privaten Geldgebern bestehen.
3.3 Geldwäscherei
Die zurzeit geltende intransparente Parteienfinanzierung wirkt sich auch auf die Bekämpfung der Geldwäscherei aus. Die fehlende Kontrolle über die Herkunft der Gelder, welche Parteien von «anonymen Dritten» erhalten, kann sich begünstigend auf die Geldwäscherei auswirken. Der Geldwäscherei macht sich strafbar, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren (Art. 305bis StGB).
Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass auch Parteien Gelder von Leuten erhalten, von denen sie wissen oder annehmen müssen, dass diese aus einem Verbrechen herrühren. Heute ist es aufgrund der intransparenten Regelung nahezu unmöglich, solche Einnahmen einer Partei aufzudecken.
4. Fazit
Das Beispiel einzelner Kantone (Tessin, Genf, Neuenburg) zeigt, dass es – entgegen der Ansicht des Bundesrats – mit dem besonderen politischen System der Schweiz durchaus vereinbar ist, im Bereich der Parteienfinanzierung Transparenz zu schaffen. Mit einer Schwelle bei 5000 bis 10 000 Franken haben private Sympathisanten und Mitglieder von Parteien keinen Einschnitt in ihre Privatsphäre zu befürchten. Andererseits würden Verbindungen zwischen namhaften Geldgebern und politischen Amtsträgern offengelegt, sodass hier Prävention im Bereich der Korruptionsbekämpfung stattfinden würde.
Unter dem Aspekt des Vertrauens in die Politik und das Rechtssystem wäre es zu begrüssen, wenn im Bereich der Parteienfinanzierung Transparenzregeln eingeführt würden. Hier liegt heute ein erhebliches Risiko im Bereich der Korruption in unserem politischen System. Das ist Gift für das Funktionieren einer von moralischen und rechtsstaatlichen Prinzipien getragenen Demokratie.